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Berlin/Decimomannu (Sardinien, Italien). Die Erfolgsmeldung der Linken war nicht nur verfrüht, offensichtlich war sie auch schlichtweg falsch. Am 29. Januar hatte Inge Höger, abrüstungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, eine Pressemitteilung zur zukünftigen Nutzung der italienischen Mittelmeerinsel Sardinien durch die deutsche Luftwaffe veröffentlicht. Der Text ihres Berliner Mitarbeiters Carsten Albrecht war überschrieben gewesen mit der Ankündigung: „Die Bundeswehr zieht aus Sardinien ab – lokale Proteste und linker Druck aus Deutschland haben Erfolg!“ Am 2. März jedoch teilte die Bundesregierung auf eine entsprechende Anfrage der Fraktion Die Linke lapidar mit: „Die Bundeswehr beabsichtigt, in Sardinien zu verbleiben.“

Die Fraktion Die Linke bezog sich in ihrer Regierungsanfrage auf Artikel italienischer Medien der letzten Monate, so auch auf die sardische Tageszeitung Sardiniapost vom 23. Januar 2015.

Diese hatte berichtet, eine „um zwei Monate jährlich verlängerte Schließung des Schießübungsplatzes von Capo Frasca“ würde „den [deutschen] Soldaten Ausbildung und Übung erschweren“. Die deutsche Luftwaffe „scheint [deshalb] bereit zu sein, Sardinien zu verlassen“. Über dem Militärflugplatz Decimomannu im Süden der Insel brauten sich deshalb dunkle Wolken zusammen, schrieb die Sardiniapost ahnungsvoll und spekulierte: „Auf Wiedersehen – deutsche Luftwaffe verlässt die Insel!“

Ein Buschbrand, heftige Proteste und wilde Spekulationen

Am 4. September vergangenen Jahres hatte sich bei Trainingsflügen deutscher Tornado-Maschinen im Bereich des Luft-Boden-Schießplatzes Capo Frasca durch Übungsmunition auch Buschland entzündet. Rund 26 Hektar brannten ab. Es kam zu Protesten „auf Sardinien und darüber hinaus“, so die Fraktion der Linken. Inge Höger und weitere Abgeordnete ihrer Partei fragten die Bundesregierung denn auch nach einem möglichen Zusammenhang zwischen dem „Abzug der Luftwaffe aus Sardinien und dem von ihr verursachten Buschbrand am 4. September 2014“.

Auch bei dieser Frage erklärte die Regierung einmal mehr, dass die Bundeswehr nicht beabsichtige, Sardinien zu verlassen. Darüber hinaus definiere sich die völkervertragsrechtliche Haftung der Bundeswehr für von ihr verursachte Schäden auf Sardinien aus einer zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Verteidigungsministerium Italiens geschlossenen „Technischen Vereinbarung“ vom 5. Februar 2013 über die Nutzung des Luftwaffenübungsplatzes in Decimomannu. Diese verweise grundsätzlich auf die Anwendung der Haftungsbestimmungen des NATO-Truppenstatuts.

Entsprechend der Vereinbarung sei die italienische Luftwaffe außerdem für Leitung, Betrieb und Instandhaltung, Dienstleistungen, logistische Unterstützung sowie für die Sicherheit zuständig. Dies beinhalte auch die Räumung des Luft-Boden-Schießplatzes Capo Frasca von Munitionsresten.

Extrem hohe Krebsrate und Missbildungen bei Tieren?

Das politische Interesse der Fraktion Die Linke gründet sich auf einem ganzen Konglomerat an Problemen auf der Mittelmeerinsel. So schrieben die Abgeordneten am 9. Oktober 2014 in einer anderen Anfrage zum Thema „NATO-Übungen auf Sardinien“: „Die NATO, Israel und private Sicherheitsfirmen nutzen seit den 1950er-Jahren mehrere Standorte der italienischen Insel Sardinien für Militärübungen. In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Kontroversen, weil sich Hinweise verdichteten, wonach die USA in der NATO-Base Salto di Quirra Übungen mit Uranmunition durchgeführt haben sollen. Eine extrem hohe Krebsrate und Missbildungen bei Tieren seien die Folge davon.“

