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München/Paris. Die Rüstungsunternehmen Nexter Systems (Frankreich) und Krauss-Maffei Wegmann (Deutschland) wollen fusionieren. Eine entsprechende Vereinbarung wurde am 29. Juli in Paris unterzeichnet. Durch den Zusammenschluss der beiden Hersteller militärischer Landsysteme unter dem Dach einer gemeinsamen Holding soll ein europäischer Wehrtechnikkonzern mit annähernd zwei Milliarden Euro Jahresumsatz, einem Auftragsbestand von rund neun Milliarden Euro und mehr als 6000 Mitarbeitern entstehen. Vor dem Vollzug des Zusammenschlusses müssen die entsprechenden ministeriellen Genehmigungen vorliegen und gesetzlichen, kartellrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein. Wie die Welt am Sonntag gestern (2. August) berichtete, möchte die Bundesregierung offenbar mit einem deutsch-französischen Staatsvertrag nationale Interessen zusätzlich schützen.

In einer am 29. Juli veröffentlichten gemeinsamen Presseerklärung von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und Nexter heißt es, die Eigentümer bewerteten das Zusammengehen der beiden Großunternehmen als entscheidenden Schritt für die Konsolidierung der wehrtechnischen Industrie Europas. Wir zitieren weiter aus dem Pressestatement: „Die Produktportfolios beider Unternehmen und ihre regionalen Präsenzen auf dem Weltmarkt ergänzen sich nahezu überschneidungsfrei. Durch den Zusammenschluss von Nexter und KMW entsteht eine Einheit, die mit Gewicht und Innovationskraft im internationalen Wettbewerb bestehen und wachsen kann. Zudem eröffnet sie ihren Kunden in Europa und der NATO die Chance zu mehr Standardisierung und Interoperabilität ihrer Rüstungsgüter auf verlässlicher industrieller Basis.“

So weit die Sichtweise der beiden Unternehmensführungen zu dem Fusionsprojekt „Kant“. Bundestagsabgeordnete der Koalition und der Opposition sehen die deutsch-französische Hochzeit allerdings mit gemischten Gefühlen – es gibt in Berlin nicht wenig Skeptiker.

Angst um deutsche Arbeitsplätze und um die Schlüsseltechnologie

CDU-Parlamentarier Roderich Kiesewetter beispielsweise kritisierte am gestrigen Sonntag in der BILD, dass sich die Bundesregierung im Gegensatz zur französischen Regierung bislang nicht an den Fusionsverhandlungen beteiligt und dadurch ohne Not auf entscheidenden Einfluss bei der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen verzichtet habe. Bei dem anstehenden Zusammenschluss von KMW und Nexter Systems geht es auch um deutsche Schlüsseltechnologie, in die bislang erhebliche Steuermittel geflossen sind. Deswegen fordert Kiesewetter, dass nun das Bundeswirtschaftsministerium Auflagen für die Fusion erteilen müsse, damit diese wichtige Technologie in Deutschland bleibe.

Auch Florian Hahn, Verteidigungsexperte der CSU, fordert die Bundesregierung auf, jetzt endlich in der Angelegenheit Fahrt aufzunehmen. Sie müsse ihren Einfluss geltend machen, damit durch den Zusammenschluss keine deutschen Arbeitsplätze verloren gingen und deutsche Schlüsseltechnologie erhalten bleibe. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Henning Otte warnt vor einer „Gefährdung von Deutschlands traditioneller Souveränität beim Panzerbau“.

Versäumnisse wirft ebenfalls der Verteidigungsexperte von Bündnis 90/Die Grünen Tobias Lindner der Bundesregierung vor. Die Politik müsse jetzt unbedingt einen rechtlichen Rahmen definieren, um nicht „zu Getriebenen bei dieser Konsolidierungsbewegung“ zu werden, sagte er den Welt-Autoren Martin Greive, Thorsten Jungholt und Gesche Wüpper für deren Onlinebeitrag „Wie Deutschland seine Rüstungskompetenz verscherbelt“. Die Bundesregierung habe über Jahre hinweg die Hände untätig in den Schoß gelegt, kritisiert Lindner. „Eine Fusion von KMW und Nexter darf nur dann stattfinden, wenn sichergestellt ist, dass am Ende deutsche Rüstungsexportvorschriften nicht aufgeweicht oder umgangen werden können.“

Bestehen große Risiken für die deutsche Zuliefererindustrie?

