Brüssel (Belgien). Die militärische Spitze der NATO wird alles dafür tun, damit das Bündnis seine Optionen für die Afghanistan-Nachfolgemission „Resolute Support“ behält. Dies versicherte am 23. Januar in Brüssel der dänische General Knud Bartels, Vorsitzender des NATO-Militärausschusses. Der Militärausschuss, die oberste militärische Instanz des Bündnisses, war in der belgischen Hauptstadt zu einer zweitägigen Sitzung zusammengekommen. Haupttagesordnungspunkt war Afghanistan. Bartels sagte gegenüber der Presse, es bestehe kein Zweifel am terminierten Ende der derzeitigen ISAF-Mission und an der geplanten Nachfolgemission. Allerdings müsse es für diesen „post-2014-Einsatz“ einen rechtlichen Rahmen geben, ohne den Planungen kaum möglich seien.
Das Treffen der Generalstabschefs im Brüsseler NATO-Hauptquartier war das 170ste seiner Art und das erste „Cheftreffen“ in diesem Jahr. An den Sitzungen am 22. und 23. Januar nahmen unter anderem auch der NATO-Oberbefehlshaber, US-General Philip M. Breedlove, der ISAF-Oberkommandierende, US-General Joseph F. Dunford, und der Vorsitzende des Militärausschusses der Europäischen Union, der französische General Patrick de Rousiers, teil.
Intensiv diskutierten die Generalstabschefs die Verzögerungen im Planungsprozess für „Resolute Support“. Sie sind die Folge der Weigerung von Afghanistans Präsident Hamid Karsai, das bilaterale Sicherheitsabkommen mit den USA zu unterzeichnen. Diese Vereinbarung und ein separates NATO-Truppenstatut würden dem Bündnis die notwendige Rechtsgrundlage für die Beratungs- und Unterstützungsmission „Resolute Support“, die ab 2015 mit 8000 bis 12.000 NATO-Soldaten starten soll, verschaffen. Im Laufe der nächsten Monate werden sich alle ISAF-Truppen auf das Ende des gegenwärtigen Kampfeinsatzes vorbereiten. Schon jetzt tragen die afghanischen Sicherheitskräfte mehr und mehr die Hauptlast des Krieges in ihrem Land.
General Bartels machte bei der Pressekonferenz noch einmal deutlich, wie wichtig die Unterzeichnung des formalen Truppenabkommens durch die afghanische Seite ist. „Je eher dieses Dokument ratifiziert wird, desto eher können wir mit unseren Planungen fortfahren und sich unsere Soldaten auf die künftige Rolle als Ausbilder und Berater vorbereiten.“ Auch Konteradmiral John Kirby, Pressesprecher von US-Verteidigungsminister Chuck Hagel, machte in Brüssel noch einmal die Eilbedürftigkeit der Vertragsunterzeichnung deutlich: „Unsere Truppen brauchen dieses bilaterale Abkommen so rasch wie möglich, um die nächsten Schritte für die Afghanistanmission planen zu können. Wir haben unsere Vorstellungen in den Diskussionen mit Präsident Karsai und Mitgliedern seiner Regierung überaus deutlich formuliert und die Bedeutung des Abkommens noch einmal dargelegt – mehr will ich jetzt dazu nicht mehr sagen.“
General Martin E. Dempsey, Chef der Vereinigten Stabschefs der US-amerikanischen Streitkräfte, äußerte sich ebenfalls zu der Hängepartie um den bilateralen Vertrag. Er gebrauchte vor den Medienvertretern folgende Metapher: „Wenn Sie ein Ticket drei Monate vor Ihrem Flug kaufen, ist der Preis günstig. Teurer wird es, wenn Sie es erst einen Monat vor dem Abreisetag besorgen. Warten Sie bis hin zur letzten Woche vor dem Abflug, dann müssen Sie für das Flugticket einen hohen Preis bezahlen.“ Ähnlich verhalte es sich nun mit „Resolute Support“, so Dempsey weiter. Noch sei die Allianz nicht an dem Punkt angelangt, wo ihr alle Planungsmöglichkeiten für eine Nachfolgemission am Hindukusch genommen seien. Dies könne aber, sollte der afghanische Präsident seine Unterschrift unter das Truppenstatut mit den USA weiter hinauszögern, passieren. „Vermutlich Ende des Frühjahrs oder im Frühsommer.“
Diese Lagebeurteilung des US-Generals scheint auch von anderen NATO-Experten geteilt zu werden. Der American Forces Press Service (AFPS) zitierte nach dem Treffen der Generalstabschefs einen hochrangigen ISAF-Vertreter, der ungenannt bleiben wollte. In Afghanistan werde es in diesem Jahr im Zeitraum Juli bis September wohl noch etliche NATO-Truppen geben – im Oktober allerdings werden die meisten, sollte es keine unterschriebene Vereinbarung mit Kabul geben, dann bereits das Land verlassen haben.
Der NATO-Militärausschuss (Military Committee, MC) unterstützt die Entscheidungsprozesse der zivilen Führung des Bündnisses in militärischen Angelegenheiten. Er setzt sich aus hochrangigen Stabsoffizieren der NATO Mitgliedsstaaten zusammen, die als militärische Repräsentanten ihrer Nationen bei der NATO dienen und damit die Generalstabschefs ihrer Streitkräfte vertreten.
Der Vorsitzende des Militärausschusses (Chairman of the Military Committee) führt das Tagesgeschäft des Gremiums und ist damit die höchste militärische Autorität der NATO. Zudem ist er Sprecher und Repräsentant des Ausschusses und damit zugleich der höchste militärische Sprecher der Allianz.
Der MC-Vorsitzende wird von den Generalstabschefs der NATO-Mitgliedsstaaten nominiert und für eine Amtszeit von drei Jahren eingesetzt. Derzeitiger Vorsitzender ist der dänische General Knud Bartels, der diesen Posten im November 2011 von Admiral Giampaolo Di Paola (Italien) übernommen hatte.
2. Treffen der Generalstabschefs der NATO am 22. und 23. Januar 2014 in Brüssel. Das Bild zeigt US-General Martin E. Dempsey (links) im Gespräch mit dem Vorsitzenden des NATO-Militärausschusses, dem dänischen General Knud Bartels.
(Foto: NATO)
3. Ende Dezember 2014 wird die ISAF-Mission in Afghanistan ein Stück Militärgeschichte sein. Der Schnappschuss entstand am 28. Mai 2012 in der US-amerikanischen Forward Operating Base (FOB) Shank in der ostafghanischen Provinz Loghar.
(Foto: Christopher Harper/U.S. Army)