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Sevilla (Spanien)/Orléans (Frankreich)/Berlin. Airbus Military hat am 1. August offiziell das erste Transportflugzeug A400M an die französische Luftwaffe ausgeliefert. Diese Maschine mit der Seriennummer MSN07 wurde einen Tag später auf dem Militärflugplatz der französischen Luftstreitkräfte in Orléans-Bricy stationiert. Die Bundeswehr soll ihren ersten viermotorigen strategischen Transporter nach Auskunft des Verteidigungsministeriums im November 2014 erhalten. Dies bezweifelt das Nachrichtenmagazin Der Spiegel. In Ausgabe 30/2013 vom 22. Juli warnt Autor Gerald Traufetter mit Seitenblick auf die politischen Turbulenzen um den Euro Hawk vor einem weiteren „Pannenprojekt“. In seinem Beitrag „Flugzeug ohne Flügel“ behauptet der Wissenschaftsredakteur des Spiegel: „Der Bundeswehr gelingt es nicht, die rechtlichen Voraussetzungen für die militärische Zulassung der A400M zu schaffen.“ Dazu gleich mehr, zunächst zurück zur ersten „A400M Atlas“ der französischen Luftwaffe …

Die am 1. August gelieferte A400M wird vor ihrer Eingliederung in die Transportflotte der französischen Luftwaffe zunächst für die weitere Ausbildung der Atlas-Besatzungen eingesetzt. Die offizielle Übergabefeier soll, so Airbus Military, nach der Sommerpause am Standort der Endmontagelinie im spanischen Sevilla stattfinden. Nach mehr als 5000 Flugerprobungsstunden markiert die Auslieferung einen Höhepunkt der zehnjährigen Entwicklungsphase bei Airbus Military. Rund 40.000 Menschen sind in die Arbeiten für dieses große europäische Verteidigungsprogramm eingebunden.

Domingo Ureña-Raso, Vorstandsvorsitzender von Airbus Military, war am Donnerstag bei der Auslieferung der MSN07 fast schon ein wenig euphorisch, als er erklärte: „Der heutige Tag ist von historischer Bedeutung für die europäische Luftfahrtindustrie, die nunmehr mit diesem völlig neuen Flugzeug die globale Marktführerschaft im militärischen Lufttransportsektor übernehmen wird.“

EASA erteilte volle zivile Musterzulassung

Die Auslieferung des ersten A400M-Exemplars erfolgte mit einer Verspätung von mehreren Jahren. Die Entwicklung des Transportflugzeugs selber hatte bereits in den 1980er-Jahren begonnen. Vertraglich war das Projekt im Mai 2003 mit der Abnahmeverpflichtung von 180 Flugzeugen gestartet worden. Nach dem Rollout der ersten Maschine im Juni 2008 hatte sich der Erstflug bis Ende 2009 wegen Problemen bei der Triebwerksabstimmung und -steuerung verzögert. Gleichzeitig waren die Projektkosten auf etwa 25 Milliarden Euro gestiegen.

Am 13. März dieses Jahres konnte die A400M einen weiteren Meilenstein auf ihrem Weg hin zur Erstauslieferung passieren. An diesem Mittwoch hatte Airbus Military von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (European Aviation Safety Agency, EASA) die volle zivile Musterzulassung – Type Certification, TC – erhalten. Damit war und ist die A400M das erste große Militärtransportflugzeug weltweit, das von Anfang an nach zivilen Standards entwickelt und zertifiziert worden ist.

OCCAR-Nachweis der militärischen Grundfähigkeit

Die für die Erstauslieferung erforderliche militärische Zulassung und Qualifizierung – Initial Operating Clearance, IOC – wurde am 31. Juli erteilt. Die Zuerkennung dieses vertraglich vereinbarten militärischen Standards erfolgte durch die Organisation für gemeinsame Rüstungszusammenarbeit (OCCAR), die das Zertifikat im Namen der Erstkundennationen (Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, Spanien und Türkei) ausstellt.

Die IOC-Zuerkennung war der letzte Schritt vor der Zulassung des ersten Serienproduktionsflugzeugs MSN07 durch die französische Beschaffungsbehörde DGA (Direction Générale de l’Armement) und die danach folgende Auslieferung der Maschine an die französischen Luftstreitkräfte.

