Berlin. Der scheidende Generalsekretär des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses, Anders Fogh Rasmussen, besuchte am 2. Juli vermutlich letztmalig in offizieller Mission Berlin. Auf dem Programm standen unter anderem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Außenminister Frank-Walter Steinmeier sowie mit Gremien des Deutschen Bundestages. Wichtigste Themen waren die Ukrainekrise, das weitere Engagement in Afghanistan sowie die Vorbereitung des NATO-Gipfels in Newport, Wales (4. und 5. September).
In Berlin lobte Rasmussen einmal mehr das große Engagement Deutschlands innerhalb der Allianz. Er sagte nach seinem Gespräch mit Merkel, die den Gast aus Brüssel anschließend vor die Bundespressekonferenz begleitete: „Ich darf Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, an dieser Stelle für die entscheidende Rolle danken, die Deutschland in unserem Bündnis spielt und auch weiterhin spielen wird.“ Er sei sehr dankbar dafür, dass Deutschland in Afghanistan und im Kosovo eine führende Rolle übernommen habe, gestand der NATO-Generalsekretär. Deutschland habe eindeutig gezeigt, dass es sich den anderen Mitgliedern im Bündnis verpflichtet fühlt – „was die Aufrechterhaltung unserer gemeinsamen Sicherheit vor allen Dingen auch vor dem Hintergrund der Krise zwischen der Ukraine und Russland angeht.“
Berlin, so spannte Rasmussen danach vor der Bundespressekonferenz den zeitgeschichtlichen Bogen, habe sich in den letzten 25 Jahren komplett erneuert. Ost und West seien in dieser Stadt, die „ja in der Vergangenheit durch eine Mauer geteilt war, die den Kalten Krieg förmlich verkörpert“ hatte, zusammengeführt worden. Diese Bemühungen hätten anschließend auch überall in Europa ihren Niederschlag gefunden, einem Europa, das heute geeint, frei und in Frieden lebe.
An die Adresse Moskaus gerichtet warnte Rasmussen: „Das, was Russland gegenwärtig tut, bedroht diesen Frieden, bedroht diese Sicherheit, die wir nach dem Fall der Berliner Mauer geschaffen haben. Vielleicht darf ich bei dieser Gelegenheit unterstreichen: Niemand möchte in das Europa des Kalten Krieges zurück. Wir können keine neuen Trennlinien auf unserem Kontinent zulassen. Deswegen rufe ich Russland dazu auf, seinen Kurs zu überdenken, ihn umzustellen und mit dem langen Prozess zu beginnen, das Vertrauen wiederherzustellen, das es verloren hat.“
Am Ende seines Statements ließ der Däne keinen Zweifel an der Entschlossenheit des Bündnisses. Es klang wie ein Vermächtnis, als Rasmussen appellierte: „Wir leben in einer Welt, die im Vergleich zu vor 50 Jahren jeden Tag gefährlicher und instabiler wird. Das trifft nicht nur auf den Osten zu, sondern auch auf den Süden. Es ist wichtig, dass wir robuste Verteidigungsmaßnahmen ergreifen, um unsere Mitgliedstaaten sicher zu halten. Und ich zähle dabei darauf, dass alle Verbündeten ihrer Verantwortung hinsichtlich ihres Anteils der Kosten für diese Sicherheit gerecht werden, um unser Bündnis stark zu halten.“
Bei der folgenden Fragerunde der Bundespressekonferenz antwortete Bundeskanzlerin Merkel unter anderem zum Thema „Bundeshaushalt und Verteidigungsetat“. Aus der mittelfristigen Finanzplanung „ist erkennbar, dass wir unsere Verteidigungsausgaben auf keinen Fall senken werden.“ Man habe darüber gesprochen, wie hoch der Anteil der Investitionen – Stichwort „Modernisierungen“ – an den Verteidigungsausgaben sein könne, teilte Merkel den Medien mit. „Angestrebt werden 20 Prozent. Hierbei liegt Deutschland bei 16 Prozent. Wir werden darüber sprechen, wie wir diesen Anteil gegebenenfalls erhöhen können, um die 20 Prozent schrittweise auch zu erreichen.“
Der NATO-Generalsekretär äußerte sich zu Ende der Pressekonferenz kurz auch zu aktuellen, mittel- und langfristigen Reaktionen der Allianz auf die Konfliktsituation mit Russland. Laut Rasmussen werden künftig mehr Manöver stattfinden. Nachgedacht werde auch „über mögliche neue Schritte, die langfristig die kollektive Sicherheit“ der NATO stärken können. Dies werde auch dazu führen, dass bereits bestehende Verteidigungspläne „unter Umständen überarbeitet werden“. In „angemessenem Rahmen“ müssten dann möglicherweise auch Stationierungen in Mitgliedsländern des Bündnisses stattfinden. Ein derartiger „Readiness Action Plan“ soll beim Wales-Gipfel Anfang September vorgestellt und diskutiert werden.
Nach seinen Treffen mit den deutschen Ministern von der Leyen und Steinmeier nahm Anders Fogh Rasmussen auch an den Sitzungen des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses teil. Mit den Parlamentariern erörterte der scheidende NATO-Chef ebenfalls eine breite Palette von Sicherheitsfragen.
Rasmussens Nachfolger, der ehemalige norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg, wird sein Amt in Brüssel zum 1. Oktober dieses Jahres antreten. Die NATO-Botschafter hatten sich Ende März auf Stoltenberg geeinigt. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte den designierten Generalsekretär am 24. Juni in Berlin empfangen. Nach dem Treffen hatte sie gesagt: „Ich freue mich sehr auf die gemeinsame und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Herrn Stoltenberg. Die NATO wird einen erfahrenen Sicherheitspolitiker an ihrer Spitze haben.“
Abschiedsbesuch in der Hauptstadt – zu unserer Bilddokumentation:
1. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am 2. Juli 2014 nach seiner Landung in Berlin.
(Foto: NATO)
2. Treffen des scheidenden Generalsekretärs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel.
(Foto: NATO)
3. Rasmussen mit dem Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels (rechts), und dem CDU-Abgeordneten Karl A. Lamers, Stellvertreter von Bartels.
(Foto: Achim Melde/Lichtblick/Deutscher Bundestag)
4. Rasmussen und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (links).
(Foto: Achim Melde/Lichtblick/Deutscher Bundestag)