menu +

Nachrichten



Hammelburg/Damaskus (Syrien)/Den Haag (Niederlande). Der Druck der internationalen Gemeinschaft, besonders der der Vereinigten Staaten, zeigte Wirkung: Syrien hat nun seine Anlagen zur Produktion chemischer Waffen und zum Abfüllen von Giftgas komplett zerstört. Das berichteten am 31. Oktober die Inspekteure der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons, OPCW). Jetzt Anfang November kehrten die Inspektoren der gemeinsamen Mission der Vereinten Nationen (VN) und der OPCW aus der syrischen Hauptstadt Damaskus nach Den Haag, dem Organisationssitz, zurück. Die Bundeswehr hatte vor der Mission 24 zivile OPCW-Experten in einem fünftägigen Lehrgang am VN-Ausbildungszentrum in Hammelburg auf den schwierigen und gefährlichen Auftrag im Bürgerkriegsland Syrien vorbereitet.

Syrien war Mitte Oktober nach der Androhung eines US-Militäreinsatzes als 190. Staat der Organisation für das Verbot chemischer Waffen und damit der Chemiewaffenkonvention beigetreten. Im Augenblick gibt es damit weltweit nur noch sechs Länder, die kein Abkommen mit der OPCW ratifiziert haben: Ägypten, Angola, Burma, Israel, Nordkorea und Südsudan. Das Regime von Syriens Staatspräsident Baschar al-Assad hatte den Beitritt zur OPCW am 12. September beantragt. Assad stimmte damit der Vernichtung seines gesamten Chemiewaffenarsenals sowie aller Produktionsstätten zu und beugte sich so einem entsprechenden Beschluss des VN-Sicherheitsrates.

Hintergrund dieses Beschlusses war ein Angriff mit dem Nervenkampfstoff Sarin, bei dem am 21. August in einem Vorort von Damaskus etwa 1400 Menschen getötet worden waren. Syriens Regierung hatte Vorwürfe westlicher Länder zurückgewiesen, für diese Attacken verantwortlich zu sein. VN-Inspektoren unter Leitung des schwedischen Kampfstoffexperten Ake Sellström hatten jedoch den Sarin-Einsatz bestätigen können und einen Bericht für die Vereinten Nationen verfasst. Letztendlich war es die gemeinsame unnachgiebige Haltung Russlands und der USA gegenüber der Assad-Führung, die die Zustimmung Syriens zur Vernichtung seiner C-Waffen erzwang.

Komplettes Chemiewaffenarsenal unter Verschluss

Nach Angaben der Organisation kontrollierte ein Team von 60 Mitarbeitern der OPCW und der Vereinten Nationen bereits seit dem 1. Oktober in Damaskus die Zerstörung der syrischen Chemiewaffen. Dabei wurden 21 der 23 Standorte und 39 der 41 Produktionsstätten an diesen Orten überprüft. Die restlichen zwei seien aus Sicherheitsgründen noch nicht kontrolliert worden. „Aber Syrien erklärte, dass diese Standorte aufgegeben und die dortigen Anlagen ihres Chemiewaffenprogramms an andere Standorte verlagert wurden, die unter Kontrolle sind“, erklärte die OPCW in Den Haag. Weiter teilte sie mit, dass nunmehr das gesamte Chemiewaffenarsenal Syriens unter Verschluss sei. Die rund 1000 Tonnen C-Waffen und Kampfstoffe, darunter das hautschädigende Senfgas und das Nervengas Sarin, seien sicher versiegelt. Die Bestände sollen jetzt bis Mitte 2014 vollständig vernichtet werden.

Engagiert in einem zentralen Bereich der Abrüstung

Für ihre Arbeit erhielt die Organisation für das Verbot von chemischen Waffen am 11. Oktober den diesjährigen Friedensnobelpreis. Der Norweger Thorbjørn Jagland, Leiter des Nobelkomitees, sagte in seiner Begründung, die Ereignisse in Syrien hätten unterstrichen, dass Anstrengungen im Kampf gegen C-Waffen verstärkt werden müssen. Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte der OPCW und kommentierte die Entscheidung des Komitees mit den Worten: „Die Auszeichnung ist eine besondere Anerkennung für das Engagement der Organisation in einem zentralen Bereich der Abrüstung. Die OPCW leistet weltweit einen wichtigen Beitrag für die Kontrolle und Beseitigung unmenschlicher Waffen. Auf diese Weise arbeiten die Organisation und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – auch in Konfliktregionen und zum Teil unter erheblichen Gefahren – an einer sichereren Welt. Ihr Einsatz verdient unser aller Respekt. Die Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis gilt jedem einzelnen dieser Mitarbeiter.“