Die gemeinsame Grundlage für die militärische Zertifizierung war am 19. Juli auf Empfehlung des aus Vertretern der sieben Erstkundennationen bestehenden Certification and Qualification Committee (CQC) gebilligt worden. Dementsprechend hatte die DGA am 24. Juli Airbus Military auch die französische militärische Musterzulassung für die A400M erteilt.

Ein fehlerhafter Kaufvertrag mit weitreichenden Folgen?

Während in Frankreich das völlig neue, „speziell für den Bedarf weltweiter Streitkräfte im 21. Jahrhundert konzipierte Militärtransportflugzeug“ (so der Pressetext von Airbus Military) sicher gelandet ist und nun dem Nutzer zur Verfügung steht, droht Verteidigungsminister Thomas de Maizière neuer Ärger. So zumindest prognostizierte es der Spiegel in Print und online am 21. und 22. Juli.

Dem Nachrichtenmagazin zufolge (Onlinebeitrag „De Maizières nächstes Pannenprojekt“) „kämpft das Verteidigungsministerium mit erheblichen Problemen bei der Zulassung des Transportflugzeuges A400M“. Grund dafür seien offenbar „Fehler im Kaufvertrag für den Truppentransporter“, der 2003 von der rot-grünen Bundesregierung abgeschlossen wurde. Die regionalen und überregionalen Medien griffen eine entsprechende Meldung der Nachrichtenagentur dpa, die auf den Spiegel-Onlinebeitrag abstellte, auf. Quer durch die Republik – ob Borkener Zeitung, Märkische Oderzeitung, Berliner Zeitung, Kölner Stadt-Anzeiger, Stuttgarter Nachrichten, Augsburger Allgemeine, Abendzeitung München oder Passauer Neue Presse – wurde medial das nächste Rüstungsdebakel heraufbeschworen. Auch „Dickschiffe“ wie Bild, Stern, Focus, Zeit, Welt oder Süddeutsche schlugen Alarm.

Eine einsame Stimme spricht für die „Luftverkehrsrechtler“

Den Alarmzustand hatte der Spiegel-Onlineartikel bereits mit folgenden Kernsätzen eingeläutet: Das 2003 von der Regierung mit Airbus Military vereinbarte neue, europäische Zulassungsverfahren für den Militärflieger sei mit den Bundeswehrvorschriften kaum vereinbar. Um den damaligen Fehler zu korrigieren, plane de Maizière nun zunächst die Schaffung einer „virtuellen Luftfahrtbehörde“ für die militärische Zulassung und den Betrieb des Transportflugzeugs, am Ende solle eine neue Behörde mit – wie der Spiegel schreibt – „400 zum Teil hochbezahlten Beamten“ entstehen. Weil die Einrichtung der neuen Zulassungsbehörde allerdings nicht schnell genug vorangehe, versuche sich das Verteidigungsministerium deshalb mit einem Notkonstrukt zu behelfen – es sei geplant, die notwendigen Prüfungen für die Muster- und Stückzulassung an die spanische „Generaldirektion für Rüstung und Material“ mit Sitz in Madrid zu delegieren.

„Luftverkehrsrechtler“ hielten die mögliche Zusammenarbeit mit der Dirección General de Armamento y Material (DGAM) jedoch für bedenklich, behauptet der Spiegel in seinem Onlinebeitrag. Leider begibt sich das Magazin mit seinem Hinweis auf eine „Expertenrunde“ zumindest in diesem Punkt auf dünnes Eis. Denn zu zitieren vermag der Autor von „De Maizières nächstes Pannenprojekt“ lediglich einen Vertreter der ins Feld geführten Berufsgruppe, Hans-Joachim Ahnert.

