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Berlin/Donauwörth. Das Kommando Spezialkräfte (KSK) in Calw erhält bis Mitte 2017 insgesamt 15 leichte Mehrzweckhubschrauber des Typs EC645 T2. Der Eliteverband hat lange Zeit bereits auf neue, seinem Auftrag angemessene Helikopter warten müssen. Die 15 neuen EC645 T2 lösen beim Kommando die dort bislang genutzten Hubschraubermuster BO105 und CH-53G ab. Der Beschaffungsvertrag zwischen dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) und dem Auftragnehmer, Eurocopter Deutschland, wurde am 11. Juli in Koblenz unterzeichnet.

Für das Kommando Spezialkräfte war es bis zu diesem Donnerstag ein langer Weg, ehe der Herzenswunsch nach einem geeigneten Lufttransportmittel in Erfüllung ging. Bereits 2004 hatte der Fachjournalist Reinhard Scholzen in seinem gleichnamigen Buch über das KSK die „Anschaffung eines für die besonderen Aufgaben geeigneten Hubschraubers“ thematisiert. Im August vergangenen Jahres befasste sich auch die – inzwischen leider eingestellte – Financial Times Deutschland (FTD) mit dem Calwer Verband: „Eine Eliteeinheit hat nur dann einen Sinn, wenn sie auch eine Eliteausrüstung bekommt.“ Der Beitrag hatte die Kritik des Wehrbeauftragten des Bundestages, Hellmut Königshaus, an den unzulänglichen KSK-Transportmitteln aufgegriffen und die Ausrüstungsmängel bei der Elitetruppe aufgelistet. „Das Hauptproblem ist der Mangel an leichten Mehrzweckhubschraubern, die zur schnellen Verlagerung der Soldaten innerhalb ihres Einsatzgebietes dienen sollten. Stattdessen müssen beispielsweise die Spezialkräfte, die im Rahmen des ISAF-Mandats in Afghanistan tätig sind, über Land fahren – und das mit oftmals veralteten Fahrzeugen“, schrieb die FTD vor gut einem Jahr. Nun ist eine Entscheidung gefallen, die von den Kommandosoldaten nur begrüßt werden kann.

Der Vertrag mit einem Gesamtvolumen von 194 Millionen Euro umfasst neben der Lieferung der 15 Leichten Mehrzweckhubschrauber zur Verbringung von Spezialkräften (Light Utility Helicopter Special Operating Forces, LUH SOF) auch die entsprechenden Ausrüstungspakete für die Durchführung von Spezialeinsätzen des KSK. Die Auslieferung der EC645 T2 soll Ende 2015 beginnen und bis Mitte 2017 abgeschlossen sein. Die entsprechenden Dokumente unterzeichneten im BAAINBw Thomas Wardecki, Vizepräsident des Bundesamtes, sowie die Mitglieder der Eurocopter-Geschäftsführung Wolfgang Schoder (CEO) und Ralf Barnscheidt.

Einsätze in urbanem Gebiet mit kleinen Landezonen

Mit dem Mehrzweckhubschrauber vom Typ EC645 T2 wird nach Aussagen des BAAINBw „primär die Fähigkeit für die Verbringung von Kommandotrupps mit der Fähigkeit zur Nutzung von engen Landeplätzen realisiert“. Modular eingerüstet werden können in die Maschine Rüstsätze zur Feuerunterstützung und Aufklärung. Dazu das Koblenzer Amt: „Damit können Operationen von Spezialkräften bei kurzer Reaktionszeit und weitreichender Verlegung in ein Einsatzland autark im Verbund durchgeführt werden, auch wenn keine weitere Unterstützung von Kampfhubschraubern und Transporthubschraubern im Einsatzland vorhanden ist.“

Zur Erfüllung des KSK-Aufgabenspektrums werden die 15 neuen Bundeswehr-Helikopter unter anderem folgende Eigenschaften mitbringen: Der LUH SOF ist einsetzbar in urbanem Gebiet mit kleinen Landezonen, der Rotorabwind des Hubschraubers ist möglichst gering (so sollen Zerstörungen durch Windbelastungen vermieden und ein sicheres Absetzen beziehungsweise Anlanden der Kommandosoldaten ermöglicht werden), der LUH SOF besitzt eine zu den Spezialkräften der Bundeswehr kompatible Kommunikationsausstattung.

Entscheidend ist auch, dass mindestens ein EC645 T2 im Militärtransporter A400M strategisch verlegt werden kann. Spätestens zwei Stunden nach Entladung am Zielort soll der LUH SOF den Flugbetrieb wieder aufnehmen können. Zur Mission heißt es in der Ausschreibung des Bundesamtes: „Jeder LUH ist in der Lage, zusätzlich zur Luftfahrzeugbesatzung (zwei) mindestens vier weitere voll ausgerüstete Kommandosoldaten (insgesamt mindestens 550 Kilogramm Zuladung einschließlich Kommandosoldaten) über eine Strecke von 50 Kilometern zu verbringen (Absetzverfahren Fast Rope). Dabei verweilen die LUH mindestens 30 Minuten am Einsatzort in der Luft. Bei Abbruch der Mission ist die Rückführung der Soldaten zum Ausgangsort mit dem Hubschrauber möglich.“

„Verbringung von Spezialkräften bei Nacht und unter Bedrohung“

Mit der Beschaffung neuer Hubschrauber für das Kommando Spezialkräfte hatte sich unter anderem intensiv eine der Integrierten Arbeitsgruppen Fähigkeitsanalyse (IAGFA) des Generalinspekteurs der Bundeswehr befasst. Am 6. März vergangenen Jahres war dann von dieser IAGFA „die Erstellung der beschaffungsbegründenden Dokumente für einen leichten Mehrzweckhubschrauber zur Verbringung von Spezialkräften bei Nacht und unter Bedrohung in Auftrag gegeben“ worden – so die Erklärung des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister der Verteidigung Christian Schmidt zum Stand der Dinge am 23. März 2012. Es folgte eine Marktsichtung, um geeignete Hubschraubertypen zu finden.

