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Potsdam/Strausberg. Die Neuausrichtung unserer Streitkräfte macht auch vor den Militärhistorikern und Sozialwissenschaftlern der Bundeswehr nicht Halt. Das Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA) in Potsdam und das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr (SOWI) in Strausberg werden bald unter neuem Namen zu einer Forschungseinrichtung am Standort Potsdam zusammengeführt.

 


Ab 2013 wird schrittweise die zukünftige, zur Zeit ausgeplante Struktur eingenommen. Die offizielle Auflösung von MGFA und SOWI soll 2015 folgen. Über die Auswirkungen der Reform der Bundeswehr auf die beiden Forschungseinrichtungen sprach der Amtschef des MGFA, Oberst Dr. Hans-Hubertus Mack, mit Sebastian Scholze von der Märkischen Allgemeinen Zeitung. Wir veröffentlichen das Interview mit freundlicher Genehmigung der MAZ-Chefredaktion.

Scholze: Warum legt die Bundeswehr das Militärgeschichtliche Forschungsamt und das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr zusammen?

Mack: Die Fusion ist notwendig geworden, weil die Bundeswehr sparen muss. Sie reduziert die Zahl ihrer Streitkräfte und auch ihrer Standorte. Wenn wir künftig mit den Strausbergern zusammenarbeiten werden, sollen natürlich auch Synergien erzielt werden. Wir kooperieren bereits seit Längerem mit dem Institut, und da ist es sinnvoll, wenn die Wissenschaftler auch räumlich unter einem Dach zusammengefasst werden. Wir werden sicherlich davon profitieren. Im Nachgang finde ich die Fusion eine sehr gute Idee.

Scholze: Gab es denn eine Alternative zur Fusion?

Mack: Ja, die Auflösung des MGFA oder der Wegzug aus Potsdam. Der Prozess bis zur Entscheidung war ziemlich turbulent. Es gab zum Beispiel auch Überlegungen, unseren wissenschaftlichen Teil an die Universität der Bundeswehr nach Hamburg zu verlegen. Das hätte dann das Ende des MGFA bedeutet. Wir sind alle froh, dass wir durch Argumente diesen Kelch an uns vorübergehen lassen konnten.

Scholze: Wie sieht denn der Zeitplan zur Fusion momentan aus?

Mack: In diesem Jahr planen wir noch hauptsächlich und bereiten vor. Sie können sich vorstellen, dass wir das jetzige Amt, das Militärgeschichtliche Forschungsamt, auch völlig neu aufstellen müssen. Denn es wird künftig weder ein SOWI noch ein MGFA geben. 2013 werden wir die Projektgliederung, also die künftige Struktur, einnehmen. Da wird es noch Überschneidungen geben, denn wir können ja nicht alle Leute sofort freistellen oder versetzen. Trotzdem werden bereits die ersten Strausberger Kollegen zu uns nach Potsdam kommen. 2015 werden beide Einrichtungen dann offiziell aufgelöst und zusammengeführt.

Scholze: Werden Mitarbeiter gehen müssen?

Mack: Das MGFA hat rund 100 Mitarbeiter. Mit etwa 27 ist das Sozialwissenschaftliche Institut der kleinere Partner. Künftig werden wir gemeinsam bei etwa 120 rauskommen. Zehn Prozent der Stellen sollen also eingespart werden. Allerdings ist dieser Prozess noch nicht völlig durchschaubar. Ich kann momentan nicht sagen, ob das die endgültige Struktur ist.

Scholze: Was geschieht mit den Mitarbeitern, die nicht im neuen Institut landen?

Mack: Ich nehme an, dass nicht alle Strausberger Kollegen nach Potsdam umziehen werden. Wenn sie für sich andere Perspektiven sehen, ist das auch völlig in Ordnung so. Aber es wird mit Sicherheit auch keiner auf der Straße stehen, denn den Standort Strausberg wird es weiterhin geben. Dorthin zieht unter anderem der Führungsstab des Heeres.

Scholze: Das MGFA widmet sich bisher hauptsächlich der Vergangenheit, das Sozialwissenschaftliche Institut dem Zustand und dem Wirken der Bundeswehr heute. Wie wird das neue Institut ausgerichtet sein?

