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Berlin/Pristina (Kosovo). Der 12. Juni markierte einen besonderen Tag für die Bundeswehr. Vor 15 Jahren – am 12. Juni 1999 – begann ihr Einsatz in der vom Krieg erschütterten damaligen serbischen Provinz Kosovo, deren Entmilitarisierung es in jenen Wochen und Monaten zu überwachen galt. Einsatzgrundlage war und ist bis heute die Resolution 1244 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (VN), die am 10. Juni 1999 verabschiedet worden war. Dieses VN-Dokument regelt den Einsatz der NATO-geführten Sicherheitstruppe KFOR (Kosovo Force) im Kosovo. Zu Beginn des KFOR-Einsatzes beteiligten sich gut 40 Nationen mit insgesamt rund 50.000 Soldaten an der Mission. Zurzeit stellen 31 Nationen knapp 4900 Soldaten, darunter sind 690 Bundeswehrangehörige. Der Bundestag verlängerte am 5. Juni die Beteiligung unserer Streitkräfte an der internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo um ein Jahr bis zum 11. Juni 2015. Maximal 1850 deutsche Kräfte können bei KFOR eingesetzt werden.

Das Parlament entschied sich an diesem Donnerstag in namentlicher Abstimmung mit großer Mehrheit für eine KFOR-Mandatsverlängerung. 532 Abgeordnete votierten mit Ja, es gab 59 Nein-Stimmen und sieben Enthaltungen. Der Abstimmung lag die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zugrunde.

Die einsatzbedingten Zusatzausgaben für die Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an KFOR werden nach Regierungsangaben für weitere zwölf Monate rund 44,8 Millionen Euro betragen. Sie werden aus dem Verteidigungsetat bestritten. Hiervon entfallen auf das aktuelle Haushaltsjahr 24,9 Millionen Euro, auf das Haushaltsjahr 2015 dann 19,9 Millionen Euro.

Weiterhin hohes Konfliktpozenzial im Norden des Landes

Nach Ansicht der Bundesregierung und auch des Auswärtigen Ausschusses bleibt die internationale Truppenpräsenz KFOR im Sinne des Konzepts der „Drei Sicherheitsreihen“ (kosovarische Polizei als „first responder“, Mission der Europäischen Union EULEX Kosovo als „second responder“ und KFOR-Kräfte als „third responder“) zur Aufrechterhaltung eines sicheren und stabilen Umfelds erforderlich.

Die Lagebeurteilung aus Regierungssicht: „Mit der am 19. April 2013 unterzeichneten Normalisierungsvereinbarung haben die Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo eine neue Qualität erreicht. Die Umsetzung der Vereinbarung zeigte erste wichtige Fortschritte, ist aber noch nicht abgeschlossen und bleibt herausfordernd. Eine weitere enge Begleitung des Normalisierungsprozesses – insbesondere im Norden Kosovos – erscheint aus diesem Grund notwendig. Obwohl die Lage in der Republik Kosovo grundsätzlich ruhig und stabil ist, bleibt das Konflikt- und Eskalationspotenzial im kosovo-serbisch dominierten Norden Kosovos weiterhin hoch.“

Zu den gegenwärtigen Aufgaben der NATO-Sicherheitstruppe gehören die flankierende Begleitung und Überwachung des Aufbaus nationaler Sicherheitsstrukturen, die humanitäre Hilfe (etwa bei der Unterstützung zurückkehrender Flüchtlinge und Vertriebener), die Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen sowie der Austausch mit UNMIK (United Nations Interim Administration Mission in Kosovo/Interimsverwaltungsmission der Vereinten Nationen …) und EULEX Kosovo (Rechtsstaatlichkeitsmission der Europäischen Union im Kosovo).

