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Berlin. Der am Mittwoch (24. Juni) vom Bundeskabinett verabschiedete „Rüstungsexportbericht 2014“ dokumentiert zwei völlig unterschiedliche Tendenzen. Zum einen hat die Regierung im vergangenen Jahr deutlich weniger Rüstungsgüter für die Ausfuhr genehmigt. Zum anderen verdoppelte sich der besonders umstrittene Export von Kriegswaffen von rund 957 auf 1823 Millionen Euro. Die Steigerung um 866 Millionen Euro ist nach Regierungsangaben vor allem auf die Lieferung eines bereits im Jahr 2003 zugesagten Ubootes an Israel zurückzuführen.

Die Bundesregierung ist mittlerweile – wie sie hervorhebt – den „Wünschen von Parlament und Öffentlichkeit nach mehr Transparenz in diesem Politikbereich“ nachgekommen. Am 15. Oktober vergangenen Jahres hat sie „zur Verbesserung der Transparenz bei Rüstungsexporten“ erstmals einen Zwischenbericht vorgelegt, der bereits die Entscheidungen zu den deutschen Rüstungsexporten im ersten Halbjahr 2014 offenlegt.

Deutschland betreibt „zurückhaltende Rüstungsexportpolitik“

Die Bundesregierung verfolgt nach eigener Darstellung im vorliegenden „Bericht über die Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahr 2014“ eine „zurückhaltende Rüstungsexportpolitik“. Zudem spiele die Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland bei der Entscheidungsfindung eine hervorgehobene Rolle, betont sie.

Nichtsdestotrotz rangiert Deutschland nach aktuellen Berechnungen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI (SIPRI: Stockholm International Peace Research Institute) mit einem Marktanteil von etwa fünf Prozent auf dem vierten Platz der weltweit führenden Rüstungslieferanten. Den ersten Platz in der SIPRI-Studie „Trends in International Arms Transfers 2014“ (für den Zeitraum 2010 bis 2014) belegen die USA mit einem Marktanteil von 31 Prozent, gefolgt von Russland mit 27 Prozent und China mit fünf Prozent.

Gesamtwert der Genehmigungen für Rüstungsausfuhren stark rückläufig

Im vorliegenden 16. Rüstungsexportbericht heißt es zum Thema „Ausfuhrgenehmigungen“: „Im Jahr 2014 ging der Gesamtwert der Genehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern erheblich zurück. Dies galt auch für Genehmigungen für Entwicklungsländer und bei Kleinwaffen. Ein Großteil der Einzelausfuhrgenehmigungen entfällt auf Schiffe und Uboote, die zur Küstenverteidigung und zur Bekämpfung der Piraterie eingesetzt werden. Eine Verletzung von Menschenrechten oder die Gefahr von Repressionen ist damit erkennbar nicht verbunden.“

Insgesamt hat die Bundesregierung ihrem Exportbericht zufolge im Jahr 2014 Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter im Wert von 3,974 Milliarden Euro erteilt, im Jahr 2013 entsprach der Güterwert 5,846 Milliarden Euro. Der Gesamtwert ging somit gegenüber dem Vorjahr um 1,872 Milliarden Euro zurück.

Ein Anteil von rund 39,5 Prozent des Wertes der Einzelausfuhrgenehmigungen entfiel auf EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Länder (2013 waren es rund 38 Prozent), rund 60,5 Prozent auf Drittländer (2013: rund 62 Prozent). Der hohe Anteil der Ausfuhrgenehmigungen in Drittländer ergebe sich aus umfangreichen Genehmigungen nach Israel, Singapur, Südkorea und nach Saudi-Arabien, erklärt die Bundesregierung.

Einzelgenehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen beliefen sich im Jahr 2014 auf einen Gesamtwert von insgesamt 1,486 Milliarden Euro, also etwa 37 Prozent des Gesamtwertes der Einzelgenehmigungen (2013: 757,2 Millionen Euro). Größtes Empfänger-Drittland und „hauptursächlich für den Anstieg“ war dabei Israel.

Massive Ausstattungshilfe für die kurdische Regionalregierung

Der Wert der Exportgenehmigungen für Kleinwaffen – beispielsweise Maschinengewehre, Schrotflinten oder Pistolen – lag 2014 bei 47,43 Millionen Euro und hat sich damit im Vergleich zum Vorjahr 2013 (82,63 Millionen Euro) fast halbiert.

Der Genehmigungswert für Kleinwaffen in Drittländer betrug im Jahr 2014 insgesamt 21,63 Millionen Euro (Vorjahr 42,23 Millionen Euro). Der größte Posten fiel dabei durch die Gewährung von Ausstattungshilfe der Bundesregierung an die kurdische Regionalregierung auf den Irak (15,27 Millionen Euro).

