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Pristina (Kosovo)/Brüssel (Belgien)/Berlin. Die NATO und KFOR werden auch weiterhin die Sicherheit im Kosovo garantieren und auf jeden Versuch, den dort bislang erzielten Fortschritt zu torpedieren, reagieren. Dieses Versprechen gab NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am 3. Juli im KFOR-Hauptquartier Camp „Film City“ in der kosovarischen Hauptstadt Pristina. Rasmussen besuchte hier die NATO-Truppen zusammen mit den Mitgliedern des Nordatlantikrates des Bündnisses. Weitere Botschafter der Truppen stellenden Staaten für KFOR begleiteten die Delegation. Im Mittelpunkt der Balkanreise stand die Entwicklung im Land seit Unterzeichnung eines Normalisierungsabkommens zwischen Serbien und Kosovo

Gastgeber der Brüsseler Besuchergruppe war Generalmajor Volker R. Halbauer, der am 7. September vergangenen Jahres für zwölf Monate das Kommando über KFOR übernommen hatte. Bei seiner Begegnung mit Kosovos Premierminister Hashim Thaci machte NATO-Generalsekretär Rasmussen einmal mehr die Position des Bündnisses deutlich. Er versicherte: „Wir werden eng mit den lokalen kosovarischen Institutionen, der Europäischen Union, den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen zusammenarbeiten, um dabei mitzuhelfen, ein stabiles, demokratisches, multi-ethnisches und friedvolles Kosovo zu schaffen.“

Durchbruch in der zehnten Gesprächsrunde

Am 19. April dieses Jahres hatten der serbische Regierungschef Ivica Dacic und Premier Thaci nach mühsamen Verhandlungen unter Vermittlung und Druck der EU in Brüssel eine „Erste Vereinbarung von Prinzipien zur Regelung der Normalisierung der Beziehungen“ unterzeichnet. Zu diesem, von vielen Beobachtern als „historisch“ bewerteten Durchbruch war es erst in der zehnten Runde der Gespräche zwischen Pristina und Belgrad gekommen. Erfolgreich moderiert hatte die Beauftragte der Europäischen Union für Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Lady Catherine Ashton.

Lohn für den erfolgreichen Verhandlungsabschluss

Bei der Vereinbarung geht es konkret um Minderheitenrechte für die Gemeinden im Norden des Kosovo, die mehrheitlich von Serben bewohnt werden. Die Einbindung des Nordens, in dem es immer wieder zu Spannungen zwischen der serbischen Bevölkerung und den albanisch geführten Regierungsstellen kommt, ist und bleibt auf absehbare Zeit die größte Herausforderung für den jungen Staat Kosovo, der am 17. Februar 2008 seine Unabhängigkeit ausgerufen und am 10. September 2012 seine volle Souveränität erlangt hatte.

Europas jüngster Staat wurde bislang von 99 Mitgliedsländern der Vereinten Nationen anerkannt. Serbien lehnt es weiterhin ab, die Unabhängigkeit des Kosovo zu akzeptieren, ebenso wie fünf EU-Länder (Griechenland, Rumänien, Slowakei, Spanien und Zypern). Darüber hinaus fehlt die Zustimmung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen für eine Mitgliedschaft in der Völkergemeinschaft, sie wurde bisher durch das Veto von China und Russland verhindert.

Die Unterzeichnung der Absichtserklärung am 19. April in der belgischen Hauptstadt war auch möglich geworden, weil die EU-Kommission Serbien und Kosovo für den erfolgreichen Abschluss ihres Dialoges belohnte. Am 22. April verabschiedete die Kommission zwei Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten: Die EU-Länder sollten die Verhandlungen über einen Beitritt Serbiens zur Europäischen Union aufnehmen und mit dem Kosovo über ein Stabilitäts- und Assoziierungsabkommen verhandeln.

