Ein Blick hinter die Kulissen
2012
Berlin. Airbus, Boeing, Diehl, EADS, Lufthansa, MTU, Northrop Grumman, Pratt & Whitney, Raytheon, Sikorsky – die Berlin Air Show 2012 vereinte die klangvollen Namen der nationalen und internationalen Leitfirmen aus der Luft- und Raumfahrtbranche. Aber die ILA vereinte auch, wie es Matthias Holsten formulierte, die „stillen Stars, jene Zulieferer hinter den Kulissen, ohne die sich in der Luftfahrtindustrie nichts in die Lüfte erhebt“. Holsten, Geschäftsführer der im Wirtschaftsraum Hamburg ansässigen Plath EFT GmbH, präsentierte mit seinem Team den Dienstleister im International Suppliers Center (ISC) in ILA-Halle 6.
Mit 1243 Ausstellern aus 46 Ländern beteiligten sich diesmal so viele Unternehmen wie nie zuvor an der Air Show in der Bundeshauptstadt. 340 Zulieferfirmen hatten Messeraum auf dem Gelände des Berlin ExpoCenter Airport gebucht, viele im ISC. „Das ISC ist ein exklusiver und maßgeschneiderter Marktplatz für Businesskontakte und Networking“, hatte bei der Eröffnung des Hallenbereichs 6 am 11. September Stefan Berndes vom Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) gesagt. „Kontakte und Networking“ – dies traf auch auf die anderen Messehallen zu, die wir an zwei ILA-Fachbesucher-Tagen aufmerksam erkundeten.
Mit seinen 340 Ausrüstern, Zulieferern und Dienstleistungsunternehmen aus 29 Ländern verzeichneten die Organisatoren ebenfalls eine Rekordteilnehmerzahl bei den „Kleinen“. Dieser Bereich „der stillen Stars“ war am Ende der Messe das am stärksten gewachsene Segment dieser Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung. Wir haben uns stellvertretend drei Aussteller näher angesehen.
Die Norderstedter Plath EFT ist ein junges, auf „Electronic Engineering“ ausgerichtetes Unternehmen, das den Weg in die Qualitätsnische mutig gesucht und dann gefunden hat. „50 Jahre gewachsene Erfahrung in der Hightech-Fertigung für die Wehrtechnik – das ist unser Vorsprung. Den haben wir mit dem Fachpersonal quasi mitbekommen, als wir uns vor drei Jahren von der Fachabteilung der Plath GmbH zum Tochterunternehmen in der Plath-Gruppe gemausert haben“, erklärt Matthias Holsten auf der ILA. Bereits zwei Jahren nach der Firmengründung hat die Plath EFT das EN-9100-Zertifikat, die Eintrittskarte für externe Luftfahrtfertigung, erhalten.
Wer sich im Markt der kompletten Auftragsfertigung von elektronischen Baugruppen, Geräten und Systemen (EMS: Electronics Manufacturing Services) behaupten will, steht schnell an einem Scheideweg: Nur zu oft gehen Unternehmen der EMS-Branche in der Fertigung von Baugruppen und Leiterplatten das Massengeschäft ein, Abwanderungen ins weniger lohnintensive, außereuropäische Ausland sind die Konsequenz. „Derartige Bewegungen sind auch in der Luftfahrtindustrie nicht ganz unbekannt. Schnelle Verfügbarkeit im Service, hohe Qualitätsanforderungen und ein Höchstmaß an Sicherheit in der Fertigung setzen hier jedoch Grenzen – der Ruf nach Spezialisierung wird laut“, erläutert Hartmut Koch, Produktionsleiter bei der Plath EFT, die Rahmenbedingungen für den norddeutschen Fertigungsdienstleister elektronischer Komponenten.
Die ILA 2012 hat zudem gezeigt, dass sogar Zulieferer in der zweiten und dritten Reihe im Obligo stehen, erst einmal die hohe Messlatte qualitativer und sicherheitstechnischer Anforderungen zu überwinden.
