Kabul (Afghanistan). Afghanistan ist offensichtlich ein mit vielen Rohstoffen gesegnetes Land. Zu diesem Ergebnis kommt ein Wissenschaftsprojekt, das einzigartig in der Welt ist und jetzt kurz vor seinem Abschluss steht. US-Geologen haben seit 2007 vom Flugzeug aus mit sogenannter Hyperspektral-Analyse einen Großteil Afghanistans vermessen und dabei eine „Schatzkarte“ der Islamischen Republik erstellt. 26 Kisten voller Datenmaterial wurden nun im März vom federführenden Geologischen Dienst der USA an die afghanische Regierung übergeben.
Mohammad Akbar Barakzai, seit Oktober vergangenen Jahres Afghanistans Minister für Bergbau und Industrie, sagte bei der feierlichen Übergabe in Washington über das Projekt des US-Dienstes USGS (United States Geological Survey): „Ausgestattet mit den neuen Daten- und Kartensätzen können wir jetzt voller Zuversicht Investoren nach Afghanistan einladen.“ Die Regierung in Kabul rechne mit Staatseinnahmen aus dem Abbau von Bodenschätzen in einer Größenordnung von zunächst jährlich 146 Millionen US-Dollar, erklärte Barakzai. Insgesamt hoffe man einmal im Jahr 2020 auf rund eine Milliarde US-Dollar.
Hochrechnungen des US-Verteidigungsministeriums aus dem Jahr 2010 gehen sogar davon aus, dass Afghanistan über Bodenschätze im Wert von mehr als einer Billion US-Dollar verfügt. Die afghanische Regierung vermutet in 27 identifizierten Lagerstätten, so eine Vorhersage aus dem Jahr 2011, sogar abbaufähige Mineralien im Wert von drei Billionen US-Dollar.
Wert und Umfang des Gesamtbestandes von Mineralien konnten bislang nur grob geschätzt werden. Frühere geologische Studien zeigen zwei große Mineraliengürtel in Afghanistan. Einer erstreckt sich vom Nordwesten zum Nordosten (Badakhshan) und beinhaltet Eisen, Kupfer, Gold sowie Ablagerungen von Zinn und Wolfram. Der zweite Gürtel reicht von Kabul nach Kandahar und umfasst Kupfer, Gold, Chromit, Edelsteine sowie Molybdän. Die beiden größten Mineralienlagerstätten sind das Kupfervorkommen Aynak (Provinz Logar) und das Eisenerzvorkommen Hajigak (Provinz Bamyan).
Der Geologische Dienst der USA, eine wissenschaftliche Behörde im Geschäftsbereich des US-Innenministeriums, erkundet Afghanistan seit dem Sturz der Taliban intensiv. Zumeist im Überflug, da die Arbeit in den verschiedenen Provinzen teilweise sehr gefährlich war und ist.
Bei der Hyperspektral-Messung aus der Luft zerlegen Sensoren an Bord des Flugzeuges das vom Boden empfangene Sonnenlicht in all seine Wellenlängen. Die Spektralanalyse, die um ein Vielfaches über die menschliche Farbwahrnehmung hinausgeht, erkennt Hunderte Farben. Das von der Bodenoberfläche reflektierte Licht verrät so, wo sich Mineralvorkommen verbergen. Die von USGS angefertigten Karten zeigen die voraussichtlichen Lagerstätten von konventionellen Kohlenwasserstoffen wie Erdöl und Erdgas oder Mineralien wie Gold, Silber, Kupfer, Eisen oder Lithium.
In das Unternehmen der geologischen Kartografie Afghanistans eingebunden ist auch das US-Verteidigungsministerium mit seiner Arbeitsgruppe „Geschäftsbeziehungen und wirtschaftliche Stabilität“. Joseph Catalino , stellvertretender Leiter der Arbeitsgruppe, berichtete bei dem Treffen mit Minister Barakzai in Washington von dem großen Interesse US-amerikanischer Unternehmen an dem Projekt.