Weiter beklagt Die Linke, dass deutsche Tornados am 4. September 2014 nicht nur Buschland verbrannt und „in der Nähe der Stadt Capo Frasca auch Ackerland für Jahre unbrauchbar gemacht“ hätten. Raketen hätten zudem „zahlreiche sardische Kulturdenkmäler, sogenannte Nuraghen, zerstört“ (wobei die Abgeordneten nicht deutlich machen, ob ihrer Meinung nach hierfür die deutsche Luftwaffe verantwortlich ist). Italienische Medien hätten darüber hinaus über den Besuch eines ABC-Waffen-Spezialteams nahe des Militärstützpunktes Teulada berichtet, so die Linken in ihrer Regierungsanfrage vom Herbst vergangenen Jahres weiter. „Anwohner fürchten, dass es dort eventuell zu Vergiftungen […] infolge einer Uranwaffenübung oder einer Übung mit Nuklearwaffen kommen könnte.“

In der eingangs zitierten Pressemitteilung der Parlamentarierin Inge Höger heißt es am Ende: „Der nun anstehende Abzug der Bundeswehr aus Sardinien ist hoffentlich nur der Anfang einer Entmilitarisierung dieser schönen und geschichtswürdigen Insel.“ Mit der Antwort der Bundesregierung vom 2. März 2015 – „Die Bundeswehr beabsichtigt, in Sardinien zu verbleiben“ – dürfte diese Vision der Fraktion der Linken (vorerst) erloschen sein.

Taktisches Ausbildungskommando der deutschen Luftwaffe

Die deutsche Luftwaffe nutzt seit vielen Jahren auf Sardinien den Militärflugplatz Decimomannu. Die Base in der Campidano-Schwemmlandebene, etwa 20 Kilometer nordwestlich der sardischen Regionalhauptstadt Cagliari gelegen, dient NATO-Luftstreitkräften und befreundeten Nationen bereits seit Ende der 1950er-Jahre als Stützpunkt.

Die Bundeswehr hat in Decimomannu dauerhaft das „Taktische Ausbildungskommando der Luftwaffe Italien“ installiert. Dieser von einem Oberst geführte Verband, am Standort Gast der italienischen Luftwaffe, bietet den Kommandos der deutschen Luftwaffenverbände Aufnahme und Unterstützung, wenn diese vor Ort üben. Auf Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung unterstützt das Kommando außerdem bei Sondervorhaben wie etwa der Ausbildung der Heeresfliegertruppe oder bei Erprobungen der Wehrtechnischen Dienststellen.

In der Vergangenheit hatten auch andere Luftstreitkräfte solche Kommandos auf dem Militärflugplatz unterhalten, heute nutzen sie bei Trainingsmissionen oder Erprobungen die Dienste der italienischen und deutschen Kräfte.

Simulierte Luftkämpfe, Luft-Boden-Schießen und wehrtechnische Erprobungen

Vor der Südwestküste Sardiniens – im Abschnitt zwischen Oristano im Norden und der Insel Sant’Antioco im Süden – liegt ein Sperrgebiet, in dem Luftkämpfe zwischen Militärmaschinen simuliert werden können.

Wenige Kilometer südwestlich von Oristano ist der Luftraum über der Landzunge Capo Frasca gesperrt. Capo Frasca dient als Luft-Boden-Schießplatz. Im äußersten Süden Sardiniens befindet sich bei Teulada ein Truppenübungsplatz, über dem der Luftraum ebenfalls gesperrt ist; bei größeren Militärmanövern kommen auch hier Kampfflugzeuge und Hubschrauber zum Einsatz.

Von Decimomannu aus werden zudem Übungs- und Erprobungseinsätze im weiter nordöstlich gelegenen Sperrgebiet Salto di Quirra durchgeführt, insbesondere von der italienischen Luftwaffe und der Industrie.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Eurofighter der deutschen Luftwaffe über der Airbase von Decimomannu.
(Foto: Bundeswehr)

2. Die Infografik zeigt wichtige militärische Stützpunkte und Trainingsbereiche auf Sardinien. Das größere Bild zeigt den Militärflugplatz Decimomannu aus der Vogelperspektive.
(Bilder: Zara Massimiliano und NASA)

Kleines Beitragsbild: Eurofighter auf dem Flugplatz Decimomannu.
(Foto: Bundeswehr)


Kommentare

  1. Max Benser | 22. Juni 2017 um 05:37 Uhr

    Machen Sie Ihre militärischen Nuklearübungen bei München, bei Hamburg, bei Nürnberg oder Frankfurt! Weshalb auf Sardinien? Weil Ihre Übungen gefährlich sind! Deshalb machen Sie aus Sardinien eine Nuki-Kloake, nicht mehr bewohnbar für italienische Bauern …

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