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Berlin/Donauwörth. Die Neuausrichtung unserer Streitkräfte ist kein schmerzfreier Prozess. Personalabbau, Außerdienststellungen, Standortschließungen, Verlegungen und Umzüge belasten die Bundeswehrangehörige schwer. Massive Kürzungen bei aktuellen Rüstungsprojekten treffen Industrie und Wirtschaft empfindlich. Am 15. März teilte das Verteidigungsministerium mit, wie viele Hubschrauber weniger die Truppe bekommen wird.

Die Bundeswehr erhält insgesamt 63 Hubschrauber der Typen NH90 und Tiger weniger als ursprünglich vertraglich vorgesehen. Verteidigungsministerium und Rüstungsindustrie unterzeichneten nach langen Verhandlungen an diesem Freitag eine entsprechende Absichtserklärung. In dem Memorandum of Understanding (MoU) einigten sich die Hardthöhe und das Hubschrauberwerk Eurocopter auf eine Stückzahlreduzierung beim NATO-Helikopter NH90 von 122 unter Vertrag stehenden Maschinen auf 82, beim Kampfhubschrauber Tiger von 80 auf 57 Stück. 11 bereits gelieferte Tiger will Eurocopter, eine Tochter des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS, zu einem späteren Zeitpunkt zurückkaufen.

Zusätzliche „erhebliche Mittel“ im Verteidigungsetat

Durch die Umsteuerung des Programms erhält die Bundeswehr zudem 18
Marinehubschrauber, die aus dem „NH90-Paket“ abgeleitet werden. Das Ministerium erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass Deutschland sich bereits im Rahmen internationaler Vereinbarungen im NH90-Programm an den Entwicklungskosten des NATO-Marinehubschraubers beteiligt habe. In der Presseerklärung heißt es weiter: „Die angepasste Beschaffungsplanung mit 18 Marinehubschraubern stärkt damit auch die europäische wie internationale Kooperationsfähigkeit Deutschlands in diesem strategisch bedeutenden Hubschraubersegment.“

Das Ministerium teilte zudem mit, dass durch die Umsetzung der MoU im Verteidigungsetat „erhebliche Haushaltsmittel“ freigesetzt würden. Über die genaue Höhe wurden keine Angaben gemacht. Insgesamt zielten die neuen Vereinbarungen zum Tiger und zum NH90 auch darauf ab, so das BMVg weiter, negative Auswirkungen auf die anderen in den Hubschrauberprogrammen vertretenen Nationen zu vermeiden. Damit sein „ein wichtiger Schritt für die Umsteuerung dieser
beiden bedeutsamen Hauptwaffensysteme der Bundeswehr gelungen“.

Die Industrie zeigte sich über die erzielten Ergebnisse offensichtlich erleichtert, hatte man doch zunächst noch rigorosere Auftragsreduzierungen befürchtet. Christoph Müller, Sprecher des Unternehmens Eurocopter, äußerte sich wie folgt zu den Vereinbarungen: „Wir haben in der Sache hart aber ausgesprochen konstruktiv miteinander verhandelt. Das Ergebnis ist eine klare Win-win-Situation für beide Parteien und eröffnet allen Beteiligten eine belastbare und zukunftsfähige Lösung.“

Industrie reagiert mit „kritischer Gelassenheit“

Die Absicht, massive Einschnitte bei den Rüstungsvorhaben als Teil der Bundeswehr-Neuausrichtung vorzunehmen, war am 18. Oktober 2011 publik geworden. Die Medien zitierten an diesem Dienstag ein Schreiben von Verteidigungsminister Thomas de Maizière an den Verteidigungsausschuss des Bundestags, wonach die künftig stark verkleinerten Streitkräfte deutlich weniger Eurofighter-Kampfflugzeuge, Tiger-Kampf- und NH90-Transporthubschrauber sowie Puma-Schützenpanzer erhalten sollen. Im Gegenzug hatte de Maizière der Verteidigungsindustrie Kompensationen versprochen. Nach einem Gespräch mit hochrangigen Vertretern der Branche hatte der Minister am 19. Oktober 2011 der ARD in Berlin erklärt: „Das Ziel dieser Maßnahme besteht nicht darin, Ausgaben zu kürzen, sondern das Ziel besteht darin, wieder Aufträge auslösen zu können.“ Die Bundeswehr benötige andere und weniger Waffen als in der Vergangenheit.

