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Berlin/Oberndorf. Die Bundeswehr distanziert sich offenbar von dem Waffenproduzenten Heckler & Koch – allerdings nur räumlich! Nach einer von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen initiierten Untersuchung der Geschäftsbeziehungen zwischen dem baden-württembergischen Unternehmen und Bundeswehr-Dienststellen werden nun möglicherweise erste Konsequenzen gezogen. Die bisher auf dem Firmengelände von Heckler & Koch untergebrachte militärische Güteprüfstelle soll in eine Bundeswehrliegenschaft außerhalb von Oberndorf umziehen. Dies meldet heute (13. Oktober) das ARD-Hauptstadtstudio unter Berufung auf „Regierungskreise“. In der Güteprüfstelle am Sitz von Heckler & Koch sind Bundeswehrangehörige damit beauftragt, die entsprechenden Waffen vor Ort direkt beim Hersteller zu testen. In der Pressemitteilung des Hauptstadtstudios und im ARD-Beitrag von Fernsehkorrespondent Oliver Mayer-Rüth heißt es: Aus Sicht der Prüfgruppe habe in der alltäglichen Zusammenarbeit in Oberndorf „die räumliche Nähe die professionelle Distanz vermissen lassen“. Spekulationen „über Vorteilsnahme oder Bestechlichkeit“ hätten allerdings nicht bestätigt werden können, so die Informationen des ARD-Hauptstadtstudios.

Nach vielen unterschiedlichen Berichten und teilweise widersprüchlichen Bewertungen hatte Ministerin von der Leyen im Sommer vergangenen Jahres eine umfassende Untersuchung des Präzisionsverhaltens des Gewehrs G36 unter Beteiligung von externen Experten angewiesen.

Bei dieser Begutachtung arbeiteten das unabhängige Fraunhofer Ernst-Mach-Institut in Freiburg (EMI), die Wehrtechnische Dienststelle für Waffen und Munition (WTD 91) in Meppen sowie das Wehrwissenschaftliche Institut für Werk- und Betriebsstoffe in Erding und der Bundesrechnungshof (Bonn) eng zusammen.

Verteidigungsministerium setzt auf unabhängige Expertise

Hinzu kamen weitere Gremien, die zusätzliche Sachverhalte im Zusammenhang mit dem G36 umfassend aufklären sollten.

Die „Kommission zur Untersuchung des G36–Sturmgewehres in Gefechtssituationen“ unter Leitung des Grünen-Politikers Winfried Nachtwei (von 1994 bis 2009 Abgeordneter des Bundestages) soll klären, ob Soldaten durch Präzisionsmängel am G36 im Einsatz gefährdet oder gar geschädigt wurden.

Der unabhängige Sachverständige Klaus-Peter Müller soll im Rahmen einer „Organisationsstudie G36“ alle Prozessabläufe zur Beschaffung, Prüfung und Nutzung des G36 analysieren.

Die Prüfgruppe „Geschäftsbeziehungen mit Heckler & Koch zu G36“ untersucht die geschäftlichen Beziehungen im Hinblick auf das Sturmgewehr zwischen dem Oberndorfer Hersteller und Mitarbeitern beziehungsweise Angehörigen des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung.

Auf der Suche nach der „Vetternwirtschaft im Wehrressort“

Der Bericht der Prüfgruppe, die – wie Spiegel online es am 15. Mai dieses Jahres in einem Beitrag zur G36-Affäre formuliert hatte – „Vetternwirtschaft im Wehrressort“ nachgehen sollte, spricht jetzt deutliche Warnungen aus. Den Informationen des ARD-Hauptstadtstudios zufolge seien von der Taskforce unter Gerd Hoofe, Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung, „inakzeptable Geschäftsbeziehungen zwischen der Bundeswehr und dem G36-Hersteller Heckler & Koch GmbH“ festgestellt worden. Aus der ARD-Pressemitteilung erfahren wir weiter: „Regierungskreise bestätigen, dass das Beschaffungsamt der Bundeswehr, kurz BAAINBw, über mehrere Jahre hinweg ein ,nicht tolerables Führungsverhalten‘ an den Tag gelegt hat.“

Offenbar ging es bei diesem „nicht tolerablen Führungsverhalten“ um eine ungenügende Dienstaufsicht, die wohl mehrere „Ungereimtheiten“ begünstigt hat. Dies zumindest interpretiert auch ARD-Korrespondent Oliver Mayer-Rüth so, den wir heute telefonisch in Berlin erreichten.

