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Kuala Lumpur (Malaysia)/Brüssel (Belgien)/Berlin. Die Operation der Europäischen Union zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias EU NAVFOR Somalia – Atalanta kann eine erfreuliche, ja erstaunliche Zwischenbilanz verbuchen. Erstmals seit 2009 hat die Zahl der gemeldeten Attacken durch somalische Piraten ein Rekordtief erreicht. Dies teilte im Oktober das Internationale Schifffahrtsbüro (International Maritime Bureau, IMB) der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce, ICC) mit. Laut IMB ereigneten sich in den ersten neun Monaten dieses Jahres 70 Piratenangriffe – im Vorjahreszeitraum waren es 199. Derzeit beteiligt sich die deutsche Marine mit einem Seefernaufklärer P-3C Orion und der Fregatte „Karlsruhe“, die vor kurzem die „Sachsen“ ablöste, an der EU-geführten Mission.

Hauptziel von Atalanta ist es, Schiffe des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen mit Hilfslieferungen für Somalia vor Piraten zu schützen. Die Republik Somalia gehört weltweit zu den größten Krisengebieten. Die humanitäre Hilfe durch Lieferungen der Vereinten Nationen erfolgt zu 90 Prozent auf dem Seeweg. Der Schutz durch Atalanta ist daher für die Versorgung der somalischen Bevölkerung mit Lebensmitteln von vitaler Bedeutung. Durch das Seegebiet von Somalia und vor allem durch den Golf von Aden führt die wichtigste Handelsroute zwischen Europa, der Arabischen Halbinsel und Asien.

Überraschender Angriff aus der Luft

Die deutsche Marine beteiligt sich seit dem 23. Dezember 2008 an der Operation. Am 10. Mai dieses Jahres hatte der Bundestag das Mandat bis zum 31. Mai kommenden Jahres verlängert. Die Mandatsobergrenze ist bis dahin auf 1400 deutsche Soldaten festgelegt, im Augenblick sind 319 Bundeswehrangehörige bei Atalanta. Bereits am 23. März hatte die EU die Befugnisse der Anti-Piraten-Truppe auf Operationen an Land ausgeweitet. Am 15. Mai griffen daraufhin erstmals EU-Einsatzkräfte Stützpunkte der Piraten an der somalischen Küste aus der Luft an und zerstörten mehrere Boote.

Seit Ende November patrouilliert die „Karlsruhe“ am Horn von Afrika sowie vor der Küste Somalis einschließlich der Nachbarländer. Sie löste die Fregatte „Sachsen“ ab und damit das 13. deutsche Atalanta-Einsatzkontingent. Die „Sachsen“ war insgesamt 102 Tage im Einsatz gewesen. Ein Missionshöhepunkt dabei war die Befreiung von elf iranischen Seeleuten aus der Gewalt mutmaßlicher somalischer Piraten. Führer des jetzigen 14. Einsatzkontingents ist Fregattenkapitän Volker Blaschke.

Somalische Gewässer weiter extrem gefährlich

Auch wenn die Statistik des „Piracy Reporting Centre“ des IMB im Hinblick auf Somalia im Augenblick sehr positiv klingt, so ist doch auch weiterhin Wachsamkeit geboten. Dies empfiehlt eindringlich das Internationale Schifffahrtsbüro, das seinen Sitz in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur hat. IMB-Direktor Pottengal Mukundan sagte dort der Presse: „Wir begrüßen ausdrücklich die erfolgreiche Jagd auf die organisierten Piratengruppen in den gefährlichen Gewässern vor Somalia durch die internationalen Marineverbände. Diese Einsätze tragen dazu bei, dass die Piraten aus dem Verkehr gezogen werden, ehe sie Schiffe bedrohen können. Es ist eine gute Nachricht, dass die Entführungen in diesen Seegebieten abgenommen haben. Aber es bleibt uns keine Zeit für Selbstzufriedenheit: diese Gewässer vor Somalia sind weiterhin extrem gefährlich. Die Marinepräsenz muss deshalb hier unbedingt weitergehen.“

Das Geschehen hat sich verlagert

Während die Piratenangriffe auf Schiffe vor der somalischen Küste im Zeitraum Januar bis September 2012 auf den tiefsten Stand seit dem Jahr 2009 gesunken sind, hat sich die Lage im Golf von Guinea zugespitzt. In den ersten neun Monaten dieses Jahres gab es dort 34 registrierte Vorfälle, im Vorjahreszeitraum waren es 30. Piraten haben ihre Reviere inzwischen bis in die Gewässer vor Benin und das angrenzenden Togo ausgeweitet. Dem IMB zufolge sind die Angriffe oft gewalttätig und zielen darauf ab, Produkte aus verarbeitetem Öl zu stehlen, die anschließend leicht verkauft werden können.

