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Düsseldorf. In Deutschland wächst die Gefahr islamistischer Anschläge. Davor warnte jetzt der Kommandeur der GSG 9 der Bundespolizei, Olaf Lindner. Er äußerte sich in einem Interview mit der in Düsseldorf erscheinenden Rheinischen Post, das am 11. Februar veröffentlicht wurde.

„Der Islamismus nimmt die Innere Sicherheit Deutschlands zunehmend in Anspruch. Mit Angriffen sowohl im Inland als auch im Ausland ist jederzeit zu rechnen. Al-Qaida und deren Splitterungen, aber auch der Salafismus sind eine stetige Gefahr“, sagte der Chef der Spezialtruppe. „Dadurch entsteht leider ein großes Einsatzspektrum für uns. Aber wir sind vorbereitet.“

Die internationale Zusammenarbeit werde durch das global agierende Terrornetzwerk immer wichtiger. Deshalb führten europäische Spezialverbände in diesem Jahr eine gemeinsame Großübung durch. „Es geht dabei um die Reaktion auf gleichzeitige große Terrorangriffe auf Gebäude, Flugzeuge, Züge und Busse mit vielen Geiseln.“ Solche Szenarien könnten mit rein nationalen Mitteln nicht bewältigt werden, erläuterte Lindner. „Wir haben es heute überwiegend mit einem nationenübergreifenden Kriminalitätsphänomen zu tun. Ob Terrorismus oder Organisierte Kriminalität – alles wird internationaler und übergreifender. Vor diesem Hintergrund ist es von ganz besonderer Bedeutung, dass wir mit unseren Pendants auch auf internationaler Ebene die Zusammenarbeit verstärken.“

Das Netzwerk der Spezialisten

Die GSG 9 ist Mitglied im Sondereinheitenverbund ATLAS. Der Verbund der europäischen Polizei-Sondereinheiten war nach den Anschlägen vom 11. September 2001 durch den Europäischen Rat für Justiz und Inneres initiiert und mit Beschluss des Rates der Europäischen Union (EU) vom 23. September 2008 gegründet worden.

Derzeit sind 36 Einheiten aus allen EU-Mitgliedstaaten Teil des ATLAS-Netzwerkes. Gemeinsames Ziel ist es, durch Erfahrungsaustausch, Workshops, Einsatzübungen und Forschungsprojekte einen möglichst hohen Standard in der operativen Terrorbekämpfung zu gewährleisten und Lösungen für die verschiedenen neuen Bedrohungsformen des Terrorismus zu erarbeiten. Die Arbeit erfolgt in fünf Arbeitsgruppen aufgrund der Vorgaben der Kommandanten der Sondereinheiten, die sich zweimal jährlich im Rahmen des ATLAS-Forums treffen.

Deutsche Salafisten-Kolonie am Nil

Vor dem islamistischen Terrorismus hatte vor kurzem auch Hans-Georg Maaßen, seit August 2012 Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, gewarnt. Aufmerksam beobachten die Sicherheitsbehörden seit ein paar Monaten die Ausreise (teilweise auch Flucht) deutscher Salafisten nach Ägypten. Rund 60 Personen aus der Salafisten-Szene haben im vergangenen Jahr Deutschland in Richtung Kairo verlassen. In einem Beitrag für die Tageszeitung Die Welt schreibt der Journalist Florian Flade über die „deutsche Salafisten-Kolonie“ in Ägypten: „Es gibt Erkenntnisse der Sicherheitsorgane, wonach deutsche Salafisten von Ägypten aus in Richtung Somalia, Libyen, Syrien, des Jemen und Mali weitergereist sind.“ Das Land drohe, so zitiert Flade Verfassungsschutzpräsident Maaßen, zu einer „Drehscheibe für Terroristen“ zu werden.

Von einem der aus Deutschland ausgewanderten Salafisten soll auch das Droh-Video stammen, das Anfang Februar im Internet zu direktem Terror in der Bundesrepublik aufrief. In dem Machwerk droht ein „Abu Azzam der Deutsche“ mit Anschlägen auf den Reichstag und fordert den Tod von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Zwischen Religionsausübung und Radikalität

Am 25. und 26. Januar veranstaltete das Institut für Islamische Theologie (IIT) an der Universität Osnabrück eine Fachtagung zum Thema „Salafismus“. An der ausgebuchten Veranstaltung beteiligten sich Religionswissenschaftler, Vertreter islamischer Verbände und weitere Experten. Im Kern ging es dabei um ein Phänomen, wie die Organisatoren erklärten: um die Suche der Salafisten in Deutschland nach vermeintlich authentischer Religionsausübung oder ihre Entscheidung für eine extreme Radikalität.

Nach Angaben des Bundesverfassungsschutzes ist die Zahl der Salafisten in den Jahren 2011 und 2012 bundesweit von 3800 auf 4500 gestiegen. Unter den 4,2 Millionen Muslimen in Deutschland sind die Salafisten eine fundamentalistische Randgruppe. Allerdings seien die meisten Salafisten keine Terroristen, sondern politische Gläubige, differenziert beispielsweise der Verfassungsschutz des Landes Niedersachsen. Jedoch schreibt er auch: „Andererseits sind fast alle in Deutschland bisher identifizierten terroristischen Netzwerkstrukturen und Einzelpersonen salafistisch geprägt.“

Auch Professor Bülent Ucar vom Osnabrücker IIT warnt vor Pauschalurteilen. „Die gewaltbereiten Dschihadisten sind eine Minderheit in der Minderheit. Von den 4500 Salafisten ist vielleicht der geringste Teil gewaltbereit. Aber jeder Vorfall ist ein Fall zu viel und würde das gesellschaftliche Klima vergiften.“ So wie der Bombenalarm auf dem Bonner Hauptbahnhof kurz vor Weihnachten, der Ermittlungen gegen die Salafisten-Szene ausgelöst hatte…


Hintergrund                                                  

Der Salafismus gilt als die zurzeit dynamischste islamistische Bewegung. Unter dem Begriff „Salafismus“ versteht man eine islamistische Ideologie, die sich an den Vorstellungen der ersten Muslime und der islamischen Frühzeit orientiert. Salafisten geben vor, ihre religiöse Praxis und Lebensführung ausschließlich an den Prinzipien des Koran und dem Vorbild des Propheten Muhammad und der frühen Muslime – der „rechtschaffenen Altvorderen“ – auszurichten.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz beschreibt das Ziel der Salafisten: „Ziel ist die vollständige Umgestaltung von Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach einem salafistischen Regelwerk, das als ,gottgewollte‘ Ordnung angesehen wird. In letzter Konsequenz soll ein islamischer ,Gottesstaat‘ errichtet werden, in dem wesentliche, in Deutschland garantierte Grundrechte und Verfassungspositionen keine Geltung haben sollen.“
Salafistische Bestrebungen unterteilen sich in eine politische und eine dschihadistische Strömung. Vertreter des politischen Salafismus stützen sich auf intensive Propagandatätigkeit. Anhänger des dschihadistischen Salafismus glauben, ihre Ziele durch Gewaltanwendung realisieren zu können. Die Mehrzahl der salafistischen Einrichtungen in Deutschland ist dem Phänomenbereich des politischen Salafismus zuzuordnen.


Das Bildangebot:
1. Gewalttätige Salafisten attackieren deutsche Sicherheitskräfte.
(Foto: amk)

2. GSG 9-Kommandeur Olaf Lindner in einem Dokumentarbeitrag des WDR
(Foto: amk)


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