Trotz der unerfreulichen Entwicklung zeigten sich schon damals die Vertragspartner des Verteidigungsministeriums kompromissbereit. Georg Wilhelm Adamowitsch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, beschrieb die Stimmungslage: „Da ist keine Aufregung angesagt, sondern kritische Gelassenheit.“ Mit de Maizière seien Einzelgespräche mit den jeweiligen Unternehmen vereinbart worden. Man erwarte, „über einen vernünftigen Dialog zu gemeinsamen tragbaren Ergebnissen zu kommen“. Man müsse an solche Prozesse ernsthaft und konstruktiv herangehen, meinte Adamowitsch.

Rüstungsstreichliste ist fast abgearbeitet

Bereits am 11. Juli vergangenen Jahres hatte Stéphane Beemelmans, Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung, mit den Unternehmen Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann einen Änderungsvertrag über die Stückzahlreduzierung bei der Beschaffung des Puma unterschrieben. Anstatt der ursprünglich geplanten 405 Schützenpanzer kauft die Bundeswehr nun bis zum Jahr 2020 lediglich 350 Fahrzeuge.

Von der ministeriellen „Rüstungsstreichliste“ vom Herbst 2011 ist zurzeit nur noch der Eurofighter-Auftrag ungelöst. Die ursprünglich geplante Stückzahl 177 soll auf 140 Flugzeuge reduziert werden. Die Verhandlungen darüber dauern nach Auskunft des Verteidigungsministeriums noch an.

NH90-Marineversion verdrängt den Cyclone

Die Entscheidung, im Rahmen der Hubschrauber-Stückzahlreduzierung 18 Marine-Helikopter aus dem NH90-Programm abzuleiten, hat bei einigen Unternehmen zu großer Enttäuschung geführt: die Umsteuerung wirft einen anderen Hubschrauber, den CH-148 Cyclone von Sikorsky, aus dem Rennen.

Im Juli 2010 hatten die Firmen Sikorsky Aircraft Corporation, Rheinmetall sowie General Dynamics Canada, RUAG Aviation, ZF Luftfahrttechnik und MTU Aero Engines das „German Multi-Role Helicopter Team“ (GMRHT) gegründet, um der Bundeswehr den Cyclone als Nachfolger des Sea King Mk.41 anzubieten. Der Sea King, ebenfalls von Sikorsky, ist bei der deutschen Marine seit 38 Jahren im Einsatz. Der Industrieverbund GMRHT verwies auf Kanada, wo im Moment die Sea King-Flotte durch Cyclone-Helikopter ersetzt wird – der Cyclone sei auch für die deutschen Marinestreitkräfte „eine Ideallösung“, warb GMRHT für seinen CH-148. Insgesamt hatte sich der Verbund gute Chancen ausgerechnet, nach einer entsprechenden Beschaffungsentscheidung für den Cyclone die Wartungs-, Ausbildungs- und weitere Unterstützungsleistungen für die Bundeswehr erbringen zu können.


Unsere Fotos zeigen
1. den Kampfhubschrauber Tiger im Einsatzland Afghanistan,
(Foto: RC North PAO/EinsFüKdo)

2. den Transporthubschrauber NH90 bei der Informationslehrübung des Heeres 2010 in Munster,
(Foto: Björn Trotzki/Bundeswehr)

3. den Marinehubschrauber CH-148 Cyclone.
(Foto: Sikorsky)


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