Rainer Arnold, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, warnt schon seit längerer Zeit vor den Folgen dieser deutsch-französischen Rüstungsfusion. Am 8. Juli erst hatte er in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung gefordert, unbedingt einen „Ausverkauf deutscher Panzer an Frankreich [zu] verhindern!“ (wie berichteten). Im Onlinebeitrag der Welt formuliert Arnold jetzt zwei Forderungen. Zum einen müsse das Bundeskabinett Einfluss nehmen auf die konkrete Vertragsgestaltung von KMW und Nexter. Zum anderen sei zwingend ein bilaterales, staatliches Abkommen zwischen Deutschland und Frankreich erforderlich, „in dem unsere Interessen“ geschützt werden. Es sei nicht akzeptabel, dass „bei KMW auch mit Steuermitteln aufgebautes Know-how einfach ins Nachbarland abfließt“.

In einem am 29. Juli ausgestrahlten Beitrag des ZDF in der Nachrichtensendung heute legte der Bundestagsabgeordnete noch einmal nach. O-Ton Arnold: „Ich sehe große Risiken für die hochtechnologisierte deutsche Zuliefererindustrie. Wir sollten keinem Vertrag zustimmen, der die deutschen Interessen nicht schützt.“

Angeblich ein Zusammenschluss ganz ohne „soziale Folgen“

KMW-Chef Frank Haun und sein französischer Partner Philippe Burtin bemühen sich, Zweifel zu zerstreuen. Die gemeinsame strategische Neuaufstellung ermögliche den Erhalt von Arbeitsplätzen und Kompetenzen im Kern der Europäischen Union. Der Zusammenschluss werde „keinerlei soziale Folgen“ haben und sich weder auf Beschäftigung noch auf geltende Tarifverträge auswirken. Jedes Konsolidierungsprojekt des neuen Konzerns folge dem Prinzip, dass „das Gleichgewicht zwischen den beiden Unternehmen gewahrt und die jeweiligen Technologien, Kenntnisse und Kompetenzen unter Einhaltung der Exportbestimmungen geschützt“ werden. So die beiden Vorstandsvorsitzenden in der gemeinsamen Presseerklärung.

Nexter S.A. befindet sich im Alleinbesitz der französischen Staatsholding GIAT Industries S.A., die Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG im Alleinbesitz der Wegmann GmbH & Co in Kassel. Zur Zusammenführung der beiden Unternehmen sollen die jeweiligen Alleingesellschafter ihre Anteile in eine neue, gemeinsame Holding mit Sitz in den Niederlanden einbringen. Sie erhalten jeweils 50 Prozent der Anteile dieser Holding, die Alleingesellschafterin von KMW und Nexter wird. Die beiden Fusionäre versichern: „Die Führungsstruktur der Holding-Gesellschaft wird die Balance zwischen den beiden Gesellschaftern mit langfristiger industrieller Perspektive widerspiegeln.“

Bundesregierung wünscht sich Harmonisierung von Rüstungsexportrichtlinien

Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums hat am gestrigen Sonntag bestätigt, dass die Bundesregierung nun anstrebe, mit Paris eine „bilaterale Vereinbarung über Konsultationen zu strategischen rüstungspolitischen Fragestellungen“ abzuschließen. Dieses deutsch-französische Staatsabkommen soll offenbar bis Ende Oktober dieses Jahres realisiert werden.

Die Bundesregierung wolle darin fixieren, so zitieren Medien die Ministeriumssprecherin, unter welchen Bedingungen die Eigentümerstruktur bei Gemeinschaftsunternehmen geändert werden könne, wie ein Technologieabfluss in Schlüsseltechnologien vermieden werden könne und was mit den deutschen Zulieferern von KMW geschehe. Außerdem wolle die Bundesregierung mit Frankreich über eine Harmonisierung von Rüstungsexportrichtlinien sprechen.


Zu unserem Gruppenfoto: Es entstand am 29. Juli 2015 im französischen Versailles im Rahmen der Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen Krauss-Maffei Wegmann und Nexter Systems. Sie sehen auf dem Bild (von links) den KMW-Vorstandsvorsitzenden Franck Haun, den französischen Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian, den Parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung Markus Grübel sowie Philippe Burtin, den Vorstandsvorsitzenden des Nexter-Konzerns. Versailles bei Paris ist der Unternehmensstandort von Nexter.
(Foto: Nexter Systems)


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