Das Auswärtige Amt hatte gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium 24 zivile OPCW-Kräfte zu einem fünftägigen Vorbereitungslehrgang am VN-Ausbildungszentrum im unterfränkischen Hammelburg eingeladen. Die Expertengruppe aus Den Haag gehörte später zu der VN-Mission, die in Syrien die Beseitigung der Chemiewaffenarsenale begleitete.

Von der Einsatzerfahrung deutscher Soldaten profitieren

Die Ausbildung für die Syrien-Mission fand im Zeitraum 14. bis 18. Oktober statt. Die OPCW-Lehrgangsteilnehmer, die aus 16 Ländern stammten, wurden in der Rhön-Kaserne in Wildflecken und auf dem angrenzenden Truppenübungsplatz mithilfe verschiedener möglicher Szenarien realitätsnah auf heikle Situationen und drohende Gefahren im Bürgerkriegsland Syrien vorbereitet.

Schwerpunkte des einwöchigen Lehrgangs für die Chemiewaffeninspektoren waren unter anderem die Fahrten im Konvoi, das Verhalten in gefährlichen Situationen – beispielsweise bei Bedrohung, unter Beschuss oder nach der Entdeckung von Sprengfallen – das Verhalten gegenüber der Zivilbevölkerung und Bewaffneten oder das Thema „Erste Hilfe und sanitätsdienstliche Versorgung“. Da die Inspektoren während der Mission den Status „unbewaffnete Zivilisten im Auftrag der Vereinten Nationen“ haben würden, erhielten sie auch keine Waffen- und Schießausbildung.

Franz Ontal, Sprecher der Lehrgangsteilnehmer, erklärte nach den ersten Tagen des einsatzvorbereitenden Trainings: „Wenn es einen Platz auf der Welt gibt, an dem wir etwas falsch machen können, dann ist es hier. Im Einsatzland werden wir diese Fehler sicher nicht wiederholen. Es ist ein sehr guter Lehrgang mit ausgezeichneten Übungsinhalten. Wir profitieren direkt von den Einsatzerfahrungen der deutschen Streitkräfte.“

Ausbildung für die Krisen- und Kriegsgebiete dieser Welt

Das „Vereinte Nationen Ausbildungszentrum Bundeswehr“ in der Hammelburger Saaleck-Kaserne ist eine auf taktischer Ebene angesiedelte internationale, ressortübergreifende Einrichtung für die einsatzvorbereitende Ausbildung. Jährlich werden hier rund 12.000 Soldaten, Polizisten und ziviles Personal für viele Krisen- und Kriegsgebiete der Welt gemäß den Standards der Vereinten Nationen ausgebildet. Das VN-Ausbildungszentrum ist bei der NATO akkreditiert und Vertragspartner der Europäischen Union, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sowie der Organisation für das Verbot chemischer Waffen.

Außenminister Guido Westerwelle hatte zu dem Hammelburger Lehrgang im Vorfeld der Syrien-Mission erklärt: „Deutschland unterstützt nachdrücklich die Arbeit der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen. Ohne die Sachkunde und das mutige Engagement der Experten der OPCW vor Ort wäre die Vernichtung der hochgefährlichen Chemiewaffen nicht möglich. Wir wollen den Inspektoren deshalb deutsche Expertise zum Verhalten in Konfliktgebieten vermitteln, damit sie ihre schwierige Aufgabe optimal vorbereitet erfüllen können.“

80 Prozent der bekannten Chemiewaffenbestände bereits vernichtet

Die OPCW wurde 1997 gegründet und dient der Umsetzung der Chemiewaffenkonvention der Vereinten Nationen. Sie gehört nicht der VN an, arbeitet jedoch in ihrem Auftrag. Eigene politische Macht hat sie nicht, sie ist nur so stark, wie es ihre mittlerweile 190 Mitglieder erlauben. In den vergangenen 16 Jahren konnten die Inspektoren rund 58.000 Tonnen vernichten, das sind rund 80 Prozent der bekannten Chemiewaffenbestände. Leiter (Generaldirektor) der OPCW ist der türkische Diplomat Ahmet Üzümcü.