Die Rätsel von Oberndorf – eine offene Tür und offene Geheimnisse

Im Bericht der Gruppe um Staatssekretär Hoofe würden unter anderem folgende denkwürdigen Vorgänge dokumentiert, berichtet die ARD. An einem Tag im Mai 2015 soll nach Erkenntnissen der Taskforce die Eingangstür zu den Räumlichkeiten der auf dem Heckler & Koch-Gelände befindlichen Bundeswehr-Güteprüfstelle offen gewesen sein. Dort werden vertrauliche Unterlagen aufbewahrt, die Mitarbeitern von Heckler & Koch nicht zugänglich sein sollten. Die Schlüssel, so die ARD über den Prüfbericht, würden durch die Heckler & Koch GmbH personenbezogen bereitgestellt. Die Mitarbeiter der Bundeswehr hätten sich diesen Vorgang nicht erklären können und der Sachverhalt sei bis zum heutigen Tage nicht aufgeklärt.

Darüber hinaus seien Informationen, die ausschließlich in den Räumlichkeiten der Güteprüfstelle mündlich vorgetragen worden sein sollen, Mitarbeitern bei Heckler & Koch bekannt gewesen. Als Reaktion hätte die Prüfgruppe veranlasst, Unterlagen der Güteprüfstelle in eine Bundeswehrliegenschaft zu verbringen.

Die ARD in ihrem Pressetext abschließend: „Im Bundesverteidigungsministerium will man nun offenbar Konsequenzen ziehen. Ein Ergebnis der Untersuchung der Geschäftsbeziehungen zwischen Heckler & Koch und der Bundeswehr sei jetzt die Prüfung der Verlegung der Güteprüfstelle Oberndorf an einen neuen Standort außerhalb des Heckler & Koch-Werksgeländes.“

Nachtwei-Kommission kommt bei Sturmgewehr G36 zu positivem Urteil

Im Laufe des morgigen Mittwochs (14. Oktober) sollen die verschiedenen in Auftrag gegebenen Berichte offiziell an das Ministerium übergeben beziehungsweise öffentlich gemacht werden.

Wie die Sächsische Zeitung spät am Abend in ihrer Onlineausgabe berichtete, hat die Nachtwei-Kommission für den Hersteller Heckler & Koch dabei wohl gute Nachrichten. Die kritisierten Präzisionsprobleme des Sturmgewehrs G36 sollen in den Einsätzen der Bundeswehr keine Rolle gespielt haben. Kein Soldat sei wegen Schwächen des Gewehrs zu Schaden gekommen. Dies gehe aus dem Abschlussbericht hervor, der vorliege, so die Zeitung.

Die Sächsische zitiert daraus unter anderem: „Die befragten Soldaten verneinten durchgängig, Präzisionsmängel im Gefecht festgestellt zu haben.“ Auch hätten sich „keine Hinweise auf eine konkrete Gefährdung von Soldaten aufgrund des Präzisionsverhaltens des G36 ergeben“.


Unser Beitragsbild vom 22. März 2011 zeigt (die damals vorerst letzten) Wehrpflichtigen des Panzergrenadierbataillons 371 aus Marienberg bei der militärischen Ausbildung. Die Soldaten sind ausgerüstet mit dem G36.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Ausschnitt aus einem Wallpaper des Waffenproduzenten Heckler & Koch.
(Bild: Heckler & Koch)


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