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Kabul (Afghanistan). Joseph F. Dunford Jr. könnte in die Annalen der ISAF-Mission eingehen als der „Commander des Abzuges“. Der 1955 in Boston, Massachusetts, geborene US-General ist bereits der dritte Oberbefehlshaber der International Security Assistance Force innerhalb von drei Jahren. Und wahrscheinlich auch der letzte. Seine Hauptaufgabe wird es sein, bis Ende 2014 die Heimkehr des überwiegenden Teils der Kampftruppen der NATO-geführten ISAF aus Afghanistan zu organisieren.

Der Viersternegeneral übernahm das Kommando über die Afghanistan-Schutztruppe am 10. Februar von seinem Vorgänger John R. Allen, der 19 Monate lang ISAF befehligt hatte (Allen selber hatte am 18. Juli 2011 die Nachfolge von US-General David H. Petraeus angetreten). Der Kommandowechsel fand an diesem Sonntag im stark gesicherten ISAF-Hauptquartier in der Hauptstadt Kabul statt. Afghanistans Präsident Hamid Karsai blieb trotz Einladung der Zeremonie fern, ein Umstand, den nahezu alle Medien in ihrer Berichterstattung mit einem erstaunten Unterton würdigten (so berichtet beispielsweise die britische Tageszeitung The Guardian, dass nicht einmal Karsais Sprecher die Entscheidung des Präsidenten kommentieren wollte).

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen wünschte Dunford in einem Schreiben Erfolg für die kommenden Aufgaben. Er freue sich auf die enge Zusammenarbeit, so Rasmussen. „General Dunford übernimmt das Kommando zu einem Zeitpunkt, an dem unsere Mission eine wichtige Phase erreicht. In einigen Monaten werden die afghanischen Kräfte bei der Sicherheit im Land die Führung übernehmen, und ISAF wird seine Hauptanstrengungen von Kampf auf Unterstützung verlagern. Ich bin überzeugt davon, dass General Dunford die International Security Assistance Force der NATO mit großem Geschick und Entschlossenheit durch diese Phase der Transition führen wird.“

Schwere Aufgaben für „Fighting Joe“

Maren Leed, Seniorberaterin am Center for Strategic and International Studies (Zentrum für internationale und strategische Studien) in Washington D.C., skizzierte für einen Korrespondentenbericht der BBC über Joseph Dunford ein Porträt des neuen ISAF-Oberbefehlshabers. In dem Beitrag von BBC-Korrespondent Mohammad Manzarpour äußert Leed: „Wir werden sehen, dass Dunford viel Zeit in den Aufbau und die Pflege von Beziehungen investieren wird. Er wird versuchen, die Moral der Truppe hochzuhalten. Und er wird Druck auf die afghanische Regierung ausüben, damit diese Fortschritte erzielt und ihren Verpflichtungen nachkommt.“ Die nach Dunfords Berufung zum neuen ISAF-Oberbefehlshaber in politischen Kreisen Washingtons bisweilen geäußerte Ansicht, der General könne sich möglicherweise bald schon in Afghanistan politischem Druck des Weißen Hauses beugen, kommentiert Leed wie folgt: „Wenn Dunford einmal das Amt des ISAF-Commanders übernommen hat, wird er, sollte er den gesetzten Abzugstermin für gefährlich oder verfrüht erachten, dies auch klar und deutlich dem Weißen Haus mitteilen.“

Die Aufgaben, die auf Dunford warten, sind immens. Aber US-Präsident Barack Obama setzt auf den General aus den Reihen des United States Marine Corps, der sich im Irakkrieg 2003 den Spitznamen „Fighting Joe“ erworben hat. Maren Leed beschreibt die Herausforderungen in Afghanistan: Der neue ISAF-Commander ist eingebunden „in die Verhandlungen mit der Regierung Karsai über den künftigen rechtlichen Status der verbleibenden US-Truppen. Er muss zudem die aktuelle militärische Mission fortsetzen. Darüber hinaus muss er mit Washington das Tempo und die Größe des Truppenabzugs erörtern und abstimmen. Daneben geht es auch darum, die Rolle, Aufgaben und Verantwortlichkeiten der verbleibenden Truppen zu bewerten und festzulegen.“ Bei seinem Amtsantritt am 10. Februar erklärte General Dunford: „Am heutigen Tag ändert sich nichts – es geht um eine Fortsetzung. Was sich nicht geändert hat und nicht ändern wird, ist die Entschlossenheit unserer Koalition.“

