menu +

Nachrichten



Brüssel (Belgien)/Oslo (Norwegen)/Berlin. Der ehemalige norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg wird neuer NATO-Generalsekretär und somit Nachfolger des Dänen Anders Fogh Rasmussen. Dies gab das Bündnis am 28. März nach einem Treffen des Nordatlantikrates in einer Presseerklärung bekannt. Stoltenberg tritt sein Amt am 1. Oktober an. Vorgänger Rasmussen beendet an diesem Mittwoch seine Amtszeit als Chef der NATO nach fünf Jahren und zwei Monaten.

Bereits am 23. März hatte die norwegische „Aftenposten“ (Abendpost) berichtet, dass Jens Stoltenberg der kommende NATO-Generalsekretär sein würde. Harald Stanghelle, politischer Redakteur der Zeitung, hatte sich in seinem Beitrag dabei auf „Quellen, die sehr dicht am Entscheidungsprozess sind“, berufen. Frankreich und Großbritannien hätten sich ebenfalls auf den 55-jährigen Stoltenberg geeinigt, so Stanghelle. Auch die USA und Deutschland unterstützten den Norweger.

Ein diplomatisches Spitzenamt mit Öffentlichkeitsfunktion

Der NATO-Generalsekretär – stets ein Zivilist – wird für eine vierjährige Amtsperiode einstimmig von allen 28 Mitgliedsstaaten des Bündnisses berufen (mit der Möglichkeit einer Verlängerung auf ein fünftes Jahr). Traditionell besetzt seit 1952, dem Jahr der Einführung dieses Postens, ein Europäer den Chefsessel im Brüsseler NATO-Hauptquartier. Der designierte Generalsekretär Jens Stoltenberg wird der 13. Amtsinhaber sein. Deutschland stellte mit dem früheren Verteidigungsminister Manfred Wörner ebenfalls bereits einen Generalsekretär (1. Juli 1988 bis 13. August 1994).

Der oberste Vertreter der Nordatlantikpakt-Organisation ist verantwortlich für die Förderung und Lenkung des Konsultations- und Entscheidungsfindungsprozesses im Bündnis. Er ist Vorsitzender des Nordatlantikrates, des Verteidigungsplanungsausschusses und der Nuklearen Planungsgruppe sowie Titularvorsitzender anderer hochrangiger Ausschüsse. Der Generalsekretär der NATO übernimmt quasi eine Art Öffentlichkeitsfunktion, während der Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) – seit dem 13. Mai 2013 ist dies US-General Philip M. Breedlove – die Entscheidungsgewalt über die militärischen Operationen hat.

Prädestiniert für eine erfolgreiche Politikerlaufbahn

Jens Stoltenberg, geboren am 16. März 1959 in der norwegischen Hauptstadt Oslo, wuchs mit seinen beiden Schwestern Camilla und Nini in einer Diplomaten- und Politikerfamilie auf. Sein Vater Thorvald Stoltenberg stand lange Jahre in Diensten der Vereinten Nationen und war in Norwegen Verteidigungsminister (1979 bis 1981) sowie Außenminister (1987 bis 1989 und 1990 bis 1993). Die Mutter, Karin Stoltenberg (geborene Heiberg), war eine bekannte Frauenrechtlerin und engagierte Familienpolitikerin. Im Schifffahrts- und Wirtschaftsministerium diente sie als Staatssekretärin.

Sohn Jens besuchte nach einigen Auslandsaufenthalten – der diplomatischen Karriere des Vaters geschuldet – zunächst in Oslo eine Rudolf-Steiner-Schule (Waldorfschule) und anschließend die Katedralskole, die „Katta“. Die „Kathedrale“ ist eine der ältesten und angesehensten Schuleinrichtungen Norwegens. Im Anschluss daran studierte er bis 1987 an der Universität Oslo Wirtschaftswissenschaften. Nach seinem Hochschulabschluss arbeitete Stoltenberg eine Zeit lang bei Statistics Norway, eine unserem Statistischen Bundesamt vergleichbare Institution. In den Jahren 1979 bis 1981 hatte er zudem journalistisch das „Arbeiderbladet“ (Arbeiter-Zeitung) unterstützt und sich bereits in der „Arbeiderpartiet Oslo“ (Arbeiterpartei Oslo) engagiert.

Dreimal norwegischer Minister und zweimal Ministerpräsident

1985 wurde Jens Stoltenberg Vorstandsmitglied der Arbeiterpartei Oslo, von 1990 bis 1992 war er in der Hauptstadt deren Vorsitzender. Seit 1990 gehörte der Sozialdemokrat mehrfach der Regierung seines Landes an – unter Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland, Chefin der Arbeiterpartei, zunächst als Umweltstaatssekretär (bis 1991), anschließend als Wirtschafts- und Energieminister (1993 bis 1996), danach als Finanzminister (bis 1997).

Am 17. März 2000 wurde Stoltenberg zum Regierungschef in Norwegen ernannt. Dieses Amt hatte er bis zur Niederlage der Sozialdemokraten bei den Wahlen im darauffolgenden Jahr inne (19. Oktober 2001). Bis 2005 führte er die Opposition (im November 2002 hatte er auch Thorbjørn Jagland als Vorsitzenden der Arbeiterpartei abgelöst). Am 17. Oktober 2005 wurde Jens Stoltenberg, gestützt auf eine rot-rot-grüne Koalition, als Nachfolger von Kjell Magne Bondevik (Christliche Volkspartei) erneut Ministerpräsident. Diesen Wahlsieg wiederholte er bei der Parlamentswahl am 14. September 2009, als die norwegischen Sozialdemokraten mit 35,4 Prozent der Stimmen wieder stärkste politische Kraft des Landes wurden.

