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Daun/Berlin. Es war ein kleiner Beitrag mit großer Wirkung. Am 10. Februar berichteten wir in unserem Onlineauftritt über die Lieferung eines Mobilen Geschützten Fernmeldeaufklärungssystems an die Bundeswehr. Nicht nur zahlreiche Medien griffen unsere Meldung auf. Auch der Deutsche Bundestag befasste sich am 19. Februar in einer Fragestunde mit dem Rüstungsgeschäft. Der Abgeordnete Hans-Christian Ströbele von Bündnis 90/Die Grünen wollte vom Verteidigungsministerium unter Hinweis auf bundeswehr-journal.de weitere Details zu dem Systemdemonstrator erfahren.

Das Mobile Geschützte Fernmeldeaufklärungssystem (MoGeFA) kann nach Auskunft des Herstellers „alle elektromagnetischen Aussendungen in wichtigen Frequenzbereichen entdecken und orten“. Zurzeit wird das System, das aus insgesamt drei geschützten Fahrzeugen besteht, bei den COMINT-Spezialisten der Bundeswehr in Daun getestet (COMINT: Communication Intelligence/Fernmeldeaufklärung). Hier in der Heinrich-Hertz-Kaserne sind die Auswertezentrale Elektronische Kampfführung und das Bataillon Elektronische Kampfführung 931 beheimatet, beides Dienstbereiche der Streitkräftebasis.

Werden auch Kommunikationsdaten von Bürgern erfasst?

Die regionale Tageszeitung „Trierischer Volksfreund“ berichtete am 18. März unter der Überschrift „Oberste Datenschützerin prüft Abhörtests der Bundeswehr in der Eifel“ über mögliche Risiken der Erprobung. Zunächst äußerte der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in Rheinland-Pfalz, Edgar Wagner, gegenüber der Zeitung seine Bedenken. Bei den Tests könnten „möglicherweise auch Kommunikationsdaten von Bürgern erfasst werden“, so Wagner. Der „Volksfreund“ fragte besorgt: „Müssen die Menschen in der Region Trier nun fürchten, dass die Bundeswehr Telefonate mitschneidet und E-Mails abfängt – und sei es nur als ungewollten ,Beifang‘?“

Nach einer Anfrage der Redaktion im Verteidigungsministerium stehen die Zeichen auf Entwarnung. Der offiziellen Auskunft zufolge sei ein „Beifang“ nur dann zu befürchten – so berichtet der „Volksfreund“ – wenn Bürger Funkfrequenzen der Bundeswehr nutzten. Mit dem neuen System könnten laut Verteidigungsministerium keine Mobilfunkgespräche aufgeklärt werden. Auch Festnetztelefonate oder E-Mails ließen sich nicht erfassen, es sei lediglich dazu da, den Truppenfunk von Streitkräften abzuhören.

Einen eigenen Eindruck von der Neuanschaffung der Bundeswehr und der Testreihe in Daun will sich nun auch Andrea Voßhoff machen. Sie ist seit dem 6. Februar dieses Jahres oberste Datenschützerin des Bundes. Die CDU-Politikerin will in der Garnisonsstadt von ihren Experten prüfen lassen, ob das neue militärische Aufklärungssystem Kommunikationsdaten der Zivilbevölkerung „zufällig“ mit abgreift. Ein Pressesprecher der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit teilte auf unsere Anfrage mit: „Der derzeitige Status des Projekts ,Mobiles Geschütztes Fernmeldeaufklärungssystem MoGeFA‘ und die damit verbundenen technischen Möglichkeiten sollen durch einen Beratungs- und Kontrollbesuch am Standort Daun noch im März von Mitarbeitern der Bundesbeauftragten für den Datenschutz geklärt werden.“

Künstliches Funkszenario mit truppeneigenen Funkgeräten

In der Fragestunde der 16. Sitzung des Deutschen Bundestages am 19. Februar beantwortete der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, Ralf Brauksiepe, auf die Anfrage des Oppositionspolitikers Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) zu MoGeFA. Ströbele wollte unter Hinweis auf unseren Beitrag vom 10. Februar 2014 wissen, in welchen Gebieten die von der Bundeswehr beschafften drei Mobilen Geschützten Fernmeldeaufklärungssysteme eingesetzt werden. Der Abgeordnete hakte außerdem nach: „Unter welchen Voraussetzungen werden die in den betroffenen Frequenzbereichen vollständig und auch verdachtsunabhängig erfassten elektromagnetischen Aussendungen beziehungsweise Funk- und Telekommunikationsdaten erhoben, ausgewertet und an nichtdeutsches Militär beziehungsweise nichtdeutsche Nachrichtendienste weitergegeben?“