Transition an einem unumkehrbaren Punkt

Dunfords Vorgänger, der scheidende John R. Allen, sagte bei der Kommandoübergabe unter lang anhaltendem Beifall der geladenen Gäste: „Heute verteidigen afghanische Sicherheitskräfte die afghanische Bevölkerung und versetzen die Regierung in die Lage, ihren Bürgerinnen und Bürgern zu dienen. Dies ist ein Sieg.“ NATO-Generalsekretär Rasmussen würdigte in seinem Schreiben an Dunford auch Allens Verdienste. General Allen habe das ISAF-Kommando in jenem entscheidenden Augenblick übernommen, an dem mit dem Prozess der Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die Sicherheitskräfte Afghanistans begonnen worden sei. Unter seinem Kommando habe der Prozess der Transition schließlich jenen unumkehrbaren Punkt erreicht, von dem ab afghanische Soldaten und Polizeikräfte allein für die Sicherheit von rund 90 Prozent ihrer Landsleute verantwortlich zeichnen. Auch dies habe man General Allens herausragender Führung zu verdanken.

An der Kommandoübergabe im ISAF-Hauptquartier nahm auch der deutsche Viersternegeneral Hans-Lothar Domröse teil. Er ist seit dem 14. Dezember vergangenen Jahres Befehlshaber des Allied Joint Force Command der NATO in Brunssum (Niederlande), das ISAF operationell führt und auch die Rückverlegung aller Kampfverbände bis 2014 koordiniert.

Verzicht auf die SACEUR-Nachfolge

U.S. Marine Corps General John Allen sollte nach Ende seiner Dienstzeit in Afghanistan Nachfolger von US-Admiral James G. Stavridis als Supreme Allied Commander Europe (SACEUR) der NATO werden. Am 19. Februar meldeten die Nachrichtenagenturen, dass Allen auf den Posten als Oberbefehlshaber des Bündnisses verzichte und Präsident Obama darum gebeten habe, seinen Rücktritt aus dem militärischen Dienst zu akzeptieren. Als Grund nannte er den Gesundheitszustand seiner Frau.

Allen war in die Affäre um den früheren CIA-Chef David Petraeus verwickelt worden, der wegen einer außerehelichen Beziehung zu seiner Biografin Paula Broadwell zurückgetreten war. Eine Untersuchung des US-Verteidigungsministeriums hatte Allen Ende Januar jedoch von jedem Fehlverhalten freigesprochen. Präsident Obama nahm dessen Rücktrittswunsch an.

Wahrscheinlicher Kandidat für die Stavridis-Nachfolge ist nun der 57 Jahre alte General der U.S. Air Force Philip Breedlove. Der aus Forest Park, Georgia, stammende Breedlove ist seit Sommer 2012 Chef des US-Luftwaffenkommandos für Europa und Afrika im rheinland-pfälzischen Ramstein. Damir Fras, Korrespondent der Frankfurter Rundschau in Washington, berichtete dieser Tage: „Würde Breedlove neuer NATO-Oberbefehlshaber, könnte das mit einer Veränderung der militärischen Strategie in der Allianz einhergehen, wurde jetzt in US-Medien spekuliert. Das Ende des internationalen Kampfeinsatzes in Afghanistan sei absehbar, hieß es. Die NATO könnte sich demnach künftig mehr auf den Kampf gegen den Terrorismus in Nordafrika und auf der arabischen Halbinsel konzentrieren.“ Eine Bestätigung der Nominierung des Luftwaffengenerals durch die US-Regierung steht noch aus.

Kommandowechsel in Mazar-e Sharif

Seit dem 21. Februar hat auch das Regionalkommando Nord der ISAF einen neuen Kommandeur. US-Generalleutnant James L. Terry, Kommandeur des ISAF Joint Command, übergab in Mazar-e Sharif die Führung von Generalmajor Erich Pfeffer an Generalmajor Jörg Vollmer. Generalleutnant Rainer Glatz, Befehlshaber des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, übertrug bei dieser militärischen Zeremonie gleichzeitig den Oberbefehl über das deutsche ISAF-Kontingent an Pfeffers Nachfolger.