Insgesamt kaperten Piraten nach Angaben des IMB bis Ende September weltweit 125 Schiffe. Es wurden 24 entführt und 25 beschossen. Weltweit starben bis einschließlich des dritten Quartals mindestens sechs Seeleute durch die Seeräuber, 448 Personen wurden als Geiseln genommen.

Die Opfer werden alleine gelassen

Besorgt über die wachsende Brutalität der Piraten im Umgang mit ihren Geiseln ist auch der Vatikan. Bei der feierlichen Eröffnung des „23. Weltkongresses des Apostolats des Meeres“ am 19. November in Rom sagte Kardinal Antonio Maria Veglio, in letzter Zeit seien eine Zunahme der Gewalt gegenüber Gefangenen und ein Hinauszögern ihrer Freilassung zu beobachten. Im Jahr 2009 seien Geiseln durchschnittlich 45 Tage in der Hand von Piraten gewesen, heute seien es 180 Tage. Der Kardinal kritisierte zugleich die fehlende Betreuung der Opfer von Piratenüberfällen. Niemand leiste diesen Menschen psychologische und moralische Hilfe, sagte Veglio. Die Angehörigen würden über das Wohlergehen der Besatzung aus Sicherheitsgründen oft im Dunkeln gelassen. Es fehlten zudem Ausstiegsmöglichkeiten und Umschulungsangebote für Seeleute, die durch einen Piratenangriff erkrankt seien.

Beim fünftägigen „Weltkongress des Apostolats des Meeres“ berieten rund 400 Seelsorger und Seeleute aus 70 Ländern über neue Wege zur Glaubensverkündigung auf hoher See.

Neue Mission der Europäer

Am 16. Juli 2012 hat der Rat der Europäischen Union die nicht-exekutive zivil-militärische Mission EUCAP Nestor (European Union Mission on Regional Maritime Capacity Building in the Horn of Africa) beschlossen. EUCAP Nestor ist ein weiterer wesentlicher Beitrag der Europäer zur Bekämpfung des Piratenunwesens am Horn von Afrika beziehungsweise im westlichen Indischen Ozean.

Gut einen Monat später, am 15. August, stimmte das Bundeskabinett einer deutschen Beteiligung an der neuen Mission zu. Frei nach dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ geht es nun darum, die betroffenen Anrainerstaaten – Dschibuti, Kenia, die Seychellen, Somalia und möglicherweise auch Tansania – zu befähigen, besser für die Sicherheit im jeweiligen eigenen Seeraum zu sorgen. Für EUCAP Nestor werden etwa 140 Ausbilder und Unterstützungspersonal, ergänzt um etwa 40 Ortskräfte, tätig sein. Deutschland wird bis zu fünf Polizisten und bis zu fünf Soldaten für die Mission stellen. Seit Ende November ist ein deutscher Offizier der Chef des EUCAP-Stabes in Djibouti.


Hintergrund                                              

Die Internationale Handelskammer (ICC) versteht sich als Spitzenverband der Weltwirtschaft. Seit ihrer Gründung im Jahr 1919 fördert sie, so das Selbstverständnis der ICC, offene Märkte und fairen Wettbewerb und repräsentiert die Interessen von Mitgliedsunternehmen aus mehr als 120 Ländern. Als Vertretung der Privatwirtschaft steht sie beispielsweise im Dialog mit den Vereinten Nationen, der Welthandelsorganisation oder mit Regierungen. Sie unterstützt durch ihre weltweit genutzten Regelwerke die Abwicklung internationaler Geschäfte. Der Internationale Schiedsgerichtshof der ICC ist eine renommierte Institution zur Lösung privatwirtschaftlicher Auseinandersetzungen.

Zu den Mitgliedern der ICC Deutschland gehören global agierende Konzerne und Mittelständler, Industrie- und Handelskammern sowie Spitzen- und Fachverbände und Anwaltskanzleien.


Zu unserem Bildangebot für diesen Beitrag:
1. Wappen der europäischen Anti-Piraten-Mission Atalanta.
(Foto: EU NAVFOR)

2. Boarding-Team der Fregatte „Köln“ überprüft ein Boot vor der somalischen Küste.
(Foto: Toni Bors/Bundeswehr)

3. Fregatte „Hamburg“ zerstört vor der somalischen Küste ein verlassenes Boot.
(Foto: Christian Laudan /Bundeswehr, Infografik: mediakompakt)

4. Am Horn von Afrika.
(Foto: Paulo Afonso/ EU NAVFOR, Infografik: mediakompakt)

5. Die Fregatte „Karlsruhe“ verlässt den Marinestützpunkt Wilhelmshaven.
(Foto: Ann-Katrin Winges/Bundeswehr)

6. Seefernaufklärer P-3C Orion der deutschen Marine in Djibouti.
(Foto: PrInfoZ EinsFüKdo)

7. Erste Ausbildungsstunden im Rahmen der neuen Mission EUCAP Nestor.
(Foto: EU NAVFOR)


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