Berlin. „Es ist mehr als genug Geld im System“, sagt Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler. In diesem Jahr werden es über 615 Milliarden Euro sein, im Jahr 2017 bereits über 700 Milliarden. Aber nicht immer werden die Steuergelder sinn- und wirkungsvoll ausgegeben, allzu oft werden sie verschwendet. Den sorglosen, ja teilweise verantwortungslosen Umgang mit öffentlichen Mitteln dokumentiert der Steuerzahler-Bund alljährlich in seinem „Schwarzbuch“. Auch die 41. Edition dieser Fallsammlung zum Teil unbegreiflicher Steuergeldvernichtung, vorgestellt am 17. Oktober in Berlin, zeigt die große Bandbreite der „öffentlichen Verschwendung“. Die Bundeswehr schreibt im „Schwarzbuch 2013“ ebenfalls nachdenklich stimmende Kapitel.
Die Bandbreite der Fälle von Geldverschwendung ist groß, die der Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. (BdSt) in seinem Schwarzbuch für 2012 publik macht. Darunter sind so prominente Projekte wie der Bau des Flughafens Berlin-Brandenburg, der Neubau der BND-Zentrale, das neue OP-Zentrum der Düsseldorfer Uniklinik, die Museumserweiterung im Duisburger Innenhafen oder die Sanierung des Dortmunder U-Turms. Auch die Europäische Union (EU) wird heftig kritisiert: Die jährlichen Reisekosten zum zweiten EU-Sitz, dem Straßburger Parlament, schätzt der BdSt auf 44 Millionen Euro, die Verwaltungs- und Infrastrukturkosten auf weitere rund 52 Millionen Euro – verschwendete Steuergelder für „teure Symbolik“.
In seinem „Schwarzbuch 2013“ präsentiert der BdSt gut 100 Beispiele öffentlicher Steuergeldverschwendung. Präsident Holznagel erklärte am 17. Oktober vor der Presse: „Mit dem ,Schwarzbuch‘ sensibilisieren und mahnen wir. Wir nennen Ross und Reiter, sorgen für Transparenz, klären auf und stellen Zusammenhänge her. Wir sprechen Fehlentscheidungen und den unsachgemäßen Umgang mit Steuergeld an. Denn das schärfste Schwert im Kampf gegen die Verschwendung ist eine sensibilisierte und wachsame Öffentlichkeit.“
Die Bundeswehr hat Eingang ins diesjährige „Schwarzbuch“ gefunden durch zwei Rüstungsprojekte und einige Stationierungsentscheidungen im Rahmen ihrer Neuausrichtung. Ins Visier des BdSt geraten sind die Projekte „Medium Extended Air Defense System“ (kurz MEADS) und „Euro Hawk“.
Zum Stationierungskonzept, das Verteidigungsminister Thomas de Maizière am 26. Oktober 2011 im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr vorgestellt hat, schreibt der Bund der Steuerzahler in seinem „Schwarzbuch 2013“: „Das Stationierungskonzept sieht vor, dass 32 Bundeswehrstandorte geschlossen und 1,3 Milliarden Euro in Infrastrukturmaßnahmen investiert werden. Anhand der Kriterien Funktionalität, Kosten, Attraktivität und Flächenpräsenz wurden teilweise sinnvolle, teilweise aber auch fragwürdige Standortentscheidungen getroffen. So wurden zwischen 2009 und 2012 insgesamt 81 Millionen Euro in die Infrastruktur der zur Schließung vorgesehenen Kasernen investiert und weitere 37 Millionen Euro in deren IT.
Als eines der Negativbeispiele nennt der BdSt die Burgwaldkaserne im hessischen Frankenberg (Eder). Dazu aus dem aktuellen „Schwarzbuch“: „Am Standort für elektronische Kampfführung wurden in den vergangenen Jahren lediglich die wichtigsten Reparaturen notdürftig vorgenommen. Doch die Kaserne bleibt bestehen, obwohl sich ein Investitionsstau von fast 19 Millionen Euro gebildet hat. Begründet wird dies mit der räumlich günstigeren Lage zu den übrigen Organisationselementen der Einheit. Dagegen wird ebenfalls in Hessen eine erst kürzlich generalüberholte Liegenschaft geschlossen.“
Heftige Kritik äußert der BdSt auch an den Entscheidungen des Verteidigungsministeriums zu Rotenburg und Roth. Seit dem Jahr 2008 seien 24,4 Millionen Euro in die Modernisierung und in die Neubauten der Alheimer-Kaserne in Rotenburg an der Fulda investiert worden, schreibt der Steuerzahler-Bund. Die Kaserne werde jedoch bis 2017 aufgegeben.