Dass die Luft- und Raumfahrt weltweit zu den technisch anspruchsvollsten Branchen überhaupt zählt, wissen auch die rund 650 Mitarbeiter des Wuppertaler Unternehmens STAHLWILLE – Eduard Wille GmbH & Co. KG. Schwer zu bearbeitende Werkstoffe und genaueste Spezifikationen erfordern einen äußerst kompetenten Werkzeugpartner für die Fertigung von Bauteilen für die Luft- und Raumfahrt. Zum Angebot des mittelständischen Spezialanbieters, der in diesem Jahr sein 150-jähriges Firmenjubiläum feiert und auch heute noch ausschließlich in Deutschland produziert, gehören umfassende Werkzeuglösungen für die Herstellung von Luft- und Raumfahrtkomponenten wie Flugzeugzelle, Fahrwerk und Triebwerk.
Das aktuelle Portfolio von STAHLWILLE umfasst mehr als 4000 Artikel. Der Schwerpunkt liegt auf hochwertigen Schraubwerkzeugen und auf intelligenter Drehmomenttechnik. In den Kernmärkten Automotive, Aerospace, Energie und Industrie zählt das Unternehmen aus Wuppertal-Cronenberg zum engen Kreis der führenden Anbieter.
Das Jahr 2012 mit dem gelungenen Auftritt bei der ILA Berlin Air Show in Halle 2 stand und steht bei STAHLWILLE unter dem Jubiläumsmotto „Menschen schmieden Zukunft“. Mit dem Spezialwerkzeug des traditionsreichen Zulieferers arbeiten Mechaniker der Bundeswehr am Eurofighter, NH90 und Tiger.
Ein Unternehmen aus Österreich, das ebenfalls seit vielen Jahren Partner der Bundeswehr ist, besuchten wir schließlich in Halle 1 – die TEST-FUCHS GmbH aus Groß Siegharts. Die Niederösterreicher behaupten seit ewigen Zeiten eine führende Rolle im Bereich des Prüfanlagenbaus für die Luft- und Raumfahrtindustrie. TEST-FUCHS bietet seine Systeme sowohl zivilen als auch militärischen Nutzern an. Der innovative Familienbetrieb wird bereits in dritter Generation von Volker Fuchs geführt.
Am ILA-Messestand erfahren wir etwas über die rund 60-jährige Geschichte der Firma, die Niederlassungen in Deutschland, Großbritannien und Italien hat. Den Grundstein für den heutigen Geschäftserfolg hatte Ingenieur Fritz Fuchs nach dem Zweiten Weltkrieg gelegt, als er ein Unternehmen für Reparaturen an elektrischen Maschinen aller Art gründete. Mitte der 1950er-Jahre verlagerte sich das Kerngeschäft bereits auf den Prüfanlagenbau für Luftfahrzeuge. TEST-FUCHS hat im Laufe der vergangenen sechs Jahrzehnte Testsysteme für mehr als 90 verschiedene Flugzeugtypen entwickelt und gefertigt. Die FUCHS-Teststände prüfen Luftfahrzeugkomponenten in den Bereichen Elektrik, Elektronik, Hydraulik, Kraftstoff, Mechanik und Pneumatik. Darüber hinaus stellt das Unternehmen auch Ground Support Equipment für die zivile und militärische Luftfahrt her.
Wie formulierte es Matthias Holsten von Plath EFT eingangs doch so treffend? Jene Ausrüster, Dienstleister und Zulieferer hinter den Kulissen, ohne die sich in der Luftfahrtindustrie nichts in die Lüfte erhebt, sind die stillen Stars der Branche.
Im vierten Quartal dieses Jahres liefert TEST-FUCHS ein weiteres großes Testfeld zur Überprüfung von Eurofighter-Komponenten nach Großbritannien. Drei der vier Eurofighter-Nationen setzen somit bereits auf die langjährige Erfahrung von TEST-FUCHS. Eine Testeinrichtung für die Komponenten des Tornado liefern die Österreicher in einigen Wochen auch nach Italien – damit Kampfjets sicher abheben (und landen ) können…