Oberkochen. Wirkungsvoll den Risiken unserer Zeit begegnen – die Neuausrichtung und das neue Fähigkeitsprofil unserer Bundeswehr beeinflussen alle militärischen Bereiche. Auch moderne Kampfpanzer sind davon betroffen. Sie werden sicherlich in aktuellen und künftigen Auseinandersetzungen weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Dabei aber wird es weniger um den Einsatz in massiven Schlachten, sondern vielmehr um das Auftreten dieser Waffensysteme in asymmetrischen Szenarien gehen. Neue Technologien und wirksame, kostengünstige Modernisierungen sind Antworten auf kommende Herausforderungen.
Nach umfangreichen Erprobungen hat das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) jetzt einen Auftrag über die Lieferung von neuen Wärmebildgeräten der dritten Generation für das Kommandantenperiskop PERI R17 A2 im Kampfpanzer Leopard II (2A6) der Bundeswehr erteilt. Die Wärmebildgeräte tragen den Namen „Attica“. Auftragnehmer ist das Unternehmen Cassidian Optronics GmbH, früher Carl Zeiss Optronics.
In der Vorauswahl waren zwei Geräte: „Attica“ von Cassidian Optronics und „Saphir“ von Rheinmetall Defence Electronics. Der Auftrag für die Beschaffung, Einrüstung und Betreuung der „Attica“-Systeme hat ein Volumen von knapp sieben Millionen Euro.
Mit dem neuen Wärmebildgerät „Attica“ lassen sich dank hervorragender thermischer Auflösung mögliche Ziele – auch bei geringem Temperaturunterschied zwischen Objekt und Umgebung – zuverlässig erkennen. Der Kommandant kann mit dem Periskop PERI R17 A2, das ebenfalls von Cassidian Optronics stammt, markierte Ziele bei Tag und Nacht an den Richtschützen übergeben und danach sofort weitere Ziele erfassen. Die Zielerfassung kann so von der Zielbekämpfung getrennt werden, die Besatzung kann schneller reagieren und ist besser geschützt.
„Attica“ erfülle die komplexen Anforderungen heutiger Einsatzszenarien, so Cassidian Optronics nach der Entscheidung des Bundesamtes. Der Hersteller weiter: „Das bereits für den Schützenpanzer Puma ausgewählte Gerät entwickelt sich damit zu einem in der Bundeswehr querschnittlich eingesetzten Gerät, insbesondere in der Panzer- und Panzergrenadiertruppe sowie der Artillerie. Daraus ergeben sich logistische Vorteile, und damit auch eine Senkung der Betriebskosten bei der Verwendung von Wärmebildgeräten aus derselben Produktfamilie.“
Im Jahr 1969 hatten Deutschland, Belgien, die Niederlande und Norwegen die sogenannte LeoBen-Gemeinschaft (Gemeinschaft Leopard-benutzender Staaten) gegründet. Damit hatte die Weiterentwicklung des Waffensystems Leopard und dessen Fahrzeugfamilie eine gemeinsame Basis erhalten. In der Gemeinschaft gibt es mehrere Arbeitsgruppen, ein Lenkungsausschuss steuert sie. Ziele sind beispielsweise die Weiterentwicklung des Waffensystems, die Anpassung der Leopard-Familie an künftige Bedrohungen, die Vereinfachung der Instandsetzung und Versorgung und Möglichkeiten der Kostensenkung.
Ende November 2012 traf sich in Aachen die internationale LeoBen-Gruppe zu ihrer 42. Fachtagung. Gastgeber war diesmal die Technische Schule Landsysteme und Fachschule des Heeres für Technik. Die Tagungsteilnehmer kamen aus den Nutzerstaaten (heute ist der Kampfpanzer Leopard außer bei der Bundeswehr noch in Armeen weiterer 18 Staaten – darunter Chile, Kanada, Katar, Saudi-Arabien und Singapur – im Einsatz) und aus dem Bereich der Rüstungsindustrie. Bei dem Treffen konnte vor allem das deutsche Heer von den Inhalten und Ergebnissen der Arbeitsgruppe „Technik und Nutzung“ profitieren. Im Mittelpunkt standen hier die Einsatzerfahrungen der Kanadier und Dänen mit dem Leopard in Afghanistan, die Erfahrungen mit dem Kampfpanzer in anderen Klimazonen wie in Schweden oder Singapur sowie Erfahrungen mit dem System in großen Höhen, etwa in Chile.
Als Konsequenz der deutschen Auswahlentscheidung planen nun auch andere Mitglieder des LeoBen-Verbundes die Beschaffung des PERI R17 A2 mit seinem Wärmebildgerät „Attica“. Dies würde zugleich eine weitere Vereinheitlichung des Kampfpanzer-Konfigurationsstandes in den LeoBen-Staaten bedeuten.
Wärmebildgeräte gibt es bereits seit der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Genutzt wurde die Technologie in den ersten vier Jahrzehnten ausschließlich militärisch. Erst jetzt – mit Aufkommen der dritten Generation – wurden Wärmebildgeräte auch für zivile Nutzer erschwinglich und damit interessant. Die Geräte der ersten und zweiten Generation besaßen Scanner und Kühler und waren deswegen extrem teuer. Noch in den 1990er-Jahren lagen die Preise für Wärmebildgeräte zwischen 50.000 und 150.000 Euro. Haupteinsatzbereich der zivil genutzten Wärmebildgeräte ist heute die Thermografie – beispielsweise bei der Suche nach undichten Stellen in einer Gebäudeisolation, bei der Überprüfung von elektronischen Bauelementen, in der Fahrzeugtechnik, in der medizinischen Diagnostik oder etwa im Feuerwehr-Rettungswesen bei einem Brand.
Unsere Bild zeigt einen Kampfpanzer Leopard, zwischen den beiden Besatzungsmitgliedern das Kommandantenperiskop.
(Foto: Cassidian)