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Berlin. „Das Sicherheitsumfeld hat sich seit dem Krisenjahr 2014 deutlich verändert. Vor diesem Hintergrund prüfen wir aktuell, welche kurz- und langfristigen Modernisierungs- und Ergänzungsschritte angezeigt sind, beim Personal, beim Material und bei der multinationalen Ausrichtung.“ Die Ankündigung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, geäußert in einem Interview mit der Wochenzeitung Bundeswehr aktuell und publik geworden am 27. Februar 2015, kommt zunächst unspektakulär daher. Und doch geht es um eine Zäsur. Die Ministerin scheint sich vom Leitgedanken der Bundeswehr-Neuausrichtung „Breite vor Tiefe“ zu entfernen. Sie halte nichts von solchen Schlagworten, verriet sie im Interview mit Chefredakteurin Andrea Zückert. Deutschland müsse zwar als gesetzte Rahmennation in der NATO und in anderen Bündnissen stets „eine angemessene Breite“ an militärischen Fähigkeiten vorhalten. „Wir brauchen aber ebenso dringend bei einzelnen Schlüsselfähigkeiten mehr Durchhaltetiefe“, forderte von der Leyen. Eine in diesem Interview versprochene Änderung wird jetzt umgesetzt. Das deutsche Heer wird künftig mehr Panzer einsatzbereit halten als bislang vorgesehen. Die im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr festgelegte Obergrenze von 225 Kampfpanzern Leopard 2 soll auf 320 erhöht werden.

Die Truppe müsse „top“ sein, verlangte Ursula von der Leyen im Februar im Gespräch mit Bundeswehr aktuell. Die Truppe müsse auf mittlere Sicht nicht nur in den Einsätzen top sein, sondern auch ausreichend Material für Grundbetrieb und Übung haben. Der Kurs der Ministerin liegt an und ist klar: „Da müssen wir wieder hin!“

Zurzeit ist die Bundeswehr noch ein ganzes Stück weit davon entfernt, ihr schweres Aufgabenpaket ohne Blessuren zu stemmen. Von den Männern und Frauen in den Streitkräften wird viel erwartet. Aktuelle Einsätze, alte und neue Bündnisverpflichtungen und nicht zuletzt die krisenhafte Entwicklung der sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen machen jedoch mehr denn je deutlich, dass „Sicherheit und eine einsatzfähige Bundeswehr nicht zum Nulltarif“ zu haben sind (so von der Leyen in ihrem Interview).

Überschüssiges Material künftig in bestehende Strukturen integrieren

Die Verteidigungsministerin will „für die Menschen in der Bundeswehr“ einen attraktiven Arbeitsplatz. Auch beim Material sei man „mitten in einem dringend notwendigen Modernisierungsprozess“. Beim Material müsse zudem ein enormer Investitionsstau aufgelöst werden. Beschaffung und Materialerhalt müssten zudem „deutlich zuverlässiger und effizienter“ werden. Es gelte, den schleichenden Prozess einer Mangelverwaltung zu durchbrechen und das heftig kritisierte „Dynamische Verfügbarkeitsmanagement“ einmal durch ein praktikableres Konzept zu ersetzen. Darüber hinaus, so von der Leyen, soll das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr „viel dynamischer gestaltet“ und diese in den kommenden Jahren „deutlich multinationaler“ aufgestellt werden. So weit die Richtungsvorgabe, der konzeptionelle Überbau.

Wie nun sehen dazu erste konkrete Schritte aus? Ministerin von der Leyen nannte in ihrem Februar-Interview einige Beispiele. So kann die Fallschirmjägerausbildung in Altenstadt bleiben, weil „ein aufwendiger Umzug der militärischen und zivilen Kräfte nach Oldenburg keinen Sinn mehr“ ergibt. Die Voraussetzungen durch eine verstärkte multinationale Kooperation seit der Neuausrichtung hätten sich geändert, erklärte sie (siehe auch hier).

Im Saarland etwa könne man nach einer Überprüfung der Planung die Standorte Lebach und Saarlouis erhalten und so gleichzeitig Belastungen für Familien durch Umzüge reduzieren.

Unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit und Wirtschaftlichkeit werde derzeit auch geprüft, ob der Umzug der Führungsunterstützungskräfte von Köln und Fürstenfeldbruck nach Schortens noch sinnvoll sei. Ebenso werde untersucht, ob die Eurofighter-Ausbildung, die man teilweise in die USA verlegen wollte, nicht doch besser am Standort Wittmund konzentriert werden sollte.

