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Berlin. Ein Licht am Horizont: Die weltweite Zahl der Opfer von Minen und Streumunition ist im Jahr 2013 auf ein historisches Tief gesunken. Dies teilte vor einiger Zeit bereits die Organisation „Landmine and Cluster Munition Monitor“ mit, die seit 1999 die Unglücksfälle mit den tödlichen Altlasten in vielen Teilen der Erde sorgsam registriert (der nächste „Monitor“-Report erscheint am 3. September). Im letzten Bericht, dem für das Jahr 2013, registrierte die Organisation 3308 Opfer, im Durchschnitt also neun pro Tag. Deutschland beteiligt sich in zahlreichen Ländern mit finanziellen Mitteln an der Beseitigung von Minen. Wie eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zeigt, wurden dafür seit dem Jahr 2005 rund 170 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Die genaue Zahl verlegter Minen kennt niemand. Vor dem Verbot von Antipersonenminen schätzten die Vereinten Nationen, dass etwa 110 Millionen Landminen in über 70 Ländern der Erde verlegt worden sind (Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung; in Kraft getreten am 1. März 1999). Nach Schätzungen des US-Außenministeriums sollen es „nur“ 70 Millionen sein.

Die absolute Zahl verlegter Landminen ist jedoch für die Beurteilung des eigentlichen Problems von geringer Bedeutung. Dazu das Onlineportal landmine.de: „Ein vermintes Reisfeld bleibt ungeachtet der Tatsache, ob darin eine oder zehn Minen verlegt sind, ungenutzt und steht den Menschen zur Bewirtschaftung nicht zur Verfügung.“ (Anm.: Die Website www.Landmine.de ist eine gemeinsame Initiative von Handicap International, medico international, Misereor und SODI – Solidaritätsdienst International.)

Immer noch viele Opfer lange nach Ende der Kampfhandlungen

Zu den am meisten belasteten Ländern gehören nach wie vor (in alphabetischer Reihenfolge) Afghanistan, Ägypten, Angola, Bosnien und Herzegowina, Demokratische Republik Kongo, Kambodscha, Kolumbien, Kroatien, Laos und Vietnam, aber auch Regionen wie Berg-Karabach, Tschetschenien oder die Falklandinseln.

Landminen werden – so erklärt es ein Text von landmine.de – grob in zwei Gruppen unterteilt: Antipersonenminen (die direkt gegen Menschen gerichtet sind) und Antifahrzeugminen (sie richten sich gegen Fahrzeuge aller Art).

Antipersonenminen werden in der Regel durch Berührung, Nähe oder Gegenwart eines Opfers ausgelöst. Gegen Fahrzeuge gerichtete Minen reagieren je nach Bauart auf das einfache Überfahren oder werden durch Sensoren, die Motorwärme, Motorgeräusche oder Bodenerschütterung erfassen, zur Auslösung gebracht. Über eine „Freund-Feind-Unterscheidung“ verfügen solche sensoraktivierten Minen nicht.

Zur Streumunition schreiben die Experten von landmine.de: „Streumunition ist ein Waffensystem, das seiner beabsichtigten Funktion nach über einem Zielgebiet eine Vielzahl von kleineren Sprengsätzen freisetzt – die Submunition, auch Bomblets genannt. Streumunition wird als Bombe aus einem Flugzeug abgeworfen oder auch als Rakete mit Haubitzen, Artilleriegeschützen und Raketenwerfern verschossen. In einer gewissen Höhe öffnet sich das System und setzt je nach Typ mehr als 200 kleinere Sprengsätze frei. […] Neben der meist großen Zahl ziviler Opfer aufgrund der Streuwirkung beim Erstschlag fordern diese Waffen, ähnlich wie Landminen, oft noch lange nach Ende von Kampfhandlungen ihre Opfer. Je nach Einsatzbedingungen, Typ und Alter der Munition explodiert eine große Zahl – bis zu 30 Prozent oder sogar mehr – der Submunitionen nicht sofort und bleibt als Blindgänger liegen. Die oft sehr zahlreichen explosiven Überreste sind klein und empfindlich und können somit auch von Kindern leicht unbeabsichtigt ausgelöst werden.“

Fokus auf Länder mit einem „hohen humanitären Bedarf“

Lassen Sie uns nun einen Blick werfen auf die Anfrage der Linken zu dem Thema und die Antworten der Bundesregierung. Veröffentlicht wurde die Drucksache am 22. Juli.

Die Bundesregierung unterstützt nach eigener Aussage Aktivitäten des humanitären Minen- und Kampfmittelräumens in Ländern, die „eine starke Kontamination an Minen- und Kampfmittelrückständen aufweisen und einen hohen humanitären Bedarf haben“. Die Maßnahmen im Bereich des humanitären Minen- und Kampfmittelräumens konzentrieren sich derzeit vor allem auf Afghanistan, Bosnien-Herzegowina, Kambodscha, Kolumbien, Demokratische Republik Kongo, Irak, Myanmar, Somalia, Südsudan und Westsahara.

Darüber hinaus beobachtet die Bundesregierung Krisenlagen, um „dem humanitären Bedarf in den entsprechenden Ländern und Regionen kurzfristig durch Maßnahmen des humanitären Minen- und Kampfmittelräumens zu entsprechen“.

