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Rhöndorf. Die Welt ist um einen großen analytischen Geist und um eine klare Stimme ärmer. Der Autor und Journalist Peter Scholl-Latour ist tot. Er starb nach Auskunft seines Verlages Propyläen am heutigen Samstag (16. August) nach schwerer Krankheit in Rhöndorf am Rhein im Alter von 90 Jahren. Bis zuletzt schätzte auch der Deutsche Bundestag seine Meinung sehr und lud ihn zu Anhörungen als Sachverständigen ein. Am 2. April dieses Jahres beispielsweise hatte sich Scholl-Latour bei einer öffentlichen Anhörung des Auswärtigen Ausschusses in Berlin zum Thema „Afghanistan“ geäußert und dabei – so wie man ihn kannte – kein Blatt vor den Mund genommen (wir haben über diese Anhörung ausführlich berichtet).

Peter Scholl-Latour, geboren 1924 in Bochum, promovierte an der Sorbonne in Paris in den Sciences Politiques. An der Libanesischen Universität in Beirut erwarb er das Diplom in Arabistik und Islamkunde.

In den folgenden sechs Jahrzehnten war Scholl-Latour in vielfältigen Funktionen als Journalist und Publizist tätig, unter anderem als ARD-Korrespondent in Afrika und Indochina, als ARD– und ZDF-Studioleiter in Paris, als Programmdirektor des WDR-Fernsehens, als Chefredakteur und Herausgeber des Stern oder als Vorstandsmitglied von Gruner + Jahr.

Betrachtungen zu den Wirren der Gegenwart

Peter Scholl-Latour verfasste eine lange Reihe von Publikationen über die Krisenherde rund um den Globus. Seine Themenschwerpunkte waren der Islam und der Nahe Osten. Zu den bekanntesten Arbeiten des Buchautors gehören beispielsweise „Der Tod im Reisfeld – 30 Jahre Krieg in Indochina“ (1980), „Allah ist mit den Standhaften – Begegnungen mit der islamischen Revolution“ (1983), „Mord am großen Fluß – ein Vierteljahrhundert afrikanische Unabhängigkeit“ (1986), „Das Schwert des Islam – Revolution im Namen Allahs“ (1990), „Eine Welt in Auflösung – vor den Trümmern der Neuen Friedensordnung“ (1993), „Das Schlachtfeld der Zukunft – zwischen Kaukasus und Pamir“ (1996), „Kampf dem Terror – Kampf dem Islam? Chronik eines unbegrenzten Krieges“ (2002), „Russland im Zangengriff – Putins Imperium zwischen NATO, China und Islam“ (2006) oder „Arabiens Stunde der Wahrheit – Aufruhr an der Schwelle Europas“ (2011).

Die Liste ließe sich verlängern, insgesamt schrieb Scholl-Latour fast 40 Bücher. Zuletzt erschien seine Arbeit „Die Welt aus den Fugen – Betrachtungen zu den Wirren der Gegenwart“ (2012). In den vergangenen Monaten befasste er sich in seinem letzten Buch „Der Fluch der bösen Tat“ neben dem Nahen Osten auch mit der Ukraine. Das Buch wurde von ihm vollendet und soll am 30. September erscheinen.

Eine schonungslos offene Meinung zu Afghanistan

Der Propyläen-Verlag würdigte den 90-Jährigen als „einen der Großen des deutschen Journalismus“. Im Laufe seiner langen Berufskarriere bereiste Peter Scholl-Latour praktisch alle Länder der Erde. Unter anderem berichtete er – oft unter Lebensgefahr – über die Konflikte in Vietnam und Kambodscha. Während der iranischen Revolution hatte er teilweise direkten Zugang zu Ajatollah Chomeini.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters äußerte sich am Samstagnachmittag zum Tod des Rhöndorfers. In ihrer Presseerklärung heißt es: „Mit dem Tod von Peter Scholl-Latour verliert Deutschland einen der letzten großen journalistischen Welterklärer. Durch seine gediegene Bildung, insbesondere der profunden Kenntnis des Islam und der arabischen Welt, seiner Jahrzehnte langen Zeitzeugenschaft und Lebenserfahrung sowie der Bekanntschaft mit vielen Persönlichkeiten der Weltgeschichte war er ein herausragender journalistischer Beobachter mit Weltgeltung. Als meinungsstarker Fernsehjournalist an allen Brennpunkten der Welt, haben ganze Generationen die Welt mit seinen Augen gesehen.“ Der Nachruf der Ministerin endet: „Seine Lust und Neugier an der Welt, am Einordnen und Querdenken, werden uns sehr fehlen.“

Der Welterklärer war sich auch am 2. April während der öffentlichen Anhörung des Auswärtigen Ausschusses zu Afghanistan treu geblieben und hatte schonungslos seine Meinung kundgetan. Der Krieg am Hindukusch, so Scholl-Latour damals als Sachverständiger im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus in Berlin, sei verloren, das Konzept des Nation-building gescheitert. „Völlig illusorisch“ sei die Vorstellung, die afghanische Armee auszubilden und ihr die Sicherheitsverantwortung in die Hand zu legen. Auch diese bemerkenswert illusionsferne, ehrliche Einschätzung des mittlerweile zwölf Jahre andauernden Engagements des Westens in Afghanistan wird uns von ihm noch lange in Erinnerung bleiben.

Peter Scholl-Latour darf nun nach getaner Arbeit ausruhen. Dort, wo er hingegangen ist, gibt es keine Krisen, Konflikte und Kriege. Aber über den Frieden hat er ja auch gerne geschrieben.


Unsere Bildsequenz:
1. und 2. Peter Scholl-Latour (1924 – 2014)
(Fotos: amk und dag)

3. Scholl-Latour am 2. April 2014 bei der öffentlichen Anhörung des Auswärtigen Ausschusses zu Afghanistan. Der Ausschussvorsitzende Norbert Röttgen begrüßt ihn.
(Foto: Achim Melde/Lichtblick/Deutscher Bundestag)


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