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Kabul (Afghanistan)/Brüssel (Belgien). Alle Warnungen aus den USA blieben erfolglos. Am Morgen des 13. Februar haben die afghanischen Behörden 65 mutmaßliche Talibankämpfer aus dem Parwan-Militärgefängnis auf der Bagram Air Base freigelassen. Die US-Regierung hatte in den vergangenen Wochen die inhaftierten Militanten als „gefährliche Personen“ bezeichnet und ausdrücklich vor ihrer Haftentlassung gewarnt (wir berichteten). Der Gefängniskomplex, ein Ende 2009 fertiggestellter Neubau, war im März 2012 der Kontrolle der afghanischen Regierung übertragen worden. Auch NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen äußerte sich bestürzt über die Entscheidung des Kabinetts Karsai.

Die Freilassung der 65 Gefangenen wurde durch den afghanischen Behördenvertreter Abdul Shukor Dadras in Kabul bestätigt. Wie der österreichische Standard berichtete, habe Dadras die Freilassung vehement verteidigt. Insgesamt habe seine Kommission 88 Häftlingsfälle überprüft, bei den 65 Entlassenen habe es „keine stichhaltige Beweislage“ gegeben, so der Kommissionsvorsitzende.

Auf Konfrontationskurs zu den Vereinigten Staaten

Afghanistans Präsident Hamid Karsai, der die Gefangenenfreilassung bereits vor einigen Wochen angekündigt und damit die Regierung in Washington erneut schwer verärgert hatte, sprach nun davon, dass das ehemalige US-Militärgefängnis Parwan/Bagram eine „Taliban produzierende Fabrik“ sei, in der „unschuldige Afghanen so lange gefoltert würden, bis sie ihr Land hassen“. Über dieses vielsagende Zitat berichtete unter anderem die Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP).

Nach seiner Weigerung, das bereits von der Großen Ratsversammlung (Loya Dschirga) verabschiedete bilaterale Sicherheitsabkommen mit den Vereinigten Staaten zu unterzeichnen, düpiert Karsai mit der Taliban-Freilassung jetzt seine Verbündeten erneut. US-Senator Lindsey Graham beispielsweise, ein in militärischen und sicherheitspolitischen Dingen äußerst einflussreicher Abgeordneter der Republikaner, hatte bereits bei seinem Kabul-Besuch am 2. Januar dieses Jahres gewarnt: „Sollte es tatsächlich zur Freilassung kommen, hätte das unglaublich negative Folgen für die Zukunft der Beziehungen zwischen dem amerikanischen Volk und der afghanischen Regierung.“

„Blut von internationalen und afghanischen Soldaten an den Händen“

In Washington ist die afghanische Entscheidung mit großer Verärgerung aufgenommen worden. Vertreter des US-Militärs erklärten, „mindestens 37“ der freigelassenen Männer hätten „Blut von internationalen und afghanischen Soldaten an ihren Händen“. Ein Sprecher äußerte gegenüber der Tageszeitung Der Standard: „Gefangene dieser Gruppe waren direkt an Attacken beteiligt, bei denen 32 US- oder NATO-Soldaten und 23 afghanische Sicherheitskräfte und Zivilisten getötet oder verwundet wurden.“

Die US-Botschaft in der afghanischen Hauptstadt sprach in einer Presseerklärung von einer „bedauernswerten Entscheidung der afghanischen Regierung“ und einem schweren Verstoß gegen die anlässlich der Übergabe des Bagram-Militärgefängnisses 2012 getroffenen Vereinbarungen (Memorandum of Understanding).

Die USA fürchten nun, dass die aus der Haft Entlassenen sich angesichts des Abzugs der NATO-Kampftruppen Ende 2014 wieder den Taliban anschließen könnten. Zu den Freigelassenen gehört nach Informationen von AFP auch Mohammad Wali, ein mutmaßlicher Bombenexperte der Taliban. Ihm konnten Experten der Koalitionstruppen Beteiligungen an Bombenattentaten auf NATO-Truppen in der Helmand-Provinz nachweisen.

Ernsthafte Bedrohung der Sicherheitslage in Afghanistan

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen zeigte sich in einer Presseerklärung am 13. Februar von der Entscheidung der afghanischen Regierung „tief betroffen“. Er sei äußerst besorgt über die Freilassung der 65 Häftlinge, von denen etliche für den Tod oder die Verwundung afghanischer Zivilisten, nationaler Sicherheitskräfte oder ISAF-Angehöriger verantwortlich seien. Diese Entscheidung, die offensichtlich aus politischem Kalkül heraus und ohne Rücksicht auf eine juristische Aufarbeitung der Fälle vor einem afghanischen Gericht getroffen worden sei, sei sein schwerer Rückschlag für die Rechtsstaatlichkeit in Afghanistan. Gleichzeitig stelle die Freilassung eine „ernsthafte Bedrohung für die Sicherheitslage“ dar.

Der Generalsekretär appellierte an Karsai: „Die afghanische Regierung hat die Pflicht, die Rechtsstaatlichkeit zu wahren und die Sicherheit des Landes zu gewährleisten. Die afghanischen Behörden müssen darüber hinaus sicherzustellen, dass die Freigelassenen nicht erneut zu einer Gefahr für die Menschen in Afghanistan und die internationalen Streitkräfte, die sich dem Aufbau der Sicherheit in Afghanistan verschrieben haben, werden.“



Unsere drei Aufnahmen entstanden am 14. November 2009 im neuen Parwan-Militärgefängnis am Rande der Bagram Air Base, Afghanistan. Der damalige US-Botschafter Karl W. Eikenberry hatte an diesem Tag die Presse zur Besichtigung der neuen Haftanstalt, die seit März 2012 unter afghanischer Kontrolle steht, eingeladen.
(Fotos: Embassy of the United States Kabul, Afghanistan)


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