Zur Syrien-Mission seiner Organisation hatte Üzümcü bei einer Pressekonferenz unmittelbar nach Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises angemerkt: „Das Ziel, bis Mitte 2014 sämtliche syrischen Chemiewaffen zu vernichten, ist eine große Herausforderung. Niemals zuvor in der Geschichte unserer Organisation wurden wir gerufen, um ein Zerstörungsprogramm innerhalb einer so kurzen Zeitspanne und während eines anhaltenden Konfliktes zu verifizieren.“ Der Giftgasangriff bei Damaskus im August habe auf tragische Weise gezeigt, wie aktuell die Aufgabe der Vernichtung solcher Waffen sei, so der OPCW-Generaldirektor weiter. „Unser Mitgefühl gilt den Menschen in Syrien, die Opfer des Horrors chemischer Waffen wurden.“



Hinweis: Unser Artikel „Nobelpreisträger meistern gefährliche Mission“ wird durch zwei Videos ergänzt. Ein kurzer Beitrag von Nobel Media/Nobel Foundation Rights Association zeigt den Moment der Bekanntgabe der Entscheidung für den Friedensnobelpreis 2013. Ein Video des YouTube-Kanals der Bundeswehr, das im Laufe der einsatzvorbereitenden Ausbildung der OPCW-Inspektoren im VN-Ausbildungszentrum in Hammelburg und in Wildflecken entstand, zeigt einige Schwerpunkte dieses Trainings: Verhalten in Extremsituationen, Erste-Hilfe-Ausbildung, Eigenschutz, Umgang mit der Bevölkerung und Bewaffneten oder Dimensionen einer Geiselhaft.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden


YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden


Zu unserem Bildangebot:
1. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschloss am 27. September 2013 einstimmig die Zerstörung des syrischen Chemiewaffenarsenals. Erstmals seit Beginn des Aufstands in Syrien im Frühjahr 2011 konnte damit eine gemeinsame Haltung formulieren werden. VN-Generalsekretär Ban Ki-moon sprach von einer historischen Resolution.
(Foto: Paulo Filgueiras/Vereinte Nationen)

2. Die unabhängige internationale Organisation für das Verbot chemischer Waffen wurde 1997 durch die Vertragsstaaten der Chemiewaffenkonvention begründet. Sie überwacht die Einhaltung und Umsetzung dieser Konvention und legt die Rahmenbedingungen für die Vernichtung von Chemiewaffen fest.
(Foto: OPCW)

3. Das VN-Ausbildungszentrum der Bundeswehr in Hammelburg unterstützte im Zeitraum 14. bis 18. Oktober 2013 die OPCW bei der einsatzvorbereitenden Ausbildung ihrer Syrien-Inspektoren.
(Foto: Bernd Schwendel/Deutsches Heer)

4. Der Lehrgang fand vor allem in der Rhön-Kaserne in Wildflecken und auf dem angrenzenden Truppenübungsplatz statt. Rollendarsteller machten die Teilnehmer mit möglichen Situationen im Bürgerkriegsland Syrien vertraut.
(Foto: Bernd Schwendel/Deutsches Heer)

5. Die Lehrgangsteilnehmer – unter ihnen Spezialisten für Chemiewaffen, Chemielaboranten und Produktionstechniker aus der Chemieindustrie sowie Gesundheits- und Sicherheitsfachleute – stammten aus folgenden 16 Ländern: Brasilien, China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Kamerun, Neuseeland, Niederlande, Russland, Samoa, Slowakische Republik, Spanien, Südafrika, Uganda und USA.
(Foto: Bernd Schwendel/Deutsches Heer)

6. Die Aufnahme zeigt einen Konvoi mit Inspektoren der Vereinten Nationen und der OPCW nach der Ankunft in Syriens Hauptstadt Damaskus Anfang Oktober 2013.
(Foto: Hend Abdel Ghany/Vereinte Nationen)

7. Der Sitz der OPCW im niederländischen Den Haag.
(Foto: OPCW)


Kommentieren

Bitte beantworten Sie die Frage. Dies ist ein Schutz der Seite vor ungewollten Spam-Beiträgen. Vielen Dank *

OBEN