Dem gesamten Analyse-, Entscheidungs- und Beschaffungsprozess vorausgegangen war ein Beschluss des Haushaltsausschusses des Bundestages, der am 27. Oktober 2011 in seiner 71. Sitzung das Verteidigungsministerium aufgefordert hatte, nach „Möglichkeit die Mittel für die Beschaffung – gegebenenfalls auch im Wege alternativer Finanzierungsvarianten, beispielsweise Leasing – von leichten Mehrrollenhubschraubern für die Verbringung von Spezialkräften bei Nacht und unter Bedrohung bereitzustellen“.

Ein umfangreiches Missions-Ausrüstungspaket

Eurocopter-Geschäftsführer Wolfgang Schoder kommentierte die Entscheidung zugunsten des EC645 T2 bei der Vertragsunterzeichnung in Koblenz wie folgt: „Mit dieser Auswahl setzt die Bundeswehr eine internationale Messlatte und zugleich auf einsatzerprobte und weltweit bewährte Technologien. Die EC145 als Basis für die EC645 T2 fliegt unter anderem mit mehr als 270 Maschinen ausgesprochen erfolgreich bei der U.S. Army.“

Die Eurocopter-Maschinen für die Kommandosoldaten verfügen über ein digitales Cockpit mit voller Nachtsichttauglichkeit und 4-Achsen-Autopilot. Die Kommunikationsausstattung mit taktischen Radios befähigt zur Interoperabilität auch unter NATO-Streitkräften. Ein schnelles Auf- und Absitzen der Spezialkräfte wird durch eine geräumige Kabine in Kombination mit zwei großen seitlichen Schiebetüren und doppelten Hecktüren ermöglicht. Das maximale Abfluggewicht beträgt 3,7 Tonnen. Der ummantelte Fenestron-Heckrotor sorgt Eurocopter zufolge für zusätzliche Sicherheit der Truppe insbesondere bei Flugoperationen in engen Landestellen und bei laufendem Rotor am Boden.

Zum Missions-Ausrüstungspaket gehören unter anderem Abseilvorrichtungen, Außenlasthaken und Seilwinden. Die weitere Ausrüstung umfasst Bordbewaffnung und ein elektro-optisches System zur Aufklärung. Ein Selbstschutzsystem sowie Panzerungen dienen dem zusätzlichen Schutz der Besatzung. Die EC645 T2 ist mit zwei Turbomeca-Triebwerken Arriel 2E und vollautonomer digitaler Zweikanal-Triebwerkssteuerung (FADEC) ausgestattet.

„Mit der Wahl eines Hubschraubers aus der EC145-Familie von Eurocopter erhält die Bundeswehr ein Modell, dessen Basis weltweit für unterschiedliche Missionen eingesetzt wird“, heißt es in einem Statement des Donauwörther Unternehmens. „Eine internationale Referenz für die Effektivität und Effizienz der EC145-Familie ist das LUH-Programm der US-Streitkräfte, welche die EC145 unter der Bezeichnung UH-72A Lakota als leichten Mehrzweckhubschrauber seit 2006 erfolgreich einsetzen.“

Zivile und militärische Musterzulassung für die neue Maschine

Was jetzt noch aussteht, ist die zivile Musterzulassung für die Basisversion EC145 T2, auf die die EC645 T2 aufbaut. Die zivile Musterzulassung des Hubschraubers gemäß den Vorschriften der Europäischen Gemeinschaft (Regelraum der Europäischen Agentur für Flugsicherheit/European Aviation Safety Agency, EASA) ist wiederum Grundlage für die militärische Musterzulassung des LUH SOF nach Bundeswehr-Vorschriften.

Die zivile Musterzulassung des Basishubschraubers erlaubt Flüge mit einem Piloten im Sichtflug bei Tage und bei Nacht im unkontrollierten und kontrollierten Luftraum sowie die Durchführung von Flügen mit einem Piloten oder zwei Piloten nach Instrumentenflugregeln bei Tag und bei Nacht. Nach erfolgter militärischer Musterzulassung und militärischer Stückprüfung des jeweiligen LUH SOF werden die neuen 15 Maschinen eine militärische Verkehrszulassung, also die Eintragung in die Luftfahrzeugrolle der Bundeswehr, erhalten.

Eurocopter-Informationen zufolge soll die zivile Musterzulassung für den Basishelikopter EC145 T2 im Mai nächsten Jahres realisiert werden. Die zivile Musterzulassung für den EC645 T2 (ebenfalls durch die EASA) wird von Eurocopter für Januar 2015 angestrebt.


Zum Bildangebot:

Die EC645 T2 basiert auf dem erfolgreichen Eurocopter-Hubschraubermuster EC145. Die US-Streitkräfte setzen die EC145 seit dem Jahr 2006 unter der Bezeichnung UH-72A Lakota als leichten Mehrrollenhelikopter ein. Die drei Aufnahmen zeigen die Lakota-Version.
(Fotos: Eurocopter Deutschland)


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