In einem allerersten Schritt soll dann auch mit der Praxis Schluss gemacht werden, überschüssiges gutes Material abzugeben oder zu zerstören. Von der Leyen: „Anstatt funktionstüchtige Kampfpanzer Leopard 2 auszumustern und zu verschrotten, sollten wir überlegen, wie wir das gute, noch vorhandene Material in die bestehenden Strukturen integrieren können. Deswegen wollen wir am Standort Bergen ein derzeit gekadertes Panzerbataillon aktivieren, vorzugsweise mit ergänzender internationaler Komponente. Wir sind dazu in guten Gesprächen mit den Niederlanden.“

Geplante Aufstockung ist eine Folge der Krise zwischen Russland und NATO

Jens Flosdorff, Sprecher des Verteidigungsministeriums, nannte am vergangenen Freitag (10. April) vor der Bundespressekonferenz in Berlin Details. Er könne die Meldung bestätigen, dass im Ministerium die Entscheidung gefallen sei, die künftige Obergrenze bei den Kampfpanzern auf 328 anzuheben, sagte Flosdorff. Dabei handele es sich um 320 Kampfpanzer, die der Truppe zur Verfügung stehen sollen, und um acht Kampfpanzer für das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr. Die acht Leopard 2 sollen dem Amt für technische Demonstrationszwecke zur Verfügung gestellt werden, damit an dem Waffensystem Nachbesserungen und Modernisierungen vorgenommen werden können.

Der Leiter des Presse- und Informationsstabes führte weiter aus: „Wir haben zum Teil Panzerregimenter, die zwar über Truppe und Infrastruktur verfügen, bei denen das Ganze aber nicht in ausreichendem Maße mit Gerät hinterlegt ist. Das soll jetzt aufgefüllt werden. Das wird in mehreren Schritten passieren.“

Zu diesem Punkt hatte Spiegel online am Freitag auch berichtet, dass die militärische Führung der Bundeswehr die Ausstattung des Heeres mit Kampfpanzern erst vor Kurzem im Verteidigungsministerium thematisiert habe. Es sei vorgetragen worden, dass eine Vollausstattung der geplanten sechs deutschen Panzerbataillone, die jeweils aus 44 Leopard-Kampfpanzern bestehen, eine Aufstockung zwingend nötig mache. Der Spiegel erläuterte: „Derzeit sind die meisten Verbände nicht zu 100 Prozent mit Panzern ausgerüstet. Nur im Ernstfall sollen sie zusätzliche Fahrzeuge aus den Ausbildungsstätten der Bundeswehr bekommen. Die geplante Aufstockung ist eine Folge der erhöhten Alarmbereitschaft, die wegen der Krise zwischen Russland und der NATO entstanden ist.“

Kosten für die Leopard-Aufrüstung ab dem Jahr 2017 noch unklar

Die nun wieder in den Bestand der Bundeswehr übernommenen Leopard 2 sind nach Auskunft von Flosdorff „Kampfpanzer in unterschiedlichen, teilweise älteren Rüstzuständen“. Sie werden jetzt „von der Industrie wieder zurückbeschafft“ und sollen dann „ab dem Jahr 2017 sukzessive modernisiert und aufgebaut“ werden.

Zu den Kosten der beschlossenen Maßnahme teilte der Ministeriumssprecher vor der Bundespressekonferenz mit: „Es gab bei der Industrie noch 100 eingelagerte Kampfpanzer Leopard 2 in einem älteren Rüstzustand. Die wird die Bundeswehr zum Preis von insgesamt 22 Millionen Euro wieder zurückübernehmen und demnächst der Truppe zur Verfügung stellen. Die Aufrüstkosten ab dem Jahr 2017 kann ich Ihnen heute hier noch nicht beziffern.“


Hintergrund                           

Der Kampfpanzer Leopard 2, Nachfolger des Leopard 1, wurde im September 1977 bei einer Schau des deutschen Heeres in Köln-Wahn erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Der erste in Serie gefertigte Leopard 2 wurde am 24. Oktober 1979 in München der Panzerlehrbrigade 9 (Munster) übergeben. 1977 war die Firma Krauss-Maffei – heute Krauss-Maffei Wegmann – als Generalunternehmer mit der Lieferung von 1800 Exemplaren betraut worden, 810 Panzer entfielen auf das Unternehmen Maschinenbau Kiel, MaK (seit 2000 Rheinmetall Landsysteme). Insgesamt beteiligten sich an der Fertigung des neuen Kampfpanzers 1500 Unternehmen.
In der langen Produktionszeit entstanden diverse optionale Nachrüstmöglichkeiten und Spezifikationen für ausländische Abnehmer. Deshalb gibt es auch eine Vielzahl von Leopard-2-Varianten, die ganz oder teilweise im Ausland in Lizenz gefertigt werden.
Die Bundeswehr hatte bis zum Jahr 2008 ihren Bestand an aktiven Leopard 2 von ehemals 2125 Stück im Jahr 1990 auf 350 Stück reduziert. Im Bestand des Heeres befinden sich die Ausführungen A6, A6M und A7. Die Kampfpanzer der Ausbaustufe A5 sind mittlerweile alle ausgemustert worden.


Unser Bild zeigt Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A6 des Panzerbataillons 104 (Pfreimd) auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr. Das Bataillon nahm dort im November 2014 an der Übung „Combined Resolve“ teil.
(Foto: Jörg Koch/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Leopard 2 A6 des Panzerbataillons 104 auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr bei „Combined Resolve“. Beide Aufnahmen zu unserem Beitrag entstanden am 23. November 2014.
(Foto: Jörg Koch/Bundeswehr)


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