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Washington (USA)/Schrobenhausen. Nach einem Wechselbad der Gefühle konnten vor gut zwei Wochen die am Rüstungsprojekt MEADS beteiligten Unternehmen aufatmen. Denn das trinationale Rüstungsvorhaben war bereits so gut wie begraben, als sich am 18. Dezember Unterhändler des US-Senats und des -Repräsentantenhauses in Washington darauf geeinigt hatten, kein Geld mehr für die Entwicklung dieses amerikanisch-deutsch-italienischen Raketenabwehrsystems zur Verfügung zu stellen (ein entsprechender Gesetzentwurf verhinderte anschließend die Auszahlung von gut 400 Millionen US-Dollar für das letzte Jahr des MEADS-Entwicklungsprogramms). Doch jetzt kam die Wende und mit ihr neue Hoffnung…

Repräsentantenhaus und Senat einigten sich am 21. März auf einen Übergangshaushalt bis Ende September, der 380 Millionen Dollar für MEADS (Medium Extended Air Defense System) beinhaltet – etwas weniger, als die vertraglich zugesicherten 401 Millionen. US-Präsident Barack Obama unterzeichnete das Haushaltsgesetz am 26. März. Damit erfüllen die Vereinigten Staaten nun doch noch ihre Verpflichtungen im Rahmen des trilateralen Memorandum of Understanding (MoU), das sie mit Deutschland und Italien zur Entwicklung von MEADS geschlossen haben. Diesem Dokument zufolge sollten die USA 58 Prozent des MEADS-Programms finanzieren, die europäischen Partner Deutschland und Italien 25 Prozent beziehungsweise 17 Prozent. Bei der MEADS-Entwicklung arbeiten die Rüstungsunternehmen MBDA Deutschland, MBDA Italien und der US-Konzern Lockheed Martin in dem Joint Venture MEADS International zusammen. MEADS International ist auch der Hauptauftragnehmer für das Raketenabwehrsystem.

Zu teuer und zu kompliziert?

Die USA hatten ihren Ausstieg aus dem MEADS-Programm im Februar 2011 verkündet. Gut ein Jahr zuvor war in Washington bereits ein internes Memo der U.S. Army, deren Führung sich vehement gegen MEADS aussprach, öffentlich geworden. Darin war kritisiert worden, das System sei zu teuer, benötige zu viel Entwicklungszeit und sei letztendlich zu kompliziert, weil Programmänderungen der vorherigen Genehmigung der beiden Vertragspartner Deutschland und Italien bedürften. Alles in allem, so dieses Memo, würde MEADS nicht den Anforderungen des US-Militärs gerecht. Dagegen betonte MEADS International (MI) stets, dass das Entwicklungsprogramm alle Meilensteine in Zeit und Kosten eingehalten hat. In einer Stellungnahme auf der Webseite des Unternehmens weist MI-Geschäftsführer David F. Berganini, Jr. darauf hin, dass bis zum Entwicklungsabschluss kein Cent mehr ausgegeben werde als 2004 im Rahmen des Memorandum of Understanding (MoU) vertraglich vereinbart wurde. Das Raketenabwehrsystem werde durch die neuen Technologien über seinen Lebenszyklus kostengünstiger und weniger personalintensiv betrieben werden können als vergleichbare Systeme. Außerdem sei der Schutzbereich um ein Vielfaches größer als zum Beispiel bei Patriot.

Die drei Vertragspartner hatten nach dem Rückzug der USA aus dem Projekt zunächst vereinbart, die Entwicklung des Systems zumindest noch gemeinsam abzuschließen. Am 18. Dezember vergangenen Jahres kam dann jedoch – wie bereits dargestellt – die Hiobsbotschaft aus Washington: ein Komplettausstieg der Amerikaner aus dem Projekt schien möglich. Und dies, obwohl am 29. November auf der Testrange in White Sands im US-Bundesstaat New Mexico die Funktionalität von MEADS bereits im Systemverbund nachgewiesen werden konnte. An diesem Donnerstag waren der neue Gefechtsstand, der neue Launcher mit PAC-3-MSE-Flugkörper und das 360-Grad-Feuerleitradar eingesetzt worden. Dabei hatte das Luftverteidigungssystem erfolgreich eine mit gut 1000 Stundenkilometern anfliegende Zieldrohne erfasst, verfolgt und zerstört (siehe auch unsere früheren Beiträge „MEADS besteht Wüstentest mit Bravour“ und „Hängt IRIS nach MEADS-Aus in der Luft?“). Inzwischen hat die U.S. Army eine Arbeitsgruppe (MEADS harvesting team) ins Leben gerufen, die prüfen soll, wie die MEADS-Technologien für die Modernisierung der US-Raketenabwehr genutzt werden können.