Deutschland fordert eine „vollständige Normalisierung“

Am 26. Mai nun einigten sich beide Seiten auf einen Plan zur Implementierung des April-Abkommens. Allerdings soll dieser Plan von den Regierungen in Serbien und im Kosovo quasi im Schnellverfahren umgesetzt werden. Viele Diplomaten sind skeptisch, dass dies gelingen kann. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat inzwischen einen Rahmen vorgegeben, den sie auch gegenüber Brüssel vertritt. Erste Beitrittsverhandlungen der EU mit Serbien können erst dann im Januar 2014 stattfinden, wenn zuvor im Dezember Implementierungsfortschritte bestätigt wurden. „Vor dem Beitritt Serbiens zur Europäischen Union muss es zu einer vollständigen Normalisierung kommen“, hatte Merkel noch Ende Juni mit Blick auf den Norden des Kosovo gefordert. Offen hatte sie dabei gelassen, ob dies auch die Anerkennung der staatlichen Unabhängigkeit der jungen Republik beinhaltet. (Der Europäische Rat beschloss am 28. Juni, die entsprechenden Verhandlungen mit Serbien und Kosovo in die Wege zu leiten.)

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärte vor diesem Hintergrund bei seinem Besuch in Pristina: „Dies ist der Augenblick einer großartigen Chance für das Kosovo und die Region: Ich ermutige die politisch Verantwortlichen und alle Menschen, die hier leben, den Weg der Aussöhnung und des Dialoges weiter zu gehen. Wir wissen, dass dies der Weg zu dauerhafter Sicherheit und dauerhaftem Wohlstand ist.“

Bundeswehreinsatz ermöglicht politische Lösungen

Über die nun im April und Mai erzielten ersten Etappenerfolge bei der Normalisierung der serbisch-kosovarischen Beziehungen äußerte sich am 7. Juni auch Außenminister Guido Westerwelle. Er sprach im Deutschen Bundestag im Hinblick auf die anstehende Verlängerung des KFOR-Einsatzes der Bundeswehr. Die NATO-geführte Operation KFOR, an der sich Deutschland seit nunmehr 14 Jahren beteiligt, habe Entscheidendes geleistet, sagte Westerwelle. Das militärische Engagement der Bundeswehr habe sich bewährt und eine politische Lösung des Ausgleichs und der Annäherung ermöglicht. Letzten Endes werde es eine langfristige Perspektive für Frieden und Stabilität auf dem westlichen Balkan nur durch eine entsprechende politische Entwicklung geben; aber die Angehörigen der Bundeswehr, das internationale Engagement im Rahmen der Operation KFOR, habe Entscheidendes geleistet.

Zur aktuellen Situation merkte der Außenminister an: „Über viele und oft sehr unruhige Jahre hinweg war KFOR das Rückgrat der Sicherheitspräsenz in Kosovo. Inzwischen ist die Lage im Kosovo insgesamt grundsätzlich ruhig und stabil. Im Norden musste KFOR allerdings auch im vergangenen Jahr mehrfach aktiv werden. Ich will ausdrücklich sagen: Zwischenfälle bleiben weiter möglich; denn wir wissen, dass es sich dort zum Teil auch um organisierte Kriminalität handelt. Es gibt eine Form von Radikalität, der wir gewahr sein müssen. Deswegen ist es wichtig, dass wir weiter wachsam bleiben.“

Weiterhin ein hohes Eskalationspotenzial

Eine ähnliche Lagebeurteilung traf Verteidigungsminister Thomas de Maizière, ebenfalls am 7. Juni im Bundestag. Die Lage in der Republik Kosovo sei zwar „grundsätzlich ruhig und stabil“; allerdings bleibe das Eskalationspotenzial nach wie vor erheblich, besonders im Norden. „Die jüngsten Meldungen zeigen: Längst nicht alle Kosovoserben im Norden sind davon überzeugt, dass die von Belgrad und Pristina beabsichtigte Normalisierung auch ihnen neue Perspektiven bietet. Wir müssen daher weiterhin auf Unruhen vorbereitet sein. Wir haben zwar die operative Reserve im Dezember 2012 zurückziehen können; aber während die Bewegungsfreiheit der KFOR wiederhergestellt ist, gilt dies für die Polizei- und Rechtsstaatsmission EULEX nicht uneingeschränkt“, erklärte de Maizière weiter.

Die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte im Rahmen der NATO an dieser internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo sei deshalb auch unverändert notwendig, schlussfolgerte der Verteidigungsminister. Die deutschen Kräfte würden gebraucht. Die internationale Truppenpräsenz KFOR sei so lange erforderlich, bis die Sicherheitsorgane Kosovos, unterstützt durch EULEX, die Sicherheit aller Bevölkerungsgruppen in ganz Kosovo gewährleisten könnten.

