menu +

Nachrichten



Kabul (Afghanistan). Eine Verlangsamung des amerikanischen Truppenabzugs aus Afghanistan sprich eine Verlängerung des militärischen Engagements der USA am Hindukusch ist nicht mehr ausgeschlossen. Dies deutete der neue US-Verteidigungsminister Ashton B. Carter bei seinem unangekündigten Besuch in der afghanischen Hauptstadt Kabul am vergangenen Samstag (21. Februar) an. Es war dies die erste Auslandsreise Carters nach seiner Vereidigung zum neuen Pentagon-Chef am 17. Februar. An Bord der Regierungsmaschine hatte der Minister gegenüber mitreisenden Journalisten erklärt, er wolle sich „vor Ort ein Bild von der Lage im Land“ machen.

In Kabul erhielt Ash Carter aus erster Hand Informationen über die letzten Ereignisse und Entwicklung in der Region. An der Besprechung mit dem Verteidigungsminister nahmen unter anderem der amerikanische Botschafter in Afghanistan, Peter Michael McKinley, sowie die beiden US-Generäle Lloyd J. Austin III und John F. Campbell teil. Austin ist Befehlshaber des US-Zentralkommandos (Commander United States Central Command, CENTCOM), Campbell kommandiert die Mission „Resolute Support“ und die amerikanischen Truppen in Afghanistan (Commander of „Resolute Support Mission“ and U.S. Forces-Afghanistan).

Thema dabei dürften auch die hohen Verluste der afghanischen Sicherheitskräfte sowie die vielen zivilen Opfer im vergangenen Jahr gewesen sein. Nach US-Angaben starben 2014 fast 5000 einheimische Soldaten und Polizisten. Die Vereinten Nationen teilten vor Kurzem mit, dass 2014 rund 3700 afghanische Zivilisten bei Kampfhandlungen, durch Anschläge oder Sprengsätze ums Leben kamen und es mehr als 6800 Verletzte gegeben hat.

„Resolute Support“ und „Freedom’s Sentinel“ – zwei unterschiedliche Strategien

Der NATO-geführte Kampfeinsatz in Afghanistan war in der Nacht vom 31. Dezember 2014 auf den 1. Januar 2015 nach 13 Jahren zu Ende gegangen. An der ISAF-Nachfolgemission „Resolute Support“ zur Ausbildung, Beratung und Unterstützung der nationalen Sicherheitskräfte beteiligen sich nun etwa 12.000 Soldaten aus 40 Ländern. Parallel dazu gehen die US-Streitkräfte in Afghanistan im Rahmen ihrer Operation „Freedom’s Sentinel“, die „Enduring Freedom“ ablöste, auch weiterhin gegen al-Qaida und andere Terrorgruppierungen vor.

Nach den bisherigen Plänen sollen die Hälfte der Koalitionssoldaten bis Ende 2015 und der Rest bis Ende 2016 Afghanistan verlassen – im Januar 2017 endet dann die Amtszeit von US-Präsident Barack Obama.

In den afghanischen Militär- und Polizeieinheiten, die seit Jahresbeginn alleine für die Sicherheit im Land verantwortlich sind, dienen momentan rund 350.000 Männer und Frauen.

Ein gutes Verhältnis zu der neuen afghanischen Regierung

Nach einem Treffen und intensiven Meinungsaustausch Carters mit der afghanischen Regierungsspitze folgte an diesem Samstag in Kabul eine gemeinsame Pressekonferenz. Den Fragen der zahlreichen Medienvertreter stellte sich dort neben Carter auch Staatspräsident Ashraf Ghani Ahmadzai.

Carter erklärte, die innerafghanische Entwicklung insgesamt mache Hoffnung. Auch habe sich die Zusammenarbeit der US-Regierung und ihrer Verbündeten mit Kabul wesentlich verbessert, seit dem die neue afghanische Einheitsregierung von Präsident Ghani die Verantwortung für die Geschicke des Landes übernommen habe – ein verbaler Seitenhieb auf den früheren Amtsinhaber Hamid Karsai, der sich am Ende völlig mit den USA überworfen hatte.

Endgültige Entscheidung beim Treffen der Regierungschefs in Washington

Der amerikanische Verteidigungsminister machte bei der Pressekonferenz mehrfach auf Nachfrage deutlich, dass im Hinblick auf die künftige Truppenstärke und die Abzugspläne noch keine Detailänderungen vorgenommen worden seien.

Präsident Ghani und sein Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah werden im März nach Washington reisen und mit Obama erörtern, ob und inwieweit eine längere und stärkere Truppenpräsenz im Kampf gegen die radikalislamischen Taliban, das Terrornetzwerk al-Qaida und mögliche Unterstützer der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) hilfreich sein könnte.

Ghani und auch Abdullah hatten seit Amtsantritt bereits des Öfteren der US-Militärführung beziehungsweise Obama signalisiert, die Pläne für den Truppenabzug aus Afghanistan doch noch einmal zu überdenken. Wie Carter nun bei der Pressekonferenz einräumte, habe der US-Präsident ihm in einem Gespräch vor der Kabul-Reise noch einmal die oberste Priorität für Afghanistan genannt: Die bereits erzielten Fortschritte müssten unbedingt verteidigt werden.

Offensive des afghanischen Militärs in der Provinz Helmand

Am Tag nach seinem Besuch in der afghanischen Hauptstadt flog der neue Pentagon-Chef weiter zur Militärbasis Kandahar Airfield. Zum Zeitpunkt von Carters Stippvisite bei den dort stationierten US-Truppen lieferten sich afghanische Einheiten im Distrikt Sangin der Helmand-Provinz gerade heftige Gefechte mit Aufständischen. An der Operation „Zulfiqar“ sollen sich Presseberichten zufolge rund 2000 Soldaten beteiligen. Die gesamte Operation gegen die Taliban sei von den afghanischen Sicherheitskräften alleine vorbereitet worden und werde auch alleine durchgeführt, erklärte US-General Campbell am Sonntag.

Nach Informationen des Nachrichtensenders TOLOnews vom gestrigen Dienstag (24. Februar) ist „Zulfiqar“ die bislang größte Armeeoperation in Afghanistan in den vergangenen vier Jahren. Insgesamt sollen bisher 119 Aufständische getötet worden sein, bei anderen zeitgleichen Unterstützungsoperationen weitere 214. Über eigene Verluste machten die afghanischen Regierungsstellen keine Angaben. Die Offensive gegen die Taliban dauert an.


Zu unseren Bildern:
1. Die Aufnahme zeigt US-Verteidigungsminister Ashton B. Carter und Afghanistans Staatspräsident Ashraf Ghani Ahmadzai am 21. Februar 2015 bei ihrer Pressekonferenz in Kabul.

2. Besuch Carters am 22. Februar bei den US-Truppen auf dem Stützpunkt Kandahar Airfield.

Kleines Beitragsbild: Carter und Ghani am 21. Februar im Präsidentenpalast in Kabul.
(Fotos: Glenn Fawcett/U.S. Department of Defense)


Kommentieren

Bitte beantworten Sie die Frage. Dies ist ein Schutz der Seite vor ungewollten Spam-Beiträgen. Vielen Dank *

OBEN