Hoher technologischer Reifegrad

MBDA Deutschland ist bei MEADS vor allem zuständig für Elemente der Gefechtstandssoftware BMC4I, des Startgeräts und des Multifunktions-/Feuerleitradars (MFCR). In einer Pressemitteilung begrüßt das Lenkflugkörpersystemhaus jetzt die Entscheidung der US-Regierung, die letzte Phase der laufenden Entwicklungsarbeiten für das Luftverteidigungs- und Raketenabwehrsystem in 2013 zu finanzieren. Mit dem Beitrag Washingtons zu diesem Dreinationen-Programm könne der geplante und vertraglich vereinbarte hohe technologische Reifegrad des Systems zum Abschluss der sogenannten „Proof of Concept-Phase“ im März 2014 sichergestellt werden. Dies ermögliche es Deutschland und Italien, die MEADS-Technologien im Rahmen der Ausgestaltung ihrer künftigen Fähigkeiten im Bereich „Luftverteidigung und Raketenabwehr“ zu nutzen.

Auf der Suche nach Kooperationspartnern

Laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) soll sich das Verteidigungsministerium bereits „im Grundsatz“ entschieden haben, auf der Basis von MEADS eine eigene Luftabwehr aufzubauen, die von 2020 an das System Patriot ersetzen wird. Es sei beabsichtigt, so zitiert die Zeitung einen Sprecher des Ministeriums, die Ergebnisse aus dem MEADS-Entwicklungsprogramm zum Aufbau einer zukünftigen Luftverteidigungsarchitektur zu nutzen, „wo dies technisch, operationell und wirtschaftlich sinnvoll“ sei. Für die Jahre 2014 bis 2017 sollen mindestens 250 Millionen Euro an Entwicklungskosten in den Haushalt eingestellt werden. Verhandlungen des Ministeriums mit Frankreich, Italien, Polen und der Türkei sollen nun Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausloten. Die Serienproduktion des neuen Systems könnte den FAS-Informationen zufolge etwa ab 2020 beginnen. Deutschland beabsichtige, acht bis zehn MEADS-basierte Systeme zu einem Gesamtpreis von geschätzten drei bis fünf Milliarden Euro zu beschaffen.

Industrie sieht sich in der Pflicht

Thomas Homberg, Geschäftsführer der MBDA Deutschland, äußerte sich zu der aktuellen Entwicklung zu MEADS wie folgt: „Mit dieser Entscheidung erkennen unsere amerikanischen Partner die Leistungsfähigkeit von MEADS an. Den aktuellen und künftigen Bedrohungen im Bereich der Luftverteidigung werden wir nur mit Technologien, wie sie das MEADS-Programm liefert, gleichermaßen effektiv und effizient begegnen können. Mit den Entwicklungsergebnissen werden insbesondere für Deutschland und Italien die Voraussetzungen geschaffen, ihre künftige Luftverteidigung und Raketenabwehr auf Basis der MEADS-Technologien aufzubauen und damit ihren Beitrag zur NATO Missile Defense zu leisten.“

Die Entscheidung der USA pro MEADS betrachte er auch als Verpflichtung, meinte Homberg weiter. Sein Unternehmen sei gehalten, die industrielle Leistung wie vertraglich vereinbart zunächst bis 2014 zu erbringen; darüber hinaus müssten mit den Auftraggebern zeitnah die Rahmenbedingungen für die Zeit ab 2014 geschaffen werden. Der Geschäftsführer der MBDA Deutschland erklärte: „Eine adäquate und zeitgerechte Anschlussbeauftragung ist von entscheidender Bedeutung für die Nutzung, den Erhalt und die Weiterentwicklung der Technologien, die wir in den letzten neun Jahren mit signifikanten Investitionen in einem kritischen Bereich der Landes- und Bündnisverteidigung entwickelt haben und in dem Deutschland heute eine führende Rolle spielt.“

Transatlantische Partnerschaft funktioniert

Die positive Wende im Fall MEADS wurde auch von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt. In einem Statement äußerte sich der verteidigungspolitische Fraktionssprecher Ernst-Reinhard Beck: „Unser Einsatz für MEADS und damit für den Technologiestandort Deutschland hat sich gelohnt. Dank der politischen Initiativen von Parlament und Regierung haben wir die Bedeutung des Projektes für die europäische Luftverteidigung in den USA nochmals betont. Ich bin froh, dass die USA ihren vertraglichen Verpflichtungen fast zu 100 Prozent nachkommen. So vermeiden wir die unnötige Verschwendung von Steuergeldern, die bisher in die Entwicklung geflossen sind. Zudem zeigen die jüngsten Entscheidungen in Washington die weiterhin funktionierende transatlantische Partnerschaft.“

Die Entwicklungsergebnisse von MEADS könnten zum Aufbau einer leistungsfähigen Luftverteidigung in Europa genutzt werden, schlug auch Beck vor. „Wie wichtig eine moderne Flugabwehr ist, sehen wir gerade beim Einsatz unserer Patriot-Flugabwehrsysteme in der Türkei zum Schutz unschuldiger Flüchtlinge vor Chemiewaffen.“

Das Luftverteidigungssystem MEADS soll im November dieses Jahres auf dem Testgelände White Sands zum ersten Mal gegen einen ballistischen Flugkörper getestet werden und diesen abfangen.



Unser Bild zeigt:
den MEADS-Raketenstartbehälter auf einem Fahrzeug der Bundeswehr.
(Foto: Jürgen Dannenberg/MEADS International Inc.)


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