Berlin. „Weiß ist das Schiff, das wir lieben, weiß seine Segel, die sich bläh’n. Stets hat der Wunsch uns getrieben, hoch vom Mast, weit auf die See hinauszuseh’n“ – am 18. Mai gegen 9.40 Uhr kehrte das Segelschulschiff „Gorch Fock“ nach 172 Tagen von der 160. Auslandsausbildungsreise in seinen Heimathafen Kiel zurück. Die zwei Schlepper „Nordstrand“ und „Holtenau“ brachten den Dreimaster im Marinestützpunkt Tirpitzhafen sicher an die Mole. Musikalisch begleitet wurde das Einlaufen vom Marinemusikkorps Ostsee. 195 Offizieranwärter der Crew VII/2012 hatten bei der langen Reise ihre seemännische Basisausbildung absolviert.
Die „Gorch Fock“ hatte unter dem Kommando von Kapitän zur See Helge Risch Kiel am 27. November 2012 verlassen und Kurs auf die Kanarischen Inseln genommen. Dort verbrachten Schiff und Stammbesatzung die Weihnachtstage und den Jahreswechsel. Im Anschluss daran wurden auf Gran Canaria 96 Kadetten eingeschifft. Mit diesen Anwärtern führte die erste Reiseetappe der Bark über den Hafen von Horta auf den Azoren (Portugal) in die portugiesische Hauptstadt Lissabon. Die 130 Mann starke Stammbesatzung und die 99 Kadetten des zweiten Törns segelten anschließend weiter von Lissabon über Funchal auf der Insel Madeira (Portugal) bis nach London.
Mit der Ausschiffung der Offizieranwärter in der britischen Hauptstadt endete der eigentliche Ausbildungstörn. Für die Stammbesatzung stand zum Schluss noch die Teilnahme am 824. Hafengeburtstag der Freien und Hansestadt Hamburg auf dem Programm.
Die „Gorch Fock“ hatte vor dieser Ausbildungsfahrt eine rund zweijährige Zwangspause einlegen müssen. Tödliche Unfälle, ein langer Werftaufenthalt für die Beseitigung massiver Rostschäden, heftige politische Debatten und eine stürmische Medienberichterstattung hatten dem Traditionsschiff der deutschen Marine schwer zugesetzt.
Nach einem tragischen Unglücksfall am 7. November 2010 während des Hafenaufenthaltes in Salvador de Bahia (Brasilien) hatte das Flottenkommando die Offiziersausbildung auf dem deutschen Segelschulschiff für viele Monate ausgesetzt. Bei dem Hafenaufenthalt in der brasilianischen Küstenstadt war Obermaat (OA) Sarah Lena Seele während der Segelvorausbildung aus der Takelage der Dreimastbark gestürzt. Die 25-jährige Offizieranwärterin erlag ihren schweren Verletzungen in einer Klinik der Hafenstadt.
Bei diesem Unfall handelte es sich um den insgesamt sechsten tödlichen Zwischenfall an Bord der „Gorch Fock“. Vor der Tragödie in Salvador de Bahia war in der Nacht zum 4. September 2008 die 18-jährige Sanitätsoffiziersanwärterin Jenny Böken während ihrer Wache vor Norderney von Bord in die Nordsee gestürzt. Trotz einer umfangreichen Suchaktion konnte die Soldatin elf Tage später nur noch tot nordwestlich von Helgoland geborgen werden.
In der Zeit, in der die Ausbildung auf dem Marineschiff ausgesetzt und das gesamte Ausbildungskonzept überprüft wurde, entwickelte eine kleine Gruppe von Schiffsoffizieren und Bootsmännern ein neues Sicherheitskonzept für die „Gorch Fock“. Johannes Leithäuser berichtete darüber in seinem Beitrag „Das Schiff, das wir lieben“ im Mai in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er schreibt dort: „Sie überprüften zusammen mit dem Germanischen Lloyd – einer Art Schiffs-TÜV – die Takelage, identifizierten Gefahrenstellen, holten Ratschläge ein von einem Prüfinstitut im Ruhrgebiet und einem Arbeitsmediziner in Aachen mit dem Spezialgebiet ,Bergsteigerunfälle‘ – also Abstürze.“
Heute hängen an den kritischen Stellen in der Takelage rote Sicherungsseile, an die sich alle Besatzungsmitglieder beim Aufentern einhaken müssen. Leithäuser berichtet: „Alle Besatzungsmitglieder und Anwärter, die im Mast und auf den Rahen arbeiten, tragen neue, verbesserte ,Toppsgurte‘, Sicherheitsgeschirre mit Spannleinen und Karabinerhaken. Die Lebensleine, die bei einem Ausrutschen oder Abgleiten den Absturz verhindern soll, ist außerdem mit einem ,Bandfalldämpfer‘ ausgerüstet, einem Sicherheitsband, das einen harten Sturz in einen Zeitlupenfall verwandeln soll.“
Helge Risch, seit August 2012 Kommandant des Herzstücks der deutschen Marine, sagte dem Sender Phoenix vor Kurzem: „Verbesserungen hat es sowohl bei der Ausrüstung des Schiffes als auch bei der Ausbildung von Kadetten und Ausbildern gegeben. Wesentlich ist aber, dass sich die Vorbereitung unserer Kadetten verändert hat. Sie werden erheblich besser auf die Ausbildung auf der ,Gorch Fock‘ vorbereitet. Und auch die Vorbereitung der Ausbilder hat sich verändert. Wir machen ausbilderpsychologische Schulungen, wie man Stress und Überforderung erkennt.“ Absolute Sicherheit an Bord des Schiffes könne es nicht geben, meint Kapitän zur See Risch. Aber man habe zumindest alles Menschenmögliche getan, um Unfälle, wie geschehen, in der Zukunft zu vermeiden. „Heute haben wir ein insgesamt rundes und stimmiges Gesamtpaket“ für unsere Ausbildung, so der Kommandant. Seine Idee war es auch, das gute alte „Gorch-Fock“-Lied von Hans Freiherr von Stackelberg wieder an Bord erklingen zu lassen. Nicht immer, aber immer öfter: „Weiß ist das Schiff, das wir lieben, weiß seine Segel, die sich bläh’n. Stets hat der Wunsch uns getrieben, hoch vom Mast, weit auf die See hinauszuseh’n.“
Die Sanitätsoffiziersanwärterin Jenny Böken starb in der Nacht vom 3. auf den 4. September 2008 bei einer Fahrt des Segelschulschiffs „Gorch Fock“. Jennys Mutter, Marlis Böken, gründete mit prominenter Unterstützung aus dem Deutschen Bundestag, dem Schleswig-Holsteinischen Landtag, der Bundeswehr sowie der deutschen Marine die „Jenny-Böken-Stiftung“ und übernahm den Vorstandsvorsitz. Ziel der Stiftung ist es, verunglückten Bundeswehrangehörigen und deren Hinterbliebenen unkompliziert und schnell mit Rat und Tat sowie finanziell zu helfen (www.jenny-boeken-stiftung.de).
Die Bilder zu diesem Beitrag zeigen:
1. das Ruder des Segelschulschiffs „Gorch Fock“ der deutschen Marine und…
(Foto: Björn Wilke/PrInfoZ Marine)
2. …die „Gorch Fock“ unter vollen Segeln in Fahrt.
(Foto: Kerstin Niebuhr/PrInfoZ Marine)