Deutsche Minenräum-Hilfe für fast 50 Länder in aller Welt

Die Bundesregierung beteiligt sich seit dem Jahr 2005 mit bislang insgesamt 170,3 Millionen Euro an internationalen humanitären Minenräumprogrammen. Die Mittel wurden dabei wie folgt vergeben (in alphabetischer Reihenfolge; Millionenbeträge gerundet):
Afghanistan 45,12 Millionen Euro;
Ägypten 1,78 Millionen Euro;
Albanien 1,56 Millionen Euro;
Angola 5,69 Millionen Euro;
Äthiopien 1,3 Millionen Euro;
Bosnien und Herzegowina 21,69 Millionen Euro;
Chile 0,05 Millionen Euro;
Demokratische Republik Kongo 0,74 Millionen Euro;
Ecuador 0,09 Millionen Euro;
Eritrea 0,19 Millionen Euro;
Georgien 0,2 Millionen Euro;
Guinea Bissau 0,28 Millionen Euro;
Irak 4,83 Millionen Euro;
Jemen 2,58 Millionen Euro;
Jordanien 2,41 Millionen Euro;
Kambodscha 10,91 Millionen Euro;
Kolumbien 3,06 Millionen Euro;
Kroatien 5,7 Millionen Euro;
Laos 6,97 Millionen Euro;
Libanon 3,4 Millionen Euro;
Libyen 4,64 Millionen Euro;
Mali 0,06 Millionen Euro;
Marokko (Westsahara) 2,04 Millionen Euro;
Marshallinseln 0,08 Millionen Euro;
Mauretanien 0,74 Millionen Euro;
Mosambik 0,26 Millionen Euro;
Myanmar 1,42 Millionen Euro;
Nepal 0,08 Millionen Euro;
Palästinensische Autonomiegebiete 0,12 Millionen Euro;
Palau 0,34 Millionen Euro;
Peru 0,25 Millionen Euro;
Republik Kongo 0,1 Millionen Euro;
Ruanda 0,3 Millionen Euro;
Russische Föderation 0,5 Millionen Euro;
Senegal 0,2 Millionen Euro;
Serbien 0,98 Millionen Euro;
Serbien und Montenegro 0,8 Millionen Euro;
Somalia 5,0 Millionen Euro;
Sri Lanka 1,31 Millionen Euro;
Sudan 7,0 Millionen Euro;
Südsudan 1,57 Millionen Euro;
Syrien 0,28 Millionen Euro;
Tadschikistan 6,94 Millionen Euro;
Thailand 0,58 Millionen Euro;
Tschad 0,21 Millionen Euro;
Uganda 0,72 Millionen Euro;
Ukraine 1,5 Millionen Euro;
Vietnam 7,66 Millionen Euro
und schließlich 6,06 Millionen Euro für „globale Aufgaben“.

Als unrealistisch wird von der Bundesregierung übrigens die Zielvorgabe betrachtet, Bosnien-Herzegowina bis 2019 gänzlich von Minen befreien zu können. Das dortige Minenaktionszentrum (Bosnia and Herzegovina Mine Action Centre, BHMAC) stelle dieses Ziel selbst infrage, schreibt die Regierung. Nach einer internen Revision sei nun von 2024 als neuem Zieljahr die Rede. Eine beschleunigte Räumung der Minen setze unter anderem eine grundlegende Änderung der bosnisch-herzegowinischen Entminungsstrategie sowie Anpassung der Strukturen und Verfahren von BHMAC voraus.

„Keine präzisierbaren Erkenntnisse“ über deutsche Munitionsreste in Afghanistan

Auf die Frage der Fraktion der Linken, welche aktuellen Informationen die Bundesregierung über den Umfang der von der Bundeswehr und der NATO in Afghanistan hinterlassenen Blindgänger und Munitionsreste habe, erfahren wir – nichts. Der Bundesregierung liegen dazu, so die Auskunft, momentan „keine präzisierbaren Erkenntnisse“ vor.

Die ehemals durch Deutschland betriebenen Trainingsplätze in Nordafghanistan seien gemäß eines verbindlichen ISAF-Regelwerks einer Oberflächenabsuche unterzogen, versichert die Bundesregierung. „Dabei aufgefundene Blindgänger, Munition und Munitionsreste wurden fachgerecht beseitigt. Im Rahmen von Gefechten wurde der Gefahr von Blindgängern durch Feuerbeobachtung und grundsätzliche Beräumung nach Gefechten, sofern es die Lage erlaubte, begegnet.“

Vernichtung von Bundeswehr-Streumunition bis Ende 2015 abgeschlossen

Zum Schluss das Thema „Streumunition“. Für die Bundeswehr erklärt dazu die Bundesregierung: „Die Aussonderung der Streumunition aus den Beständen der Bundeswehr ist bereits abgeschlossen. Ferner sind für die gesamten deutschen Lagerbestände an Streumunition industrielle Verwertungs- und Entsorgungsverträge geschlossen worden. Alle Verträge sehen vor, dass die Verwertung und Vernichtung bis zum Ende des Jahres 2015 abgeschlossen ist. Die industrielle Vernichtung verläuft den Verträgen entsprechend nach gegenwärtigem Stand planmäßig, sodass die Verwertung und Entsorgung Ende des Jahres 2015 aller Voraussicht nach vollständig abgeschlossen sein wird.“

Die Aussonderung, Verwertung und Entsorgung der deutschen Streumunition im Zeitraum August 2010 bis (vorläufiger Stand) Juli 2015 kostete den deutschen Steuerzahler bis jetzt rund 21,6 Millionen Euro.


Zu unserem Bildangebot:
1. Opfer einer Minentragödie in Afghanistan.
(Foto: Robert Semeniuk/Bildersammlung für Medien von ICBL)

2. Infografik-Hintergrund: Landmine aus Angola.
(Foto: Tim Grant/Bildersammlung für Medien von ICBL)

3. Infografik-Hintergrund: Minenräumung in Orašje im Norden von Bosnien-Herzegowina.
(Foto: Bildersammlung für Medien von ICBL, Grafiken von www.landmine.de)

Kleines Beitragsbild: Minenopfer in Angola.
(Foto: Tim Grant/Bildersammlung für Medien von ICBL)


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