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Berlin/Brüssel (Belgien). NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung Deutschland dazu aufgefordert, seine Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen. Der Norweger erinnerte daran, dass man beim NATO-Gipfel 2014 in Wales gemeinsam entschieden habe, Kürzungen in den Verteidigungsbudgets zu stoppen. Vielmehr sollten die Ausgaben schrittweise erhöht werden, um schließlich innerhalb eines Jahrzehnts in allen 28 Mitgliedstaaten des Bündnisses zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Laut einer am 22. Juni veröffentlichten Aufstellung der NATO liegen die deutschen Ausgaben derzeit lediglich bei 1,2 Prozent. Stoltenberg nimmt am heutigen Dienstag (30. Juni) in Berlin an einem Festakt anlässlich des 60. Jahrestages des Beitritts der Bundesrepublik Deutschland zum Nordatlantikvertrag teil. Deutschland ist zwar mittlerweile zweitgrößter Beitragszahler der Allianz, personell aber immer noch nicht auf allen Ebenen ausreichend repräsentiert. Diese „Entwicklung des deutschen Personalanteils in der NATO“ beschreibt der „4. Bericht der Bundesregierung zur deutschen Personalpräsenz in internationalen Organisationen“, der am 25. Juni veröffentlicht wurde.

Ob NATO-Chef Stoltenberg auch im Rahmen der Festveranstaltung im Auswärtigen Amt Deutschland einmal mehr an die Gipfelvereinbarungen erinnern wird, bleibt abzuwarten. Unverblümt hatte er sich jedenfalls im Gespräch mit Daniel Brössler, dem Brüsseler Korrespondent der Süddeutschen, geäußert. Den Termin des Berliner Festaktes im Hinterkopf, erklärte Stoltenberg, niemand erwarte von Deutschland die Umsetzung der Wales-Beschlüsse innerhalb eines Jahres. Aber: „Wir erwarten, dass Deutschland die Kürzungen stoppt und stufenweise erhöht. Ich begrüße die Ankündigung, dass Deutschland nächstes Jahr damit beginnen will, seine Investitionen in die Verteidigung zu erhöhen.“

Er erwarte auch, so der NATO-Generalsekretär im Interview mit der Süddeutschen Zeitung weiter, dass generell alle Alliierten das Versprechen einlösen, das gemeinsam gegeben worden sei. „Hier geht es um Solidarität und Lastenverteilung. Die USA geben vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aus, in Europa sind wir näher bei einem Prozent.“ Dies sei keine faire Lastenverteilung, rügte Stoltenberg.

Zugleich stellte er Deutschland und seinen Streitkräften insgesamt ein gutes Zeugnis aus. Das Land sei ein zuverlässiger Verbündeter und ein Verbündeter, der führe. Mit der Führung komme Verantwortung und Deutschland beherzige dies. Der NATO-Generalsekretär wörtlich: „Wir sehen das vom Kosovo über Afghanistan und die Türkei bis zur neuen schnellen Eingreiftruppe.“

Entwicklung des deutschen Personalanteils in der NATO

Mit dem Thema „Deutschlands Engagement in und für die NATO“ befasst sich auch – allerdings aus anderer Perspektive – der diesjährige „Bericht der Bundesregierung zur deutschen Personalpräsenz in internationalen Organisationen“. Der Bericht, inzwischen der vierte seiner Art seit der entsprechenden Entschließung des Bundestages vom 21. Februar 2008, wurde am 25. Juni vorstellt. Er umfasst den Zeitraum 2012 bis 2014 (wobei zum Zeitpunkt der Drucklegung des Dokuments noch nicht alle Daten zu 2014 verfügbar waren).

Ein Kapitel in der insgesamt 28 Seiten starken Unterrichtung gestattet uns einen längeren Blick hinter die Kulissen des Militärbündnisses – auf die Personalsituation im Internationalen Stab, auf die im militärischen Bereich der NATO-Kommandostruktur und auf die in den rüstungsnahen NATO-Agenturen.

Zweitgrößter Beitragszahler in manchen Bereichen personell unterrepräsentiert

Auf der oberen Führungsebene des Internationalen NATO-Stabes ist Deutschland mit einem Assistant Secretary General (ASG) und einem Deputy Assistant Secretary General (DASG) nach Ansicht der Bundesregierung angemessen vertreten. Den Posten des ASG „Defence Policy and Planning Division“ besetzt Deutschland seit 2013. Zudem ist der Direktor des „Weapons of Mass Destruction Non-Proliferation Centre“ ein Deutscher. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, diese personelle Präsenz auf NATO-Spitzenposten auch zukünftig sicherzustellen.

Der deutsche Personalanteil im vergleichbaren höheren Dienst hat sich im Internationalen Stab der NATO im Berichtszeitraum auf einem relativ niedrigen Niveau stabilisiert (2011: 7,4 Prozent, 2012: 7,7 Prozent, 2013: 8,2 Prozent und 2014: 8,5 Prozent). Mit 39 Mitarbeitern auf dieser Ebene rangiert Deutschland im Vergleich der NATO-Mitgliedstaaten an vierter Stelle hinter Großbritannien (59), Frankreich (48) und den USA (45). Das Fazit aus Sicht der Bundesregierung: „Deutschland ist als zweitgrößter Beitragszahler und gemessen an seinem Gestaltungsanspruch damit personell insgesamt unterrepräsentiert.“

Auf der mittleren Führungsebene (Referatsleitungen) besetzt Deutschland momentan lediglich sechs der insgesamt 72 Dienstposten. Ebenfalls eine magere Bilanz. Die Bundesregierung versichert in ihrem Bericht, sie wolle die deutsche Präsenz auch in diesem Bereich „stetig verbessern“.