Deutsche Soldaten genießen hohes Ansehen in der Region

Rund 100.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten haben seit Beginn des Kosovoeinsatzes in diesem Teil des Balkans ihren Dienst geleistet. Bereits 13 Mal hat das Parlament das KFOR-Mandat der Bundeswehr verlängert. Die SPD-Abgeordnete und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, Susanne Kastner, sagte am 13. Juni vor der namentlichen Abstimmung zur Verlängerung des Bundeswehrengagements im Kosovo: „Jedermann und jede Frau von uns weiß, dass die deutsche Beteiligung am KFOR-Einsatz der NATO ein Erfolg ist. Unsere Soldatinnen und Soldaten leisten dort seit vielen Jahren eine hervorragende Arbeit und genießen ein hohes Ansehen und Vertrauen in der Region.“

Fakt sei allerdings auch, so Kastner weiter, dass der Einsatz keine Dauerlösung sein dürfe. „Das erste KFOR-Mandat der Bundeswehr haben wir schließlich bereits im Jahre 1999 verabschiedet. Auch heute, fast auf den Tag genau 14 Jahre später, ist der Auftrag leider noch nicht abgeschlossen. Kaum einer hätte damals gedacht, dass sich die Bundeswehr im Kosovo so lange engagieren würde.“ Ziel müsse es sein, die Truppenstärke kontinuierlich zurückzufahren, um ein deutliches Zeichen zu setzen, dass der KFOR-Einsatz eben keine Selbstverständlichkeit sei.

Derzeit beteiligen sich 31 Nationen an KFOR mit einer Gesamtstärke von rund 5000 Soldaten, davon 735 Bundeswehrangehörige. Bei der Bundestagsabstimmung am 13. Juni sprachen sich 495 von 553 Abgeordneten für eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Kosovo aus, 50 stimmten dagegen, es gab acht Enthaltungen. Das Mandat mit bis zu 1850 deutschen Soldaten gilt bis zum 11. Juni 2014.

Strategische Entscheidung der Belgrader Regierung

Außenminister Westerwelle hatte im Vorfeld der Parlamentsentscheidung am 7. Juni folgende Prognose gewagt: „Ich habe persönlich den Eindruck gewonnen, dass Belgrad und Pristina die Einigung wollen. Trotz aller gebotenen Vorsicht kann man sagen, dass die politische Führung in Belgrad eine strategische Entscheidung getroffen hat – sie will die Beziehungen zu Kosovo normalisieren. In dieser entscheidenden Weichenstellung wollen wir sie bestärken.“

Ob dabei jedoch das Haupthindernis, die strikte Ablehnung des Normalisierungsabkommens durch die serbische Minderheit im Kosovo, überhaupt überwunden werden kann, bleibt mehr als fraglich. Jetzt Anfang Juli erklärten sich die Serben im Kosovo für selbstständig und deklarierten Belgrad als ihre Hauptstadt. Die für November vorgesehene Kommunalwahl wollen sie boykottieren, Integration lehnen sie rundweg ab. Wie soll „Normalisierung“ da überhaupt noch funktionieren?


Zu unserem Bildangebot:

1. Feldjäger der Bundeswehr am Grenzübergang „Gate 1“ im Nordkosovo. Hier war es im Jahr 2011 zu Übergriffen auf die KFOR-Kräfte gekommen, die mit der Räumung von Blockaden und Hindernissen im Bereich des Übergangs beauftragt worden waren. Die Aufnahme entstand im September 2012.
(Foto: Michael Müller/IMZBw-Bildarchiv)

2. Am 3. Juli 2013 besuchte eine NATO-Delegation, an der Spitze Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, das KFOR-Hauptquartier in der kosovarischen Hauptstadt Pristina. Generalmajor Volker R. Halbauer, im Bildvordergrund mit Rasmussen, empfing die Besuchergruppe aus Brüssel.
(Foto: NATO)

3. Mitglieder der NATO-Delegation im KFOR-Hauptquartier Camp „Film City“ in Pristina.
(Foto: NATO)

4. „Gemeinsam voran“ – unter diesem Motto fand in Pristina auch die Pressekonferenz des NATO-Generalsekretärs mit Kosovos Premierminister Hashim Thaci, im Bild rechts, statt.
(Foto: NATO)


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