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Kabul (Afghanistan)/Berlin. Exakt 100 Tage nach der Stichwahl um das Amt des afghanischen Staatspräsidenten ist jetzt eine Einigung zwischen den beiden zerstrittenen Kandidaten Ashraf Ghani Ahmadzai und Abdullah Abdullah erzielt worden. Die Wahlkommission erklärte den früheren Finanzminister und Rektor der Universität von Kabul Ghani zum neuen Staatsoberhaupt. Ex-Außenminister Abdullah wird wohl einen neu geschaffenen Posten erhalten, der dem Amt eines Premierministers ähneln und mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet sein soll. Ghani und Abdullah einigten sich am gestrigen Sonntag (21. September) nach monatelangem Streit auf eine gemeinsame afghanische Einheitsregierung.

Die Stichwahl am 14. Juni war notwendig geworden, weil keiner der beiden Kandidaten in der ersten Runde der Präsidentenwahl am 5. April nach Angaben der Wahlkommission die notwendige absolute Mehrheit erreicht hatte (der scheidende Präsident Hamid Karsai durfte laut Verfassung kein drittes Mal für das Amt kandidieren).

Aus der ersten Wahlrunde war Abdullah noch als Sieger hervorgegangen. Die Stichwahl gut zwei Monate später gewann Ghani, der Wunschkandidat von Karzai. Da sich nach der Stichwahl die Anzeichen für Unregelmäßigkeiten und Manipulationen häuften, weigerte sich Abdullah, das Ergebnis anzuerkennen. Es folgten – vor allem auf Druck der USA – mehrere Nachzählungen.

Durch die monatelangen Verzögerungen bei der Ermittlung eines Karsai-Nachfolgers konnten auch bis heute nicht die notwendigen Sicherheitsabkommen zwischen Afghanistan und den USA beziehungsweise der NATO unterzeichnet werden, die Voraussetzung für eine ISAF-Nachfolgemission ab Januar 2015 sind. Der bisherige Amtsinhaber Karsai hatte sich beharrlich geweigert, die Schlüsseldokumente zu ratifizieren. Darüber hinaus hatte er auch nicht am NATO-Gipfel Anfang September in Wales teilgenommen. Dort hätte der bisherige afghanische Präsident durchaus noch einmal für dringend nötige Unterstützung seines Landes werben können.

Chef der Wahlkommission räumt „grobe Mängel“ bei der Stichwahl ein

Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah unterschrieben am gestrigen Sonntag im Präsidentenpalast in Kabul ein von den USA vermitteltes Abkommen über eine Teilung der Macht. Ministerposten sollen Vertreter beider Lager erhalten. Die Wahlkommission hat Ghani zwar zum Präsidenten Afghanistans erklärt, hält das endgültige Wahlergebnis bis jetzt allerdings noch unter Verschluss.

Der Vorsitzende der Wahlkommission, Jusuf Nuristani, räumte ein, dass es bei der Stichwahl „grobe Mängel“ gegeben habe, die nicht alle hätten aufgedeckt werden können.

Die schwer auf Afghanistan lastende politische Blockade aufgelöst

Außenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte am Sonntag zur Einigung der beiden afghanischen Präsidentschaftskandidaten: „Heute ist ein guter Tag für Afghanistan. Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah haben mit der Einigung auf eine Regierung der Nationalen Einheit die seit Monaten auf Afghanistan schwer lastende politische Blockade aufgelöst und endlich den Weg freigemacht für die so notwendigen nächsten Etappen im Ringen um eine bessere Zukunft für das Land. Mit der Einigung zeigen beide Kandidaten, dass sie Respekt haben vor dem Willen jener mutigen Afghanen, die ungeachtet aller Drohungen und Einschüchterungsversuche in großer Zahl an die Wahlurnen geströmt sind. Ihr Mut hat sich nach vielen langen Wochen der Ungewissheit ausgezahlt.“

Die Regierung der Nationalen Einheit werde von einer breiten Koalition getragen, so Steinmeier weiter. Die Regierung in Kabul müsse nun rasch die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen in Angriff nehmen. Die Mitglieder der neuen Regierung seien zudem aufgerufen, Belastungen und Uneinigkeiten der vergangenen Wochen und Monate hinter sich zu lassen und eng und vertrauensvoll miteinander zu kooperieren.

Keinesfalls zurück zu den Strukturen des Talibanregimes

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder, kommentierte am heutigen Montag (22. September) die Entscheidung, eine Einheitsregierung in Afghanistan unter Beteiligung von Ghani und Abdullah zu bilden: „Dass sich zwei Kontrahenten einer demokratischen Wahl auf ein gemeinsames Vorgehen einigen, wäre noch vor wenigen Jahren für viele Menschen undenkbar gewesen. Dies zeigt, dass sich das Land entscheidend weiterentwickelt hat. Die Menschen in Afghanistan wollen nicht zurück in die Strukturen des Talibanregimes verfallen.“

Daneben sei das weitere Engagement der USA, Deutschlands und anderer Länder in Afghanistan von großer Bedeutung, erklärte Mißfelder. Denn nur so könnten die positiven Entwicklungen, für die ISAF die Grundlagen gelegt habe, langfristig gesichert und ausgebaut werden. Die Entscheidung der Wahlkommission sei deshalb auch für die in Afghanistan engagierten Staaten der Internationalen Gemeinschaft wichtig. Allerdings stehe noch immer die Unterzeichnung eines Sicherheitsabkommens durch den afghanischen Präsidenten aus. „Der neue Präsident sollte nun zügig seine Unterschrift unter das Abkommen setzen“, forderte der CDU-Politiker.

Ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte des Landes

Der Oberbefehlshaber der NATO-geführten ISAF-Truppen, US-General John F. Campbell, begrüßte ebenfalls in einer Presseerklärung die Einigung der Rivalen. „Im Namen der Angehörigen der International Security Assistance Force gratuliere ich dem gewählten Präsidenten Dr. Ashraf Ghani Ahmadzai, Dr. Abdullah Abdullah sowie dem afghanischen Volk dazu, diesen so wichtigen Meilenstein erreicht zu haben.“

In seinem Statement bedankte sich der Oberkommandierende ausdrücklich auch bei den afghanischen Sicherheitskräften, die bei zwei Wahlgängen und trotz lange Zeit politisch ungeklärter Verhältnisse eine „enorme Einsatzbereitschaft“ gezeigt hätten. Ohne die Anstrengungen und Opfer der nationalen Sicherheitskräfte wäre ein friedvoller politischer Übergang in diesem Land wohl nicht möglich gewesen, würdigte Campbell dieses Engagement.


Die Aufnahme zeigt die beiden afghanischen Politiker Ashraf Ghani (in weißer Landestracht) und Abdullah Abdulla (rechts neben Ghani) bei der Unterzeichnung ihrer Vereinbarungen am 21. September 2014 im Präsidentenpalast in Kabul.
(Foto: Fardin Waezi/UNAMA/United Nations)


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