34 Dienstposten im Internationalen Militärstab fest in deutscher Hand

Anders als im Internationalen Stab des Bündnisses sind die Personalstellen im militärischen Bereich der NATO-Kommandostruktur sowie in den rüstungsnahen NATO-Agenturen häufig quotiert. Dies bedeutet, sie sind – im Einvernehmen aller NATO-Mitgliedstaaten – einer bestimmten Nation zur Besetzung zugewiesen worden. Der Internationale Stab sowie die NATO-Agenturen NAGSMA, NCIA und NSPA (sogenannte Non-Quota-Agenturen) verzichten hingegen grundsätzlich auf die Quotierung von Dienstposten.

Im Internationalen Militärstab der NATO ist Deutschland nach Ansicht der Bundesregierung seiner Bedeutung als zweitgrößtem Beitragszahler des Bündnisses entsprechend vertreten. 34 Dienstposten (quotiert) sind durch Deutschland besetzt. Auf der Ebene der Non-Quota-Spitzenposten (Dotierung B6 und höher) kann Deutschland gemäß internationalem Proporz bis zu zwei Generale/Admirale stellen.

Der aktuelle Bericht zur Präsenz deutscher Kräfte bei der NATO stellt weiter fest, dass die deutsche Repräsentanz auf militärischen Spitzenposten – qualitativ und quantitativ – auf einem hohen Niveau sichergestellt sei. Dieser Umstand sei der Besetzung der Posten Director Operations (B7) und Director NATO Headquarters Consultation, Command and Control Staff (B7) bis zum Jahr 2016 mit deutschem Spitzenpersonal zu verdanken.

Gleiches gelte auch für den Bereich der herausgehobenen militärischen Non-Quota-Dienstposten (A16/B3). Dazu die Bundesregierung: „Deutschland ist dort seit mehreren Jahren in allen zentralen Bereichen – beispielsweise Leitung/Führung, Personal, Operationen, Nachrichtenwesen, Logistik oder IT – vertreten. Bei den jeweiligen Auswahlentscheidungen haben sich der gezielte, langfristige Aufbau und die sorgsame Auswahl der deutschen militärischen Kandidaten bezahlt gemacht.“

Bei einigen NATO-Agenturen quantitativ noch unzureichend vertreten

Kurz zur Personalsituation bei den NATO-Agenturen. In der NATO Alliance Ground Surveillance Management Agency (NAGSMA) stellt Deutschland weiterhin den Deputy General Manager. Allerdings kritisiert die Regierung, dass man bei der NAGSMA wie auch bei den großen Agenturen NATO Communications and Information Agency (NCI Agency) und NATO Support Agency (NSPA) quantitativ noch unterrepräsentiert sei.

In den quotierten NATO-Agenturen – wie der NATO Helicopter Management Agency (NAHEMA), der NATO Airborne Early Warning & Control Programme Management Agency (NAPMA) und der NATO Eurofighter and Tornado Development, Production & Logistics Management Agency (NETMA) – sei Deutschland hingegen angemessen vertreten. Im NATO Air & Missile Defence Committee (AMDC) stelle Deutschland außerdem bis September 2016 den stellvertretenden Vorsitzenden (Non-Quota-Posten) und sei damit hier ebenfalls angemessen vertreten.

Deutschland stellt darüber hinaus im Rahmen der Quota-Dienstposten in der NATO-Kommandostruktur zurzeit im Durchschnitt elf Generale/Admirale (Ebene B6 bis B10) auf festen oder auf mit anderen NATO-Nationen rotierenden Dienstposten. Darüber hinaus sind auf der Ebene A16/B3 weitere 38 Dienstposten in verschiedenen Bereichen und auf zentralen Positionen mit deutschem Personal besetzt. Im Hinblick auf die deutsche Position als zweitgrößte Nation der Allianz hält die Bundesregierung dies „für angemessen“.


Zu unseren Bildern:
1. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am 18. Juni 2015 bei seinem Besuch in Polen. Die Aufnahme zeigt ihn bei einer improvisierten Pressekonferenz im Rahmen der multinationalen Übung „Noble Jump“.
(Foto: NATO)

2. Die Flaggen der Mitgliedstaaten vor dem NATO-Hauptquartier in Brüssel, Belgien.
(Foto: NATO)

Kleines Beitragsbild: 18. Juni 2015 – Gefechtsübung „Noble Jump“ der schnellen Eingreiftruppe der NATO. Auf der Besuchertribüne NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, rechts von ihm die beiden Verteidigungsministerinnen Ursula von der Leyen (Deutschland) und Jeanine Hennis-Plasschaert (Niederlande).
(Foto: NATO)


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