Export von deutschen Kriegswaffen hat sich fast verdoppelt

Zur Ausfuhr von Kriegswaffen aus Deutschland im Jahr 2014 dokumentiert der Exportbericht einen steilen Anstieg. Insgesamt wurden nach Feststellungen des Statistischen Bundesamtes Kriegswaffen im Wert von 1,823 Milliarden Euro ausgeführt. Dieser Wert entspricht (0,16 Prozent aller deutscher Exporte (2013: 957 Millionen Euro/0,088 Prozent der deutschen Exporte).

Wertmäßig erfolgten rund 23 Prozent der Kriegswaffenausfuhren in EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Länder, bei denen Rüstungsexporte grundsätzlich nicht zu beschränken sind. Die Kriegswaffenausfuhren waren überwiegend kommerzielle Ausfuhren, zum Teil aber auch Abgaben aus Bundeswehrbeständen.

An Entwicklungsländer wurden im Jahr 2014 Kriegswaffen im Wert von insgesamt 44,88 Millionen Euro ausgeführt, dies entspricht etwa 2,5 Prozent der gesamten Kriegswaffenausfuhren (2013: 19,36 Millionen Euro/2,1 Prozent). Die Bundesregierung erläutert auch hier: „Davon gingen allein Lieferungen im Wert von 35,9 Millionen Euro an Indonesien und im Wert von 8,5 Millionen Euro an Pakistan. Diese beiden Länder decken volumenmäßig damit fast den gesamten Wert für Lieferungen an Entwicklungsländer ab.“

Medien beleuchten die zwiespältige Bilanz des aktuellen Rüstungsexportberichts

Der Rüstungsexportbericht 2014 der Bundesregierung war auch Gegenstand etlicher Kommentare in der deutschen Tagespresse. Die Mitteldeutsche Zeitung befasst sich mit den 100 Anträgen für die Genehmigung der Ausfuhr von Rüstungsgütern, die abgelehnt worden waren. „Gegenüber 2013 stieg die Zahl der Ablehnungen von 71 auf 100; der Wert der versagten Aufträge nahm jedoch gerade mal um rund 300 000 auf gut zehn Millionen Euro zu – eine Trendumkehr sieht anders aus“, schreibt das Blatt. Problematisch bleibe insgesamt, dass Deutschland weiter die meisten Waffen in Länder außerhalb der NATO liefere. Die Mitteldeutsche: „Dies Erbe aus Zeiten von Angela Merkels Koalition mit der FDP hat Sigmar Gabriel noch nicht überwunden. Er braucht einen langen Atem.“

Die Stuttgarter Zeitung lobt: „Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat zu Beginn seiner Amtszeit das Versprechen abgegeben, dass die Große Koalition bei der Genehmigung von Rüstungsexporten deutlich zurückhaltender sein will als die schwarz-gelbe Vorgängerregierung. Er hat zudem versprochen, für mehr Transparenz in diesem sensiblen Themenfeld zu sorgen. Heute lässt sich feststellen, dass der Sozialdemokrat jedenfalls bemüht ist, diesen Worten entsprechende Taten folgen zu lassen.“ Gabriel habe das Tempo und die Intensität erhöht, mit dem das Parlament über die Ausfuhr von Panzern, Pistolen und Fregatten informiert wird. Der aktuelle Rüstungsexportbericht weise aus, dass in toto das Ausfuhrvolumen deutlich kleiner geworden ist. Besonders erfreulich, so die Zeitung: „Der Export von Kleinwaffen, mit denen einige Käufer in den vergangenen Jahren viel Unheil angerichtet haben, ging um fast die Hälfte zurück. Eine schärfere Kontrolle nach dem Verkauf solcher Waffen ist versprochen; auch das ist ein richtiger Ansatz.“

Die Bilanz des jüngsten Rüstungsexportberichts fällt nach Meinung der Lausitzer Rundschau durchaus zwiespältig aus. Zwar seien im vergangenen Jahr deutlich weniger Ausfuhren genehmigt worden. In der Spitzengruppe der Empfänger seien jedoch fast ausschließlich Drittländer vertreten, von denen es einige mit den Menschrechten nicht so genau nehmen, beklagt die Zeitung und nennt beispielhaft Indonesien und Saudi-Arabien.