Ahnert, der 22 Jahre lang Vertragsanwalt des Deutschen Bundeswehr-Verbandes in Bonn gewesen war, arbeitet heute in einer Düsseldorfer Kanzlei mit Schwerpunkt „Soldaten- und Militärrecht“ und fungiert als Justiziar des Forums Militärische Luftfahrt. 2005 hatte er, so berichtete der Spiegel damals, seine Kandidatur für das Amt des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages angekündigt (SPD und Union hatten dem Wehrrechtsexperten in jenen Tagen keinerlei Chancen auf das Amt eingeräumt, der damalige SPD-Fraktionsvize Gernot Erler gar von einer „unrealistischen Option“ gesprochen; zum Wehrbeauftragten wurde am 14. April 2005 der Sozialdemokrat Reinhold Robbe gewählt). Ahnert in allen Ehren – doch man darf vom Spiegel mehr und auch gewichtigere Stimmen zum A400M-Thema erwarten. Auch im Sommerloch …

Ministerium erhielt kaum Zeit für eine Gegendarstellung

Fortissimo spielt auch Gerald Traufetter auf der Klaviatur seines Spiegel-Printbeitrages „Flugzeug ohne Flügel“. Der Bundeswehr gelinge es nicht, die rechtlichen Voraussetzungen für die Zulassung der A400M zu schaffen, heißt es da. Oder: Bei der „Truppe herrscht Chaos – kein Prüfer, kein rechtlich abgesichertes Konzept, wie das Projekt zu zertifizieren sei“. Und auch diesmal spricht Ahnert über den Versuch, die spanische Behörde zu „auditieren“ und formuliert – wie passend –gleich die entsprechende Zwischenüberschrift für den Artikel mit: „Diese abenteuerliche Konstruktion bringt die Prüfer in rechtlich große Gefahr“.

Das Verteidigungsministerium, das Traufetters „Flugzeug ohne Flügel“ vor dem Erscheinen einsehen konnte, reagierte am 21. Juli mit einer Sprechererklärung. Eine zeitgerechte Auslieferung der „deutschen“ A400M gemäß Vertragsänderung von 2010 (Deutschland reduzierte vor dem Hintergrund der Haushaltskonsolidierung und der Neuausrichtung der Bundeswehr seine A400M-Bestellung von 60 auf 40 Maschinen) sei derzeit sichergestellt, verspricht das Ministerium. Hingewiesen wird in der Erklärung auch noch einmal darauf, dass die zivile Musterzulassung des Basisluftfahrzeuges durch die EASA bereits im März 2013 abgeschlossen worden sei und gemäß der vertraglichen Vereinbarungen die militärischen Komponenten zunächst durch die Certification Qualification Organisation (CQO) geprüft würden.

Zur CQO führt das Ministerium aus: „Dieser Organisation gehören alle A400M-Partnernationen an und (CQO) wurde für Deutschland durch Vertreter der Musterprüfstelle für Luftfahrzeuge der Wehrtechnische Dienststelle 61 wahrgenommen beziehungsweise zeitweise turnusgemäß geführt. Ihr Ziel ist die Harmonisierung der nationalen, teilweise unterschiedlichen militärischen Musterzulassungsverfahren.“

Anschließend erfolge auf dieser Basis die nationale deutsche militärische Musterzulassung durch den Leiter des Musterprüfwesens für Luftfahrtgerät der Bundeswehr (Wehrtechnische Dienststelle 61), erklärt das Ministerium weiter. Das Verfahren zur Erteilung der nationalen militärischen Musterzulassung für die „deutschen“ A400M sei bereits weitestgehend festgelegt.

Ob diese amtlichen Auskünfte die Spiegel-Autoren nun zu weiteren Recherchen und Überlegungen veranlassen werden, darf bezweifelt werden. Mühe gemacht haben sich die Verantwortlichen bei der Bundeswehr jedenfalls auch mit einem 22 Punkte umfassenden Fragenkatalog des Nachrichtenmagazins Spiegel vom 18. Juli zum Projekt A400M. Augenfällig dabei ist nur, wie wenig Zeit das Verteidigungsministerium zur Beantwortung der Fragen hatte (laut Ministerium erhielt der Spiegel die entsprechenden Informationen und Antworten am 19. Juli, am 21. Juli erschien der Spiegel-Onlinebeitrag, am Sonntag wartete bereits die frisch gedruckte Spiegel-Ausgabe 30/2013 mit Traufetters Beitrag „Flugzeug ohne Flügel“ auf die Auslieferung für den Montagsverkauf am 22. Juli).