Pfeffer, zuvor Kommandeur der 13. Panzergrenadierdivision in Leipzig, hatte die Führung des Regionalkommandos Nord und der rund 4300 deutschen Soldaten des ISAF-Kontingents am 26. Februar vergangenen Jahres übernommen. Der 54 Jahre alte General war bereits 1999 Kommandeur des Einsatzverbandes SFOR und 2007 Kommandeur des Deutschen Einsatzkontingents bei KFOR gewesen.

Generalmajor Pfeffers persönliche Bilanz der vergangenen Monate in Nordafghanistan fällt positiv aus. Mit dem im Einsatz Erreichten sei er zufrieden und auch vorsichtig optimistisch für die weitere Entwicklung in diesem Landesteil. „Vor einem Jahr konnte ich mir nicht vorstellen, zwölf Monate später gemeinsam mit den afghanischen Sicherheitskräften eine Sicherheitslage zu erreichen, wie wir sie heute haben. Die Aufständischen haben ihre Bewegungsfreiheit so gut wie verloren und sind auf hinterhältige Anschläge in Form von Sprengfallen, Selbstmordanschlägen und Attentaten beschränkt. Bisher neutrale Teile der Bevölkerung haben sich entschieden, die afghanischen Sicherheitskräfte in ihrem Kampf gegen die Aufständischen zu unterstützen.“

Entscheidende Fortschritte in Nordafghanistan

Der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos würdigte „die Leistungen, den Mut und die Entschlossenheit, mit der General Pfeffer in den letzten zwölf Monaten wichtige Teilziele beim Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte in Nordafghanistan erreicht hat“. Die Qualität und Fähigkeiten der afghanischen Sicherheitskräfte im Verantwortungsbereich des Regionalkommandos Nord hätten sich im vergangenen Jahr sichtbar verändert und verbessert, erklärte Generalleutnant Glatz. „Die Übernahme der Sicherheitsverantwortung durch die afghanischen Partner haben Sie, Herr General Pfeffer, gemeinsam mit Ihren Soldatinnen und Soldaten überaus erfolgreich gestaltet und vorangetrieben. Ich danke Ihnen und allen Kameraden dafür von ganzem Herzen. Ihnen allen gilt mein persönlicher Respekt und meine Anerkennung.“

Generalmajor Vollmer, Kommandeur der Division Spezielle Operationen in Stadtallendorf, übernimmt das Kommando ebenfalls für rund ein Jahr. Für ihn ist es der zweite Einsatz als Kommandeur des Regionalkommandos Nord, das er bereits von Januar bis Oktober 2009 geführt hatte. Am Kommandowechsel im Regionalkommando Nord nahmen neben Bundeswehrangehörigen auch zahlreiche internationale und afghanische Gäste teil. Generalleutnant Sher Mohammad Karimi, Stabschef der afghanischen Armee, verlieh Pfeffer für seine Leistungen den „Order for Excellency“.


Zu unserer Bildkollektion:
1. Kommandowechsel im ISAF-Hauptquartier am 10. Februar.
(Foto: Joann Moravac/HQ ISAF)

2. Übergabe der Flagge von General Allen an General Dunford (links) durch Generalleutnant Hans-Lothar Domröse, Befehlshaber des Allied Joint Force Command der NATO.
(Foto: Joann Moravac/HQ ISAF

3. Der scheidende ISAF-Commander John R. Allen bei seiner Abschiedsrede.
(Foto: Michael O’Connor/U.S. Air Force)

4. Am 18. Februar besuchte der neue ISAF-Oberbefehlshaber, General Joseph F. Dunford, das PRT Kunduz. Die Aufnahme zeigt (von links) Generalmajor Pfeffer, US-General Dunford und Oberst Ullrich Spannuth, Kommandeur des Unterstützungsverbandes Kunduz.
(Foto: PrInfoZ EinsFüKdoBw)

5. Übergabe des Kommandos am 21. Februar im Camp Marmal, Mazar-e Sharif.
(Foto: PrInfoZ EinsFüKdoBw)

6. Generalmajor Erich Pfeffer wird mit dem afghanischen „Order for Excellency“ ausgezeichnet.
(Foto: PrInfoZ EinsFüKdoBw)

7. Der amtierende Supreme Allied Commander Europe, U.S. Navy Admiral James G. Stavridis, besuchte am 27. Februar den neuen Kommandeur des Regionalkommandos Nord, Generalmajor Jörg Vollmer, im Camp Marmal bei Mazar-e Sharif.
(Foto: RC North)


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