Der Kommentator befürchtet: „Solange der Export von Kriegswaffen an Länder außerhalb von NATO und EU grundsätzlich möglich bleibt, wird Gabriel ein Problem mit seiner Glaubwürdigkeit haben. Bei einem totalen Verbot wiederum müsste die deutsche Rüstungsindustrie um ihre Existenz bangen. So steckt der Wirtschaftsminister im Dilemma, aus dem es kein Entrinnen gibt.“

Grüne verurteilen die „beschämend hohen Ausfuhren in Drittstaaten“

Zum Schluss noch zwei Stimmen der Opposition. Agnieszka Brugger, Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen für Sicherheitspolitik und Abrüstung, erklärte am 24. Juni: „Die Ausfuhren in Drittstaaten sind nach wie vor beschämend hoch. 60,5 Prozent aller Rüstungsexporte gehen in Länder, die nicht der EU oder NATO angehören oder ihnen gleichgestellt sind. Doch gerade in Ländern wie Saudi-Arabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten werden die Menschenrechte mit Füßen getreten. Immerhin sind die Einzelgenehmigungen bei Rüstungsexporten im Jahr 2014 rückläufig. Das ist zwar begrüßenswert, doch dieser Trend muss in den nächsten Jahren fortgesetzt werden.“

Noch bestehe für Minister Gabriel kein Grund, sich mit dem Rüstungsexportbericht „zu brüsten“, meint Brugger. Denn die Aufrüstungsspirale in sicherheitspolitisch höchst brisante Regionen wie dem Nahen und Mittleren Osten sowie Asien sei fatal und gehe weiter. Die neue deutsche Verantwortung in der internationalen Politik erweise sich bei den Rüstungsexporten „als rhetorische Luftnummer“. Denn so rüste Deutschland Staaten mit schlechter Menschenrechtslage in instabilen Regionen hoch, warnte die Sprecherin der Grünen. Brugger bezweifelt: „Es ist fraglich, ob Sigmar Gabriel eine Außenpolitik, die den Menschenrechten verpflichtet ist, gegen die Gewinninteressen der Rüstungslobby durchsetzen kann.“

Linke brandmarkt deutsche Rüstungsexportkontrolle als „Farce“

Jan van Aken, Bundestagsabgeordneter der Linken und außenpolitischer Sprecher seiner Fraktion, nahm ebenfalls am 24. Juni zum aktuellen Rüstungsexportbericht Stellung. Er urteilte: „Sigmar Gabriels Bilanz als Rüstungsexportminister ist extrem fragwürdig. Die Exportgenehmigungen für Kriegswaffen haben sich verdoppelt, drei Viertel davon gehen in Länder außerhalb der NATO. Das ist verheerend. Einziger Lichtblick: Der Export von Rüstungsgütern insgesamt ist leicht gesunken.“

Van Aken weiter: „Der Rüstungsexportbericht 2014 zeigt eine zwiespältige Bilanz. Es ist zwar eine gute Nachricht, dass die Summe der Genehmigungen für alle Rüstungsgüter zurückgegangen ist. Mit Ausfuhren im Gesamtwert von rund 6,5 Milliarden Euro bleibt Deutschland allerdings wie seit Jahren unter den größten Waffenexporteuren der Welt.“

Dass der Löwenanteil mit 77 Prozent der Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen auf Drittländer entfalle, zeige, dass die ganze deutsche Rüstungsexportkontrolle „eine Farce“ sei, kritisiert der Oppositionspolitiker der Linken. „Wir brauchen endlich klare Verbote von Rüstungsexporten. Sonst wird Deutschland weiterhin Jahr für Jahr am Krieg und am Unfrieden in der Welt in Milliardenhöhe profitieren.“


Zu unserem Bildangebot:

1. Israelisches Uboot der Dolphin-Klasse. Die Exporte wurden und werden seit dem Jahr 1992 von dem Kieler Unternehmen Howaldtswerke-Deutsche Werft GmbH (HDW) – heute ThyssenKrupp Marine Systems – gebaut. Beteiligt daran waren auch die Nordseewerke in Emden (die 1903 gegründete Traditionswerft hat vor wenigen Wochen einen Insolvenzantrag gestellt; das letzte Schiff war dort Ende 2009 vom Stapel gelaufen, danach hatten die Nordseewerke ihre Produktion auf Gründungselemente für den Bau von Offshore-Windkraftanlagen umgestellt). Die Aufnahme entstand im Juli 2012 in Kiel.
(Foto: Marco Kuntzsch)

2. Das Hintergrundbild unserer Infografik zeigt das Patrouillenschiff „Daruttaqwa“, gebaut von der Bremer Fr. Lürssen Werft für das Sultanat Brunei Darussalam.
(Foto: Lürssen)

3. Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, stellte den 16. Rüstungsexportbericht der Bundesregierung am 24. Juni 2015 der Öffentlichkeit vor. Das Bild zeigt Machnig (zweiter von links) bei der Pressekonferenz in Berlin.
(Foto: Susanne Eriksson/Bundesministerium für Wirtschaft und Energie)


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