Berlin. Der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages hat sich in seiner 145. Sitzung am 26. Juni selbst als Untersuchungsausschuss zum Entwicklungsvorhaben „Euro Hawk“ eingesetzt. Er soll bis zum 31. August dieses Jahres unter Vorsitz von Susanne Kastner (SPD) den Umgang der Bundesregierung mit dem Euro Hawk-Drohnenprojekt unter vertraglichen, rechtlichen, haushälterischen, militärischen, technologischen und politischen Gesichtspunkten prüfen.
Das Drohnenprojekt war im Mai dieses Jahres wegen offensichtlich unüberwindbarer Probleme bei der Zulassung für den europäischen Luftraum und einer drohenden Kostenexplosion gestoppt worden. Bis dahin waren Kosten von mehr als 500 Millionen Euro angefallen. Verteidigungsminister Thomas de Maizière wird vorgeworfen, bereits wesentlich früher über das absehbare Scheitern dieses Rüstungsvorhabens im Bilde gewesen zu sein.
In der konstituierenden Sitzung wurde beschlossen, 18 Zeugen zum Scheitern von Euro Hawk zu befragen (inzwischen wurde die Liste um einen Zeugen erweitert). Für ihre Anhörung sind ab dem 22. Juli insgesamt sechs Tage vorgesehen – ein „sportliches“ Unterfangen, wie einige Ausschussmitglieder bereits gegenüber den Medien anmerkten. Geladen werden sollen unter anderem Verteidigungsminister Thomas de Maizière sowie dessen Amtsvorgänger Franz Josef Jung und Rudolf Scharping. Anhören will der Untersuchungsausschuss möglicherweise auch die Chefs der beiden Herstellerfirmen Cassidian und Northrop Grumman.
SPD-Obmann Rainer Arnold hatte bereits am 3. Juni in einem Interview mit dem WDR Regress von den Herstellern des Euro Hawk gefordert. „Die Firmen haben da ganz offensichtlich nicht korrekt geliefert.“ Arnold kritisierte, dass diese bis vor Kurzem noch Zahlungen erhalten hätten. „Eigentlich müssen immer Meilensteine erreicht sein und dann fließt erst neues Geld“, so der Verteidigungsexperte der Sozialdemokraten.
Gegenüber der ARD äußerte sich Arnold nun auch erleichtert über die rasche Einsetzung des Untersuchungsausschusses. Er begrüßte es, dass es zwischen Koalition und Opposition keine größeren Streitereien über diesen zweiten Untersuchungsausschuss in der laufenden Wahlperiode gegeben habe. Alle Beteiligten bemühen sich offensichtlich ernsthaft darum, konstruktiv zusammenzuarbeiten. Keiner will in den Verdacht geraten, diese parlamentarische Untersuchung zu einem Wahlkampfspektakel machen zu wollen.
Der Verteidigungsausschuss ist der einzige Ausschuss des Deutschen Bundestages, dem gemäß Artikel 45a Absatz 2 des Grundgesetzes erlaubt ist, sich selbst als Untersuchungsausschuss einzusetzen, wenn dies mindestens ein Viertel seiner Mitglieder verlangt. Als Folge davon sind die 34 Mitglieder des Untersuchungsausschusses mit denen des Verteidigungsausschusses identisch.
Der erste Untersuchungsausschuss in der aktuellen 17. Wahlperiode hatte die Aufklärung des Luftangriffs auf zwei Tanklastwagen in der Nähe von Kunduz/Afghanistan in der Nacht zum 4. September 2009 zum Gegenstand. Sein Abschlussbericht war am 1. Dezember 2011 in der 146. Sitzung des Bundestages einstimmig zur Kenntnis genommen worden, damit endete die Arbeit dieses Gremiums.
Grundlage der Konstituierung des Verteidigungsausschusses als „Untersuchungsausschuss 2“ ist ein Antrag aller Fraktionen, der am 26. Juni in nicht öffentlicher Sitzung beraten und einstimmig beschlossen wurde. Der Antrag enthält 14 Fragestellungen, die der Untersuchungsausschuss bis Ende August klären soll. Eine der Fragen hat eine bündnispolitische Dimension. Die Ausschussmitglieder wollen wissen: „Welche Auswirkungen haben das Ende des Entwicklungsprojekts Euro Hawk und der Verzicht auf die Serienbeschaffung auf andere Rüstungsvorhaben der Bundeswehr, der NATO und der EU im Zusammenhang mit unbemannten fliegenden Systemen (Alliance Ground Surveillance, AGS/Global Hawk/waffenfähige Drohnen)?“
Unabhängig vom Erkenntnisgewinn – dieser Untersuchungsausschuss wird möglicherweise für den Verteidigungsminister zu einer äußerst unangenehmen Veranstaltung werden. Miguel Sanches von der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung erwartet gar einen „Höllenritt für de Maizière“.
In seinem am 26. Juni erschienenen Kommentar schreibt der Berliner Chefkorrespondent der WAZ: „Die Beschaffung hat einen Vorlauf von zwölf Jahren. Es muss noch viele Vorlagen und Notizen geben. Mit Indiskretionen und mit bewussten Missverständnissen kann man de Maizière in die Defensive drängen. Aber der springende Punkt ist: Er muss auch die Wahrheit fürchten. Entweder hat er die Probleme mit dem ,Euro Hawk‘ unterschätzt, war zu vertrauensselig – dann hätte er geschlafen. Oder er wusste, was schieflief, aber hielt das Parlament hin. Nicht schön. Wird er einer Lüge überführt, dann wäre er unhaltbar.“
Hinweis: Das Video der ARD (Tagesschau) befasst sich mit dem Euro Hawk-Untersuchungsausschuss, der am 26. Juni 2013 unter Leitung von Susanne Kastner (SPD) erstmals zusammentrat.
Zu unserem Bildangebot:
1. Rollout des Euro Hawk am 8. Oktober 2009 bei Northrop Grumman im kalifornischen Palmdale, USA.
(Foto: Chad Slattery/Northrop Grumman)
2. Am 14. Mai 2011 macht Verteidigungsminister Thomas de Maizière seinen Antrittsbesuch bei der Luftwaffe. Dabei wird ihm eine Auswahl aktueller und geplanter Waffensysteme präsentiert. Rechts neben de Maizière der damalige Luftwaffeninspekteur Aarne Kreuzinger-Janick.
(Foto: Andrea Bienert/IMZBw-Bildarchiv)
3. Am 26. Juni 2013 fand die konstituierende Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Projekt „Euro Hawk“ statt. Unser Videostandbild (Tagesschau) zeigt den Generalinspekteur der Bundeswehr, General Volker Wieker.
4. Der Euro Hawk bei einem Testflug im Sommer 2010 in den USA …
5. … und nach der Landung.
(Fotos: Bobbi Zapka/Northrop Grumman)
6. Unsere abschließende Infografik (© mediakompakt 06.13) behandelt die Kosten, die bislang im Zusammenhang mit dem Euro Hawk FSD (Full Scale Demonstrator) entstanden sind. Die Angaben – entnommen einer Tabelle des Hannoverschen Allgemeinen Zeitung nach einem Bericht der Ad-hoc-Arbeitsgruppe „Euro Hawk“ vom 5. Juni 2013 – gelten für die Zeiträume „bis 2003“(hier sind 803.474 Euro für das Luftfahrzeug aufgelistet) und „2007 bis 2013“.
(Hintergrundfoto: Chad Slattery/Northrop Grumman)