Derzeit kein Spielraum für eine erneute Reduzierung der Personalobergrenze

Bislang haben mehr als 100.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten – unter ihnen der Autor dieses Beitrages – durch ihren Einsatz im Rahmen von KFOR einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung der gesamten Westbalkanregion geleistet. Mit der Einsatzkompanie KFOR im Rahmen des derzeitigen Kräftedispositivs („Gate 2“), den deutschen Anteilen am Hauptquartier in Pristina – insbesondere im Bereich der Aufklärung und dem Einsatzlazarett – sowie Teilen der letztmalig 2012 eingesetzten operativen Reserve (Operational Reserve Force, ORF) stellt Deutschland für die Mission KFOR wichtige und von anderen Partnern nur eingeschränkt angebotene Fähigkeiten. Eine fortgesetzte maßgebliche deutsche Beteiligung bei KFOR unter möglicher Anpassung an die sich ergebenden Erfordernisse sei daher unerlässlich, so die Bundesregierung in ihrem Antrag zur Fortsetzung der Bundeswehr-Beteiligung an KFOR.

Zur Frage einer möglichen weiteren Truppenreduzierung erklärte die Regierung: „Während der Umsetzung der Ergebnisse des politischen Dialogs zwischen Belgrad und Pristina besteht noch kein Spielraum für eine erneute Absenkung der Personalobergrenze für die deutsche Beteiligung an KFOR. Mit dieser Obergrenze von derzeit 1850 Soldatinnen und Soldaten für die deutsche Beteiligung an KFOR können deutsche Streitkräfte im umfassenden Einsatz- und Fähigkeitsspektrum gemäß der NATO-Fähigkeitsanforderung in zugesagtem Umfang für die Operation bereitgestellt werden.“ Damit bleibe die Möglichkeit erhalten, auf Lageänderungen angemessen reagieren zu können, argumentiert die Regierung. Wenn die Ergebnisse des politischen Dialogs Belgrad-Pristina nachhaltig und belastbar umgesetzt seien, könnten Reduzierungsschritte der bisherigen Personalstärke möglich werden.

Erst der Anfang eines langen Weges voller Risiken

In der parlamentarischen Beratung, die der namentlichen Abstimmung zum KFOR-Mandat der Bundeswehr voranging, zog sich die Vertreterin der Fraktion Die Linke, Inge Höger, den Unmut der Abgeordnetenmehrheit zu. Ihre gewagten Ausführungen am 5. Juni („Die Bundesregierung hat wohl auch deshalb ein Interesse an der Stationierung von Soldatinnen und Soldaten im Kosovo, weil deutsche Unternehmen dort Geld machen wollen“ oder „Wie in der Ukraine unterstützt die Bundesregierung auch im Kosovo eine Clique von Oligarchen, die sich bereichern, während der Großteil der Menschen in Armut lebt“) gipfelte in der Forderung: „Die Linke bleibt dabei – Bundeswehr und KFOR richten im Kosovo nur Schaden an und müssen schnell abgezogen werden; wir sagen Nein zum KFOR-Mandat“.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dietmar Nietan erinnerte in seinem Redebeitrag an die Zerbrechlichkeit des bisher im Kosovo Erreichten. Er zitierte einen Satz aus dem Beschluss des Europäischen Rates vom 23. Mai zur Verlängerung des EULEX-Mandats, der nachdenklich mache. Nietan: „Da heißt es nämlich, dass die EULEX-Kosovo-Mission in einer Lage durchgeführt wird, die sich möglicherweise verschlechtern könnte.“ Es gebe zwar unbezweifelbar Erfolge in der Heranführung des Kosovo an die Europäische Union und große Erfolge in der Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo. „Aber dies ist immer noch erst der Anfang eines Weges, von dem wir hoffen, dass er am Ende dazu führen wird, dass ein unabhängiges Kosovo von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union anerkannt wird und gute nachbarschaftliche Beziehungen nicht nur zu Serbien hat“, so der Sozialdemokrat weiter.