Mack: Die künftige Einrichtung wird historische und sozialwissenschaftliche Abteilungen haben, das ist klar. Wir können auch von Methoden der anderen Richtung profitieren. Insgesamt werden wir interdisziplinärer als bisher arbeiten. Beim gemeinsamen Studiengang „Military Studies“ an der Uni Potsdam haben die beiden Einrichtungen ja bereits bewiesen, dass sie das können. Für die Studenten wird einiges leichter, denn alles wird aus einer Hand kommen. Wir werden auch versuchen, auf regionaler Ebene mit anderen Instituten wieder enger ins Geschäft zu kommen. Ich denke unter anderem an das Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung. Meiner Meinung nach wird die breitere Ausrichtung uns solche Zusammenarbeiten erleichtern.

Scholze: Gibt es bereits eine Idee für einen neuen Namen?

Mack: Wie immer sind mehrere Eisen im Feuer. Wir haben gemeinsam lange überlegt, wie so ein Institut heißen könnte. Dabei ist auch der Begriff „Institut“ gefallen, was ja für eine solche wissenschaftliche Einrichtung nicht abwegig erscheint. Eine andere Variante ist „Wissenschaftszentrum“. Bisher ist nur eines sicher: Bei den bisherigen Namen wird es nicht mehr bleiben. Das tut uns natürlich auch weh, denn das MGFA gibt es schon mehr als 50 Jahre. Also werden wir einen renommierten, in der Wissenschaft eingeführten Namen mit zu Grabe tragen. Es wird eine Herausforderung für uns, den neuen Namen in der Fachwelt wieder bekannt zu machen. Aber ich denke, das können wir leisten.

Scholze: Wird es für das neue Institut auch einen Neubau auf dem MGFA-Gelände geben?

Mack: Nein, wir haben relativ viel Platz. Wir müssen zwar zusammenrücken, aber das wird gelingen. Ein neues Gebäude ist nicht notwendig. Das erforderliche Geld wäre wahrscheinlich ohnehin nicht vorhanden.

 


Das Militärgeschichtliche Forschungsamt der Bundeswehr, eine militärische Dienststelle und Einrichtung der Ressortforschung des Bundes, ist das größte historische Institut in Deutschland. Seit 1957 erforscht das MGFA, das der Streitkräftebasis zugeordnet ist, deutsche Militärgeschichte mit den Methoden der allgemeinen Geschichtswissenschaft. Das Militär wird dargestellt in seiner Wechselbeziehung mit Staat, Politik, Gesellschaft, Recht, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Technik. Arbeitsschwerpunkte des Amtes sind die Zeitalter der Weltkriege, die Militärgeschichte der Bundesrepublik Deutschland im Bündnis, die Militärgeschichte der DDR im Bündnis sowie Historische Bildung. Seit 1994 hat das Amt seinen Sitz am Standort Potsdam in der Villa Ingenheim, einst Ratsziegelei und später Hohenzollernpalais. Vor Potsdam hatte das MGFA seinen Dienstsitz in Langenau bei Ulm (1957-1958) und Freiburg im Breisgau (1958-1994).

Das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr, das truppendienstlich dem Streitkräfteamt untersteht, führt im Auftrag des Verteidigungsministeriums streitkräftebezogene empirische Sozialforschung sowie Grundlagenforschung im Bereich der Militärsoziologie durch. Das Institut ging 1974 aus dem „Wissenschaftlichen Institut für Erziehung und Bildung in den Streitkräften“ hervor. Es war zunächst in München stationiert und verlegte 1995 seinen Standort nach Strausberg in Brandenburg, wo es zusammen mit anderen Dienststellen des Aufgabenverbundes „Innere Führung“ den Campus Strausberg bildet. Das SOWI verfolgt die aktuelle nationale und internationale militär- und sicherheitspolitische Entwicklung und hat ein Sensorium für die innere Lage der deutschen Streitkräfte ausgebildet. Das Institut greift aktuelle Problemstellungen auf und entwickelt seine Forschungs- und Erkenntnisinteressen gemeinsam mit Kooperationspartnern aus Bundeswehr, Wissenschaft und Gesellschaft fort.

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  1. die Villa Ingenheim in Potsdam – seit 18 Jahren Sitz des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes. (Foto: Karsten Knuth)


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