Im ersten Teil seiner Antwort erklärte Staatssekretär Brauksiepe: Bei MoGeFA „handelt es sich um ein Demonstratorsystem, bestehend aus drei Aufklärungstrupps, das sich zurzeit noch in der Erprobung beim Kommando Strategische Aufklärung befindet (Anm.: dem Kommando Strategische Aufklärung in Gelsdorf unterstehen die Dauner Bereiche der Elektronischen Kampfführung). Das Demonstratorsystem wird operationell nicht genutzt und dient als Grundlage für die vom Jahr 2016 an geplante Serienbeschaffung. Eine Überprüfung der operationellen Leistungsfähigkeit hat noch nicht stattgefunden. Im Rahmen der taktischen Einsatzprüfung wird durch die Truppe ein künstliches Funkszenario mit truppeneigenen Funkgeräten erzeugt und entsprechend aufgeklärt.“

„Weitergabe irgendwelcher Daten an Dritte nicht beabsichtigt“

Auf die Frage Ströbeles, ob bei den Tests nun auch Telekommunikationsdaten von Zivilisten aufgefangen würden, musste der Vertreter des Verteidigungsministeriums diese Möglichkeit bejahen. Es sei prinzipiell nicht ausgeschlossen, so Brauksiepe, dass das in Daun eingesetzte Demonstratorsystem auch anderen Funk- beziehungsweise Nachrichtenverkehr aufnehmen könne, dessen Empfang gar nicht beabsichtigt sei. „Das heißt aber nicht, dass die Weitergabe irgendwelcher Daten an Dritte beabsichtigt wäre“, versicherte der Staatssekretär.

Mit einer Zusatzfrage wollte danach die Abgeordnete Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen) in Erfahrung bringen, ob in die Erprobung in Daun auch der zuständige Datenschutzbeauftragte mit eingebunden sei. Immerhin müsste sichergestellt werden, dass ungeplant aufgefangene Telekommunikationsdaten der Zivilbevölkerung später wieder gelöscht würden.

Eingesetztes Personal wird über das „G10-Gesetz“ belehrt

Staatssekretär Brauksiepe konnte diese Frage Keuls in seinem nachgereichten Schreiben vom 6. März beantworten. Er teilte der Grünen-Abgeordneten mit: „Im Rahmen von Beschaffungen, Erprobungen und Nutzung von Systemen mit Anteilen, die zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten geeignet sind, ist gemäß der Zentralen Dienstvorschrift 54/100 ,IT-Sicherheit in der Bundeswehr‘ grundsätzlich der Administrative Datenschutzbeauftragte der jeweils zuständigen Dienststelle einzubinden.“ Der für das MoGeFA örtlich zuständige Beauftragte sei von Anbeginn an über das Projekt und die Tests informiert gewesen.

Ausdrücklich wies Brauksiepe in seinem Schreiben auch auf die Behandlung der Daten hin, deren Erfassung überhaupt nicht vorgesehen sei. „Sollte es während der Erprobung von MoGeFA zur unbeabsichtigten Erfassung von zivilem Funkverkehr kommen – was nur geschehen könnte, wenn Bürger in Erfassungsreichweite der Erprobungsfahrzeuge (die) von der Bundeswehr genutzte Funkfrequenz verwenden – werden demnach daraus gewonnene Daten umgehend gelöscht. Die Löschung dieser Daten würde protokolliert.“

Das in den Aufklärungstrupps während der Erprobungsphase in Daun eingesetzte Personal soll nach Auskunft Brauksiepes außerdem „bezüglich des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses“ (G10-Gesetz) belehrt werden.



Zu unserem Bildmotiv: Der israelische Künstler Dani Karavan hat in den Jahren 1997 bis 2002 in hohen Glasscheiben des Parlamentsgebäudes Jakob-Kaiser-Haus in Berlin die 19 Artikel unseres Grundgesetzes mit Laser eingraviert. Wir sehen Artikel 10, der das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis schützt, in der Fassung der Verabschiedung 1949.
(Foto: Klaaschwotzer)


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