USGS-Direktorin Suzette Kimball erläuterte dem Gast aus Kabul bei der offiziellen Übergabe des Materials noch einmal die Arbeit ihrer Behörde am Hindukusch. Gemeinsam mit dem zuständigen Ministerium in Kabul, dem Geologischen Dienst Afghanistans und weiteren 40 Organisationen habe man dort über einen Zeitraum von zehn Jahren eine dem 21. Jahrhundert angemessene „digitale Infrastruktur“ aufbauen können. Diese könne nun von der afghanischen Regierung für die Planung, Entwicklung und Umsetzung vieler geowissenschaftlicher Vorhaben genutzt werden. Zu dieser Infrastruktur gehören nach Kimballs Auskunft ein moderner Geologischer Dienst, ein ministerielles Datenzentrum zur Speicherung und Bearbeitung geologischer Informationen sowie ein webbasiertes System zur Verteilung und zum Download von Dokumenten und Informationen.
Der Großteil der nun an Afghanistan übergebenen Daten aus den Hyperspektral-Messungen stammt aus dem Jahr 2007. Damals flog das Höhenforschungsflugzeug WB-57 der NASA im Auftrag des Geologischen Dienstes USGS über die afghanischen Provinzen und erfasste mehr als 70 Prozent der gesamten Landesfläche. Ab 2009 begannen Spezialisten des USGS und der ministeriellen Arbeitsgruppe damit, die gewonnenen Hyperspektral-Daten für die geologische Nutzung aufzubereiten.
Die Geophysikerin Trude King, Leiterin des Projekts, sagte in Washington über die „Schatzkarte“: „Es ist dies das erste Mal, dass wir eine solche Karte Afghanistans vollständig vorweisen können. Man kann darauf im regionalen Maßstab wunderbar die tektonischen Strukturen und die geologischen Prozesse der einzelnen Gebiete erkennen.“ Mit diesem Kartenwerk seiner natürlichen Ressourcen könne Afghanistan zuversichtlich in die Zukunft schauen. Die hyperspektrale Bildgebung habe die Erforschung der afghanischen Bodenvorkommen beschleunigt und werde die internationale Vermarktung der Rohstoffe nachhaltig fördern, erklärte King weiter. „Letztendlich hoffen wir, mit unserer Arbeit die wirtschaftliche Situation des Landes nachhaltig verbessern zu können.“
Auch Deutschland hat die große Bedeutung der afghanischen Bodenschätze erkannt. Beim „Ersten deutsch-afghanischen Rohstoffdialog“ im Juli vergangenen Jahres in Berlin sagte die damalige Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gudrun Kopp: „Der Rohstoffsektor in Afghanistan bietet enorme Chancen, Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen. Er kann so auch einen Beitrag leisten, das Land nachhaltig zu entwickeln. Erforderlich sind jetzt sichere wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen, also klare Regeln zum Abbau der Rohstoffe, zum Umweltschutz und zur Einbindung der Bevölkerung.“
Afghanistan habe das Potenzial, in weniger als 20 Jahren in die Riege der bedeutenden internationalen Anbieter strategisch wichtiger Rohstoffe – wie beispielsweise Seltene Erden, Lithium, Tantal und Wolfram – aufzusteigen, erklärte Kopp bei der Fachkonferenz im vergangenen Jahr.
2. Das Hintergrundbild unserer Infografik zeigt die „Lataband Road“ zwischen Kabul und der Sorobi-Provinz. Die Grafik visualisiert die Schätzungen der Geologischen Dienste der USA und Afghanistans hinsichtlich der bedeutendsten Rohstoffvorkommen des Landes und der daraus möglicherweise resultierenden Staatsgewinne in Milliarden US-Dollar.
(Foto: Sven Dirks, Infografik © mediakompakt 03.14)