Auf diesem Weg jedoch gebe es auch Risiken, warnte Nietan. Deshalb gelte es auch, zwei Dinge zu tun. Zum einen müsse das Mandat für die Bundeswehr verlängert werden. Zum anderen müssten sich die politisch Verantwortlichen – in der Regierung, im Bundestag und in der Europäischen Union – sehr genau überlegen, was zu tun sei, um „von der militärischen Mission Schritt für Schritt immer mehr zu einer zivilen Mission zu kommen“. Er erinnerte daran: „Denn es ist kein Selbstzweck, dass es KFOR weiterhin als Mandat gibt.“

Warnung vor rechtsextremen Kräften und organisierter Kriminalität

Der CDU-Abgeordnete Peter Beyer fasste in seinem Debattenbeitrag die derzeitigen Ziele des NATO-Engagements im Kosovo wie folgt zusammen: „15 Jahre nach dem Ende des Kosovokrieges geht es darum, die Geschichte des Annäherungsprozesses zwischen ehemaligen Kriegsfeinden verantwortungsvoll fortzuschreiben. Es geht darum, die Sicherheit für die Menschen auf dem westlichen Balkan zu stärken und ihnen damit Hoffnung auf eine attraktive Zukunft zu geben.“ Beyer vertrat weiter die Meinung: „Die Soldatinnen und Soldaten der Schutztruppe KFOR sind nach wie vor ebenso wie die Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX ein Sicherheitsanker, den wir noch nicht lichten können. Wir sollten allerdings für die nähere Zukunft eine weitere Absenkung der Obergrenze der Truppenstärke andenken.“

Sicher sei aber auch, dass es schier unverantwortlich wäre, das aktuelle Sicherheitsgefüge im Kosovo aufzugeben, solange der Normalisierungsprozess nicht abgeschlossen sei. Es gelte, das Erreichte für die Menschen vor Ort zu sichern und Rückschritte zu verhindern.

Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) warnte vor Kräften – „rechtsextreme Serben, aber auch Angehörige der organisierten Kriminalität“, die eine Annäherung zwischen Serbien und dem Kosovo verhindern wollten. „Sie schrecken vor Gewalt nicht zurück. Das zeigen die Angriffe auf die Kommunalwahlen im November 2013 und auch wiederholte Beschüsse der EULEX-Mission im Norden. Deshalb ist der KFOR-Einsatz in dieser Übergangsphase der Annäherung immer noch notwendig.“

Keine Alternative zu Gesprächen und Verhandlungen

Die CSU-Politikerin Julia Bartz warb mit Blick auf die bereits lange Dauer des KFOR-Mandates um Geduld. Sie sagte im Bundestag: „Seit 15 Jahren entsenden wir Jahr für Jahr unsere Soldatinnen und Soldaten in das Kosovo, seit 15 Jahren verlängern wir Jahr für Jahr das Mandat … Wer aber denkt, wir bräuchten den Einsatz nicht mehr, den dürfte spätestens die Krise in der Ukraine eines Besseren belehrt haben.“ Insgesamt bewege sich die Region zwar in die richtige Richtung, ihrer Meinung nach jedoch nur sehr langsam. Bartz appellierte: „Zu Gesprächen und Verhandlungen – wie schmerzhaft und schwer sie für alle Seiten in Zukunft auch sein mögen – gibt es keine Alternative, zumindest keine, die wir uns für Europa wünschen. Dafür brauchen wir den Schutz von KFOR. 15 Jahre KFOR, das ist eine lange Zeit; das entspricht fast vier Legislaturperioden.“

Der Einsatz im Kosovo dürfe erst dann beendet werden, erklärte die Abgeordnete für die Unionsfraktion, wenn die Länder des Westbalkans stabile Demokratien seien, in denen man „ethnien-, religions- und kulturübergreifend friedlich über die gemeinsame Geschichte sprechen“ könne.