Für die anschließende zivile Vermarktung des Kasernengeländes werden dann weitere Gelder der öffentlichen Hand notwendig sein, schätzt der BdSt.
Ein ähnlich skurriles Bild zeichne sich bei den Investitionen in die Otto-Lilienthal-Kaserne im bayerischen Roth ab, so die Vereinigung. Ihr „Schwarzbuch 2013“ erklärt dazu: „In Roth flossen seit 2008 rund 35,5 Millionen Euro in vorbereitende Infrastrukturmaßnahmen für den Kampfhubschrauber Tiger, bis 2011 entschieden wurde: Das dort stationierte Kampfhubschrauberregiment 26 wird aufgelöst. Zwar wird am Standort die Offiziersschule der Luftwaffe neu angesiedelt, doch die nagelneue Infrastruktur für die Hubschrauber wird nicht mehr benötigt. Das einzige verbleibende Kampfhubschrauberregiment Deutschlands bleibt weiter in der Georg-Friedrich-Kaserne im nordhessischen Fritzlar stationiert. Dort wurde ebenfalls bereits umfassend in die Infrastruktur für den Tiger investiert, allerdings werden weitere 57,5 Millionen Euro für den Ausbau und die Modernisierung der alten Kaserne fällig. Auch diese Entscheidung wird mit der günstigen geografischen Lage begründet.“
BdSt-Präsident Reiner Holznagel erklärte abschließend in Berlin: „Dies sind nur wenige Beispiele von fast 400 Standortentscheidungen der Bundeswehr. Ob dabei immer die Wirtschaftlichkeit genügend berücksichtigt wurde, muss aus Steuerzahlersicht bezweifelt werden.“
Abschließend noch ein Wort zum Bund der Steuerzahler Deutschlands selbst. Seine regelmäßig veröffentlichten „Schwarzbücher“ legen zwar immer wieder den Finger in heftige Wunden und sorgen für Schlagzeilen, sollten zugleich aber auch mit der nötigen Distanz gelesen werden.
In seinem Kommentar „Die da oben“, erschienen am 17. Oktober in der Neuen Osnabrücker Zeitung, meint dazu der Journalist Maik Nolte: „Die Bandbreite der im ,Schwarzbuch‘ des Bundes der Steuerzahler geführten Kritikpunkte ist groß. Es ist dem Verein anzurechnen, dass er Jahr für Jahr Verschwendungsfälle auflistet, auch wenn er manches Mal übers Ziel hinausschießt. Denn nicht alle eingestellten Infrastrukturprojekte taugen zu Aufregern … Aber von nüchterner Differenzierung ist das Büchlein ohnehin weit entfernt. Der Staat und seine Diener werden mal als unfähig, mal als unbeweglich und mal als schlicht unverschämt dargestellt. Das mag im Einzelfall auch zutreffen. Das unübersehbare Anliegen des Buches ist es aber, die Kluft zwischen Bürgern und Staat zu vertiefen und das ,Die da oben‘-Gefühl zu verstärken.“
Der BdSt, so der Kommentator weiter, sei ein gewichtiger Spieler auf der politischen Bühne und verfolge klar umrissene Ziele: weniger Steuern und weniger Staat. Die selbst auferlegte Wächterfunktion habe ihre Hintergründe. Nolte: „Das sollte bedenken, wer sich durch das unterhaltsame, aber auch reichlich plakative Werk blättert.“
Zu unserem Bildangebot:
1. Im aktuellen „Schwarzbuch 2013“ dokumentiert der Bund der Steuerzahler (BdSt) mehr als 100 Beispiele öffentlicher Steuergeldverschwendung. Auch die Bundeswehr beziehungsweise das Verteidigungsministerium geriet in der Kritik.
(Foto: BdSt)
2. Ausführlich befasst sich der BdSt in seinem Bericht für das Jahr 2012 auch mit Stationierungsentscheidungen im Rahmen der Neuausrichtung der Bundeswehr. Ein Thema ist die Alheimer-Kaserne in Rotenburg an der Fulda: In den vergangenen fünf Jahren wurden hier 24,4 Millionen Euro in die Modernisierung und in Neubauten investiert, obwohl die Kaserne bis 2017 aufgegeben werden soll.
(Foto: Hans J. Köster)
3. Der Fall „Alheimer-Kaserne“ war bereits im Jahr 2011 Gegenstand von lauter Kritik des Steuerzahler-Bundes. Die Aufnahme zeigt den damaligen BdSt-Präsidenten Karl Heinz Däke, seit Juni 2012 Ehrenpräsident der Vereinigung.
(Foto: BdSt)