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Moskau (Russland)/Brüssel (Belgien). Die NATO-Logistiker müssen möglicherweise umplanen. Eine Option zur Versorgung der westlichen Truppen am Hindukusch ist ihnen vor wenigen Tagen genommen worden. Moskau hat die Transitroute des Bündnisses nach Afghanistan über russisches Territorium, die seit 2008 existierte, geschlossen. Dmitrij Medwedew, Ministerpräsident der Russischen Föderation, unterzeichnete am 13. Mai eine entsprechende Verordnung. Die Entscheidung hat mit dem Verhältnis Russlands zur NATO, das derzeit vor allem wegen der Ukrainekrise schwer belastet ist, zu tun.

Dem Regierungsdokument Nr. 468 zufolge sind nun alle früheren Übereinkommen Russlands mit der NATO im Hinblick auf eine Unterstützung der Allianz am Hindukusch annulliert worden. Das Bündnis kann jetzt nicht mehr die Versorgungsroute durch Russland – Straße, Eisenbahn und Luftraum – nutzen. Die sogenannte NATO-Nordroute führte über Uljanowsk an der mittleren Wolga, eine Großstadt und Verkehrsknotenpunkt mit rund 700.000 Einwohnern.

Viktor Ozerov, Vorsitzender des Verteidigungskomitees des Föderationsrates Russlands (Anm.: neben der Staatsduma die zweite Parlamentskammer des Landes), hatte bereits im April in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Interfax erklärt: „Da unsere Zusammenarbeit mit der NATO zu einem Stillstand gekommen ist, haben wir auch das Recht, das Transitabkommen aufzukündigen. Die Allianz wird sich nun wohl nach Alternativen umsehen müssen.“

Transitvereinbarungen auch mit Deutschland, Frankreich und Spanien

Russland hatte im Jahr 2008 erstmals der NATO gestattet, ihre in Afghanistan stationierten Truppen auch über russisches Territorium zu versorgen. Erlaubt war allerdings nur der Transport nicht-militärischer Güter. Entsprechende Transitabkommen unterzeichnete Russland danach auch mit Deutschland, Frankreich und Spanien. 2010 bot der damalige NATO-Botschafter der Russischen Föderation, Dmitrij Rogosin, dem Bündnis zudem eine „Verbreiterung des Transitabkommens“ an. Sein Land sei bereit, so Rogosin, die Vereinbarungen für Militärtransporte nach und von Afghanistan auszuweiten.

Am 25. Juni 2012 unterzeichnete Russlands Premierminister Medwedew schließlich ein Abkommen, das der NATO den Transport in beide Richtungen künftig auch per Bahn und Flugzeug erlaubte. Dazu stellte Russland seine Logistikdrehscheibe Uljanowsk Air Base zur Verfügung. Für den Gütertransport war ab da auch teilweise Militärgerät zugelassen.

Transithub Uljanowsk in der Vergangenheit vom Bündnis kaum genutzt

Das an der Wolga von Moskau zur Verfügung gestellte Transitdrehkreuz Uljanowsk ist von der NATO seit 2012 allerdings kaum genutzt worden. So berichtete bereits 2013 Daniel Wechlin in der Neue Zürcher Zeitung (NZZ), dass die russische Seite darauf beharre, Transportleistungen für die NATO-Truppen in Afghanistan ausschließlich von einheimischen Firmen durchführen zu lassen. Zudem habe Russland die Preise für Transportleistungen massiv erhöht. Nach Medienrecherchen kostete zu jener Zeit der Transport eines Frachtcontainers über den Transithub Uljanowsk rund 50.000 Euro, via Usbekistan etwa hingegen nur rund 30.000 Euro.

Sicherheitspolitische Vorbehalte gegen die Nordroute und Uljanowsk hatten zur Zeit der Vertragsunterzeichnung mit Moskau nicht wenige Militärexperten formuliert. Wechlin erinnert daran in der NZZ: „Sie meinten, dass der Transportweg über Russland im Unterschied zur südlichen Route [über Pakistan] zwar schneller und sicherer sei. Indes würde sich damit die NATO in eine unvorteilhafte politische Abhängigkeit vom Kreml manövrieren.“

Angesichts der bislang geringen Nutzung der Versorgungsroute Nord dürfte die NATO die aktuelle russische Entscheidung heute gelassen hinnehmen.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Ausschussvorsitzender Viktor Ozerov äußerte sich in einem Interview mit Interfax über das Transitabkommen für Afghanistan zwischen Russland und der NATO.
(Foto: amk)

2. Das Hintergrundbild unserer Infografik zeigt Transportfahrzeuge im Norden Afghanistans.
(Foto: Julian-G. Albert)

Kleines Beitragsbild: Fahrzeugkolonne an der afghanisch-pakistanischen Grenze.
(Foto: Russell Gilchrest/U.S. Army)


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