Wolfgang Hellmich von der SPD befasste sich danach in seinem Beitrag ebenfalls noch einmal mit dem breiten Aufgabenspektrum der KFOR-Truppe. Es gehe nicht nur um militärische Fragen, sondern vor allem darum, über den KFOR-Einsatz die zivile Entwicklung dieses Landes zu ermöglichen. Der Sozialdemokrat erklärte dies: „Es geht darum, die öffentliche Sicherheit zu garantieren, damit etwa Initiativen, mit denen Wirtschaftskraft gestärkt und Bildung verbessert werden sollen, im Kosovo wirken können.“

Auch er warb um Geduld: „Wir wissen, dass eine traumatisierende Situation, die sich tief in die Seelen der Kosovaren eingegraben hat, nicht in zehn oder 15 Jahren zu beseitigen ist. Es wird eine Generation und mehr dauern, um die Menschen davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, etwas dafür zu tun, um in einem sicheren Land zu leben.“

Multiethnische kosovarische Sicherheitskräfte – eine historische Chance

Letzter Redner in der Beratung vor der namentlichen Abstimmung war an diesem 5. Juni Roderich Kiesewetter. Der CDU-Abgeordnete richtete sein Augenmerk besonders auf einen Aspekt: „Die kosovarischen Sicherheitskräfte werden zahlenmäßig deutlich erhöht und in bewaffnete Kräfte umbenannt. Das ist eine historische Chance für den Kosovo, dafür zu sorgen, dass diese Streitkräfte multiethnisch zusammengesetzt werden, dass in der Bevölkerung Vertrauen in diese Streitkräfte herrscht, dass diese nicht zur Eskalation eingesetzt werden, sondern dass diese Selbstverteidigungskräfte für einen Ausgleich innerhalb des Landes und – das ist auch der Zweck militärischer Kräfte – über Militärdiplomatie für Aussöhnung in der Nachbarschaft sorgen.“

Der Unionspolitiker riet abschließend dazu: „Wir sollten alles daransetzen, dass die Präsenz solcher kosovarischen Kräfte auch im Nordkosovo selbstverständlich wird – nicht nur einvernehmlich, sondern so, wie es sich für ein souveränes Land gehört.“

Tausende Männer und Frauen engagierten sich für ein friedliches Kosovo

Die NATO musste im Laufe ihres 15 Jahre dauernden Einsatzes im Kosovo insgesamt 136 tote Soldaten aus 16 Nationen beklagen. Die Bundeswehr verlor im KFOR-Einsatz 26 Kameraden. Daran erinnerte am Vorabend des 12. Juni der derzeitige Kommandeur der Sicherheitstruppe Kosovo Force, Generalmajor Salvatore Farina (Italien).

Er sprach über die Tausende Soldaten, die seit 1999 bis jetzt in den Reihen von KFOR gedient haben und ihren Teil zu einem „besseren Balkan“ beigetragen hätten. Heute habe sich die Situation wesentlich gebessert, so Farina. Allen Bewohnern des Kosovos – gleich welcher ethnischen Zugehörigkeit, welcher Religiosität und welcher Sprache – werde gleichermaßen Sicherheit garantiert.“

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte am 14. und 15. Mai dieses Jahres das Kosovo besucht. Ihr Fazit nach ihrer ersten Einsatzreise auf den Balkan: „Es gibt Fortschritte, auch im Versöhnungsprozess. Aber es ist nach wie vor ein Prozess, der Geduld erfordert. Denn es ist soviel erreicht worden, dass dieses eben auch nachhaltig gesichert werden muss … Das gemeinsame Ziel ist, dass wir im Kosovo eine Situation erreichen, wo ein demokratischer Aufbau, ein friedliches multiethnisches Zusammenleben, eine Selbstverständlichkeit ist.“


Unser Bildangebot zum Beitrag „KFOR-Mandat“:
1. Deutsche Feldjäger sichern im Dezember 2012 die Übergangsstelle „Gate 1“ zwischen dem Kosovo und Serbien.
(Foto: Michael Müller/Bundeswehr)

2. Zwei Bundeswehrsoldaten auf Streife in Prizren, Kosovo. Die Aufnahme entstand am 23. Februar 2005.
(Foto: Michael Mandt/Bundeswehr)

3. Zwei Soldaten des ORF-Bataillons aus Hagenow sichern und beobachten am 7. April 2004 die Ortschaft Novake im Kosovo.
(Foto: Michael Mandt/Bundeswehr)


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