Die Weisheit der Gefühle und der journalistische Alltag

„Flugzeug ohne Flügel“-Autor Gerald Traufetter ist seit 2000 als Wissenschaftsredakteur beim Spiegel. Er ist Autor eines „geschmeidigen Sachbuches“ (so Arno Orzessek in einer Besprechung für den Sender Deutschlandradio), das sich mit dem Thema „Intuition“ befasst. Traufetter empfiehlt in der 2007 im Rowohlt Verlag erschienenen Publikation „Intuition: die Weisheit der Gefühle“: „Mit dem Verstand intuitiv zu entscheiden“. Denn, so sein Eingangsstatement: „Pure Vernunft wird niemals siegen.“

Man darf besorgt fragen, ob der Spiegel-Mitarbeiter seinen A400M-Artikel stets „allein auf bewusster Informationsabwägung“ schöpfte, oder ob nicht doch mitunter „gefühltes Wissen“ den Text diktierte. Intuitiv haben wir in unserer BIBLIOTHEK/Bereich „Schwarz auf weiß“ die Informationen und Antworten des Bundesministeriums der Verteidigung zur Spiegel-Anfrage vom 18. Juli 2013 zum Download eingestellt (wir sind für die Inhalte dieses Dokuments nicht verantwortlich).


Zu unserer Bildauswahl:

1. Die A400M umgeben von Flares;mit diesen Täuschkörpern kann sich der Militärtransporter vor feindlichen Raketen schützen. Der Spiegel wählte diese Airbus-Aufnahme als optischen Aufmacher für seinen Beitrag „Flugzeug ohne Flügel“ aus – vielleicht um damit eine „Notlage“ zu symbolisieren. Wir entschieden uns für dieses Bild, weil es auf beeindruckende Weise eine der hoch entwickelten Technologien zeigt, mit denen die A400M ausgestattet ist.
(Foto: Sylvain Ramadier/Airbus)

2. Die EADS-Tochter Airbus Military präsentierte die A400M auch bei der Airshow 2013 im französischen Le Bourget. Das Bild entstand am 16. Juni bei der Ankunft der Maschine.
(Foto: Gilles Bassignac/Airbus)

3. Blick auf die Turboprop-Triebwerke des Militärtransporters.
(Foto: Hervé Goussé/Airbus)

4. Futuristisch – im Cockpit des Airbus A400M.
(Foto: Airbus Military)

5. Formationsflug von fünf A400M über den Alpen.
(Foto: Alexandre Doumenjou/Airbus Military)


Kommentare

  1. Tim | 7. Dezember 2013 um 19:08 Uhr

    Typisch Spiegel oder sollte man lieber typisch deutsche Presse sagen. Das es bei solch Großprojekten zu Kostensteigerungen und Verzögerungen kommen kann ist ja wohl jedem bewusst. In der Regel sind es diese Projekte, welche die Politik selbst steuert, welche den Steuerzahler Milliarden kosten und das Doppelte an Zeit in Anspruch nehmen als vorab angekündigt.
    Was mich persönlich besonders stört ist, dass niemand auch nur ansatzweise darüber Berichtet, was für ein großartiges Flugzeug die A400M wirklich ist. Sie ist genau das, was eine Armee wie Deutschland braucht. Eine Armee welche nicht mehr groß darauf aus ist mit Bodentruppen in ein Kampfgefecht ziehen zu wollen.
    Objektive und neutrale Berichterstattung ist in den Deutschen Printmedien schon lange nicht mehr zu sehen (only bad news is good news…). Und alles, was mit Militär zu tun hat, ist eh in der breiten Deutschen Öffentlichkeit verrufen. Nur das wir hier sicher und friedlich Leben können und anderen Ländern mit Hilfseinsätzen helfen können, damit diese Menschen vielleicht auch einmal so leben können wie wir, davon wollen die Militärkritiker nichts hören, denn für sie ist der status quo in Deutschland selbstverständlich. Die sollte man mal 5000 Km Richtung Süden schicken mal sehen, mal sehen ob sie dann immer noch solchen schlecht recherchierten Müll schreiben.

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