Bei der Parlamentswahl am 9. September 2013 blieb zwar die Arbeiterpartei unter Stoltenbergs Führung mit etwa 30,8 Prozent der Stimmen stärkste Gruppierung in Norwegen. Seine Koalition aus Arbeiterpartei, Sozialistischer Linkspartei und Zentrumspartei lag letztendlich aber nur bei 72 Sitzen, 85 sind für eine Mehrheit nötig. Die bisherige rot-rot-grüne Koalition wurde deshalb am 16. Oktober 2013 durch die bürgerliche Regierung Erna Solberg (Vorsitzende der konservativen Partei Høyre) abgelöst. Stoltenberg führt seitdem die Parlamentsfraktion der Sozialdemokraten. Daneben war und ist er im Auftrag der Vereinten Nationen für den Klimaschutz aktiv.

Für eine enge und intensive transatlantische Zusammenarbeit

Die NATO weist in ihrer Presseerklärung zur Nominierung Stoltenbergs auch auf die sicherheits- und bündnispolitische Grundhaltung des früheren Ministerpräsidenten hin. So wird daran erinnert, dass Norwegen unter Stoltenberg seinen Verteidigungsetat stetig erhöht hat und heute das Land mit den höchsten Pro-Kopf-Verteidigungsausgaben aller NATO-Mitglieder ist. In seine Amtszeit fiel auch die Modernisierung der norwegischen Streitkräfte, wobei sich der Fokus – ähnlich wie in Deutschland – auf die Dimension „Armee im Einsatz“ richtete. Gleichzeitig nahm Norwegen in diesen Jahren mit seinen Streitkräften immer wieder an NATO-Operationen teil.

Jens Stoltenberg gilt als starker Befürworter einer engen und intensiven transatlantischen Zusammenarbeit – einschließlich einer gerechteren Lastenverteilung über den Atlantik hinweg. Er versteht die NATO und die Europäische Union als zwei sich ergänzende Gemeinschaften in Bezug auf die Friedenssicherung und Weiterentwicklung in Europa.

Der Weltöffentlichkeit bekannt wurde der Norweger nach den unfassbaren Ereignissen des 22. Juli 2011. An diesem Freitag hatte der Rechtsextremist Anders Behring Breivik durch ein Bombenattentat im Osloer Regierungsviertel acht Menschen und später auf der Insel Utøya weitere 69 Personen – zumeist jugendliche Teilnehmer eines Sommerlagers im Alter zwischen 14 und 19 Jahren – getötet. Ministerpräsident Stoltenberg, so beschrieb es die Tageszeitung Welt vor Kurzem, präsentierte sich damals „als Landesvater, fand stets die richtigen Worte und zeigte in den schweren Stunden Durchsetzungsvermögen und Handlungskraft“. Thomas Mayer erinnert sich für den österreichischen Standard: „Seine ruhige Art, wie der Premier (nach dieser Katastrophe) die geschockte Nation zusammenhielt, und sein demonstratives Bekenntnis zu den Werten der Demokratie, gegen Hass und Gewalt, für eine tolerante Gesellschaft, machten weltweit Eindruck.“

Das richtige Anforderungsprofil für eine NATO in schwierigen Zeiten

Außenminister Frank-Walter Steinmeier charakterisierte unmittelbar nach Bekanntwerden der Personalentscheidung den künftigen NATO-Chef. Er sagte: „Jens Stoltenberg ist die beste Wahl, die ich mir vorstellen kann. Ich gratuliere ihm von Herzen für die Berufung in das wichtige Amt.“

Stoltenberg habe sich schon in seiner Zeit als Ministerpräsident Norwegens immer für die NATO starkgemacht, so Steinmeier weiter. Als versierter Diplomat bringe er genau das Profil mit, welches das Bündnis in diesen turbulenten und auch schwierigen Zeiten brauche: „Kluge Analyse, ein kooperativer Führungsstil und ein gutes Händchen für die richtigen Worte“. Mit Stoltenberg gewinne die Allianz einen erfahrenen Staatsmann, der wie kaum ein anderer geeignet sei, die NATO weiter fit zu halten und angesichts großer neuer Aufgaben wie im Krisenmanagement oder bei der Cybersicherheit strategisch zu positionieren.

Jens Stoltenberg ist seit 1987 mit der Diplomatin Ingrid Schulerud verheiratet. Das Ehepaar hat zwei Kinder, Axel und Catharina.



Zu unseren beiden Aufnahmen:
1. Jens Stoltenberg im Juli 2010 bei den Vereinten Nationen in New York.
(Foto: Norway UN)

2. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen (links) und der damalige Premierminister Norwegens, Jens Stoltenberg, am 8. Mai 2013 in Oslo.
(Foto: NATO)


Kommentieren

Bitte beantworten Sie die Frage. Dies ist ein Schutz der Seite vor ungewollten Spam-Beiträgen. Vielen Dank *

OBEN