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München. An Franz Josef Strauß scheiden sich noch heute die Geister: Er wurde verehrt und geliebt, gehasst und bekämpft – nur gleichgültig ließ der Bayer niemanden. Mehr als 40 Jahre lang war deutsche Politik ohne „FJS“ nicht denkbar. Als Generalsekretär der CSU, als „Atomminister“, als Verteidigungsminister (der die Bundeswehr aufbaute und über die Spiegel-Affäre stürzte), als Finanzminister, als Opponent von Willy Brandt und dessen sozialliberaler Koalition, als Bayerischer Ministerpräsident und zugleich Partner und Gegner von Helmut Kohl. Der Historiker Horst Möller hat zum 100. Geburtstag des politischen Urgesteins eine Biografie aus bislang unausgewerteten Archiven und Quellen veröffentlicht. Eine Diskussion im Münchner Institut für Zeitgeschichte will sich am morgigen Dienstag (27. Oktober) mit den kontroversen Facetten von Franz Josef Strauß, den SPD-Bundeskanzler Brandt einmal als „Herrscher und Rebell“ bezeichnet hatte, befassen. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr.

„Herrscher und Rebell“, so lautet auch der Titel der Strauß-Biografie, die im Juni dieses Jahres erschienen ist. Autor Horst Möller, Professor Dr. phil., gilt als einer der führenden Historiker in Deutschland. Lange Jahre hatte er das Institut für Zeitgeschichte in München geleitet. Zu den wichtigsten publizistischen Arbeiten des gebürtigen Breslauers (Jahrgang 1943) zählen unter anderem „Weimar. Die unvollendete Demokratie“, „Fürstenstaat oder Bürgernation. Deutschland 1763-1815“ und „Europa zwischen den Weltkriegen“.

Über den Vollblutpolitiker Strauß sagt Möller einmal: „Zweifellos war er eine komplexe, keineswegs widerspruchsfreie Persönlichkeit; sie ist nicht in jeder Hinsicht auszuloten. Anfechtbar im Einzelnen, war er doch grandios im Ganzen – weder Heiliger noch Dämon, wie er selbst sagte.“

Politische Ziele mit Vehemenz und Durchsetzungsstärke verfochten

In Vorwort seiner Biografie schreibt Möller: „Da Franz Josef Strauß zu den ganz wenigen deutschen Spitzenpolitikern gehört, die mehr als vier Jahrzehnte lang […] die Geschichte der Bundesrepublik maßgeblich mitgeprägt haben, ist seine Biografie länger als die aller anderen Politiker der Nachkriegszeit unauflöslich mit der deutschen Geschichte verwoben, zahlreiche politische Weichenstellungen gehen auf ihn zurück oder profitierten von seiner unverwechselbaren politischen Kompetenz und Kraft. Seine Umstrittenheit wurzelt nicht allein in seiner Streitbarkeit, seinem vulkanischen Temperament, seiner Angriffslust, sondern in den von ihm mit Vehemenz und Durchsetzungsstärke verfochtenen politischen Zielen. Dabei erwies er sich als politisch reflektierter, konzeptionsstarker, über den Tag hinaus denkender Staatsmann.“

Dass der CSU-Politiker daneben auch noch Zeit und Gehör fand, für die einfachen Anliegen „im Lande“, ist oft von Weggefährten und Zeitzeugen bestätigt worden. So erinnert sich der Verfasser dieser Zeilen an den Winter 1981: er war damals junger Soldat am Luftwaffenstandort Kötzting im Bayerischen Wald, Mitherausgeber des kleinen Kasernenmagazins hobokazin (es hieß tatsächlich so) und so verwegen gewesen, den damaligen Bayerischen Ministerpräsidenten wegen eines Grußwortes für die Weihnachtsausgabe anzuschreiben. Wohl ahnend, dass diese Bitte irgendwo, keinesfalls aber auf dem Schreibtisch von Strauß landen würde.

Ein Leben in recht verstandener Freiheit und gesichertem Frieden

Die letzten Korrekturen an diesem Heft für den Jahresabschluss nahm ich in jenen Dezembertagen im Resturlaub daheim vor. Die zweite Umschlagseite des kleinen Magazins war immer noch weiß, das persönliche Schreiben an Strauß schon vergessen. Da klingelte es im Morgengrauen stürmisch. Im Hof vor unserer Wohnung parkte eine dunkle Limousine aus München. Der Chauffeur überreichte mir, nachdem er meinen Namen erfahren hatte, ein Telegramm und verabschiedete sich freundlich.

Das Telegramm war unterzeichnet mit „Franz Josef Strauß, Bayerischer Ministerpräsident“. Strauß schrieb uns damals: „Mit dem Standort Kötzting seit meiner Amtszeit als Bundesminister der Verteidigung eng verbunden, sende ich in die Hohenbogen-Kaserne meine herzlichen Weihnachtsgrüße. Den Soldaten, den Zivilbediensteten und allen anderen Lesern des hobokazin, das sich im ersten Jahr seines Bestehens viel Zuspruch und Beifall erwerben konnte, wünsche ich gesegnete Festtage und ein gutes Neues Jahr. Dabei rufe ich jeden Einzelnen auf, sich der Verantwortung bewusst zu bleiben, die er – in welcher Aufgabe auch immer – für ein Leben unseres Volkes in recht verstandener Freiheit und gesichertem Frieden zu tragen hat.“

Die Veranstaltung am morgigen Dienstagabend (ab 18 Uhr) in München findet in Kooperation mit dem Piper-Verlag statt, der das Buch von Horst Möller herausgibt.

Mit dem Historiker diskutieren die Journalistin Franziska Augstein (Süddeutsche Zeitung; Tochter des 2002 verstorbenen Spiegel-Herausgebers Rudolf Augstein) und der Politikwissenschaftler und Redakteur Thomas Schlemmer (Institut für Zeitgeschichte; Redakteur der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte und der Reihe Zeitgeschichte im Gespräch). Moderation: Andreas Wirsching (Institut für Zeitgeschichte). Ort: Institut für Zeitgeschichte, Leonrodstraße 46b, 80636 München. Es wird um Anmeldung unter Telefon (089) 12688-0 gebeten.

Hinweis: Alle Angaben zu dieser Veranstaltung ohne Gewähr.


Zu unseren Bildern:
1. Franz Josef Strauß war vom 16. Oktober 1956 bis zum 11. Dezember 1962 der zweite Bundesminister der Verteidigung der damals noch jungen Bundesrepublik Deutschland. Die Aufnahme (rechts) zeigt ihn im Jahr 1960 bei einem Manöverbesuch.
(Fotos: amk)

2. Strauß am 31. Juli 1988 im Weißen Haus mit dem damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan.
(Foto: Winfried Rabanus/ACSP, Hanns Seidel Stiftung)

3. Das Institut für Zeitgeschichte in der Leonrodstraße in München.
(Foto: IfZ)

Kleines Beitragsbild: Verteidigungsminister Strauß am 9. Juni 1961 in Fellbach bei Stuttgart mit (von links) Konteradmiral Karl-Adolf Zenker, General Josef Kammhuber, Generalmajor Albert Schnez, General Hans Speidel und General Friedrich Foertsch.
(Bild: Bundesarchiv)


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