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Paris/Berlin. Zwei Wochen nach den Anschlägen von Paris hat die Bundesregierung offiziell ihren vorläufigen Beitrag für den internationalen Kampf gegen die Terrorbewegung des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) vorgestellt. Dazu traten Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Außenminister Frank-Walter Steinmeier am gestrigen Donnerstag (26. November) gemeinsam vor die Presse. Deutschland will sich nun auch militärisch am Einsatz der Internationalen Gemeinschaft gegen den IS in Syrien und im Irak beteiligen. Am Vortag (25. November) war Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Einladung von Frankreichs Staatspräsident François Hollande nach Paris gereist. Dort hatte sie erklärt, dass Deutschland bereit wäre, „Frankreich jedwede Unterstützung“ im Kampf gegen den Terror zu geben. Der IS ließe sich nicht mit Worten überzeugen, sondern er müsse mit militärischen Mitteln bekämpft werden, so die Kanzlerin zum neuen deutschen Kurs. Auf dem Platz der Republik in der französischen Hauptstadt hatte Merkel an diesem Mittwoch zunächst der Opfer der Terroranschläge vom 13. November gedacht.

Bereits am Tag des Besuchs der Bundeskanzlerin in Paris hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ein kurzes Pressestatement abgegeben. Darin hatte sie ein stärkeres Engagement der Bundeswehr bei der Ausbildung der Peschmerga-Kämpfer im Nordirak und bei der Mission MINUSMA der Vereinten Nationen (VN) in Mali in Aussicht gestellt. Dies solle, so die Ministerin, zur Entlastung Frankreichs im Kampf gegen den Terror beitragen.

Bei diesem Termin für die Medien unmittelbar nach der Sitzung des Verteidigungsausschusses im Bundestag skizzierte von der Leyen kurz die Pläne ihres Ministeriums. Demnach sollen bis zu 650 deutsche Soldaten zur Friedenssicherung ins westafrikanische Mali entsandt werden. Besonders verstärkt werden sollen dabei die Bereiche „Logistik“ und „Aufklärung“.

Im Nordirak sollen statt bisher 100 künftig bis zu 150 Bundeswehrangehörige an der Ausbildungsmission teilnehmen können. Das Parlament muss beiden Einsätzen noch zustimmen.

Außenminister sieht Deutschland „auf rechtlichem und völkerrechtlichem Boden“

Über das weitergehende militärische Engagement Deutschlands gegen die IS-Terrormilizen äußerte sich die Verteidigungsministerin dann am nächsten Tag gemeinsam mit ihrem Kabinettskollegen Frank-Walter Steinmeier.

Der Außenminister sagte in seinem Statement nach den Sondersitzungen der Koalitionsfraktionen von SPD und CDU/CSU an diesem Donnerstag unter anderem: „Wir alle wissen, Terrorismus wird sich am Ende nicht allein militärisch besiegen lassen. Deshalb setzen wir auf einen politischen Prozess, der zuletzt in Wien ermutigend begonnen hat. Aber wir werden auch nicht ohne eine Auseinandersetzung – ohne eine militärische Auseinandersetzung mit IS, mit al-Nusra und anderen terroristischen Gruppierungen in Syrien – auskommen. Deshalb haben wir zugesagt, die Unterstützungsbitte sorgfältig zu prüfen.“

Die rechtliche Grundlage für den Einsatz und den Prozess der Mandatserteilung sieht die Bundesregierung in den Beschlüssen des VN-Sicherheitsrates. Dieser hatte vor wenigen Tagen erneut mit der Resolution 2249 die Weltgemeinschaft aufgefordert, den Kampf gegen den IS entschlossen zu führen und zu verstärken. Dazu gehört ebenso die Beistandspflicht unter den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nach Artikel 42/7 des EU-Vertrags. „Insoweit sehen wir uns mit unseren Möglichkeiten, die wir Frankreich zur Unterstützung bereitstellen können, auf rechtlichem und völkerrechtlichem Boden“, erklärte Steinmeier.

Satellit, Aufklärungstornados, Fregatte und Luftbetankung

Ursula von der Leyen leitete ihre Presseerklärung ein mit dem Hinweis: „Die Regierung hat heute schwere, aber wichtige und notwendige Schritte beschlossen.“ Man habe dies gemeinsam getan in dem Bewusstsein, fest an der Seite Frankreichs zu stehen. Frankreich sei ins Mark getroffen durch die menschenverachtenden, grauenhaften Anschläge des IS. „Aber wir wissen alle, dass dieses menschenverachtende Wüten jederzeit auch uns gelten kann und anderen Gesellschaften“, warnte die Verteidigungsministerin.

Dann informierte sie die Pressevertreter über das geschnürte militärische Hilfepaket. Die Unterstützung bestehe zum einen aus dem Schutz des französischen Flugzeugträgers „Charles de Gaulle“ durch eine deutsche Fregatte (von dem Flugzeugträger aus werden gegen den IS Luftangriffe durch Frankreich geflogen). Zudem werde Deutschland einen deutsch-französischen Satelliten sowie Aufklärungstornados zur Verfügung stellen, um ein klares Lagebild zu erhalten, so von der Leyen weiter. Logistisch unterstützen wolle man Frankreich mit dem Einsatz von Spezialflugzeugen, die Jets in der Luft betanken können.

Sie schloss ihr Statement mit einem Ausblick: „Wir alle wissen, dass Militär allein einen Konflikt nicht befrieden kann. Umso wichtiger ist der politische Prozess, der zurzeit um Syrien herum geschieht.“ Es sei wichtig, dem Terrorregime IS die ideologische Grundlage zu entziehen. Notwendig seien aber auch die militärischen Mittel, um die Terrorbewegung zu stoppen und zu besiegen. Von der Leyen: „Danach können wir in die Aufbauarbeit und in die Versöhnung der verschiedenen Gruppen Syriens einsteigen.“

Terrorvereinigung IS ist „nur militärisch zu schlagen“

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Regierungspläne für eine militärische Unterstützung Frankreichs gegen den „Islamischen Staat“ wurden erste Stellungnahmen der politischen Parteien publik.

So fasste Henning Otte, Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Verteidigung“ der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, noch einmal zusammen: „Der islamistische Terror ist eine Gefahr für Deutschland und den gesamten Weltfrieden. Gemeinsam mit Frankreich und allen anderen Staaten, die sich dem islamistischen Terror entgegenstellen, werden wir alle notwendigen Mittel zu dessen Bekämpfung aufbringen. Dabei wird Deutschland einen aktiveren Beitrag leisten als bisher. Wir werden nicht nur die Ausbildungsmission im Nordirak stärken, sondern in Syrien unter anderem mit Aufklärungstornados unser Engagement im Kampf gegen den IS-Terror vorantreiben.“

Der IS sei nur militärisch zu schlagen, argumentiert Otte. Daher dürfe es keine Denkverbote für ein deutsches Engagement im Kampf gegen den islamistischen Terror geben. Alle Bitten der Allianz gegen den IS und Frankreichs müssten ergebnisoffen geprüft werden.

Verteidigungsexperte der CDU erwartet „gefährliche Einsätze“

Der stellvertretende verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Ingo Gädechens, äußerte sich im Detail zu den zugesagten deutschen Aufklärungstornados: „Die Tornados aus Jagel sind mit hochauflösenden Kameras ausgerüstet und können mit ihren Aufklärungsdaten dazu beitragen, das Lagebild zu verbessern, um somit Kollateralschäden zu vermeiden. Je mehr Bilder geliefert werden, je klarer die Bilder, umso leichter könnten die Stellungen des IS bekämpft werden.“

Alles in allem aber erwarte er „gefährliche Einsätze für unsere Soldaten“, so der CDU-Politiker. Im Kampf gegen den IS und dessen terroristische Bedrohung dürfe Deutschland allerdings nicht zurückstehen, sondern müsse seiner sicherheitspolitischen Verantwortung gerecht werden.

Erhöhen deutsche Tornados über Syrien die Terrorgefahr in Deutschland?

Ganz anders maßgebliche Vertreter der Linken. Sahra Wagenknecht etwa, Vorsitzende ihrer Fraktion, warnt: „Wer Bundeswehr-Tornados nach Syrien schickt, der züchtet noch mehr Terroristen und erhöht die Anschlagsgefahr in Deutschland.“ CDU/CSU, SPD und Grüne seien unfähig, den Kreislauf aus Bomben, Zerstörung und Terrorismus zu durchbrechen. Der IS müsse besiegt werden, indem konsequent sein Nachschub an Waffen und Kämpfern sowie die IS-Finanzströme unterbunden werden.

Wagenknecht fordert zudem: „Dazu müssen sämtliche Waffenexporte in die Region gestoppt, die Zusammenarbeit mit den größten Terror-Sponsoren Saudi-Arabien und den Golfstaaten beendet und die Türkei endlich dazu bewegt werden, die Grenze zu Syrien für jegliche IS-Unterstützung zu schließen.“

Geldströme des IS kappen und Zustrom der ausländischen Kämpfer stoppen

Wolfgang Gehrcke, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Die Linke, fürchtet: „Die Afghanistan-Fehler werden erneut begangen. 15 Jahre Krieg gegen den Terror in Afghanistan haben den Terror nur noch stärker gemacht. Das spricht gegen einen deutschen Militäreinsatz in Syrien – in der Luft wie auch am Boden.“

Die Linke fordert von der Bundesregierung ferner: Sich „sofort und massiv dafür einzusetzen, dass endlich das getan wird, was der Weltsicherheitsrat beschlossen hat: die Geldströme des IS zu kappen. Es darf nicht weiter illegal gefördertes Öl durch den IS auf dem Schwarzmarkt gekauft werden. Der Verkauf von Raubkunst aus Syrien muss unterbunden werden. Der Zustrom von Kämpfern für die Terrormilizen aus dem Ausland muss gestoppt werden“. Die Bundesregierung müsse all dies gegenüber den Bündnispartnern des Westens, der Türkei, Katar und Saudi-Arabien durchsetzen, verlangt Gehrcke.


Unser Bild zeigt Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz am 26. November 2015 nach den Sondersitzungen der Fraktionen in Berlin.
(Videostandbild: Video Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Nach der Terrorserie in Paris am 13. November verhängte Staatspräsident François Hollande noch in der Nacht von Freitag auf Samstag auf dem gesamten französischen Staatsgebiet den Ausnahmezustand – état d’urgence. Die Aufnahme entstand am Eiffelturm.
(Foto: Jérome Le Boursicot)


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