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Berlin. Die Bundestagsfraktion der Linken befasste sich vor wenigen Wochen in zwei Anfragen an die Bundesregierung mit extremistischen Vorfällen und Entwicklungen innerhalb der Bundeswehr. So erkundigten sich am 18. Oktober unter anderem die Abgeordneten Gökay Akbulut, Nicole Gohlke und Martina Renner nach den „Terrorismusverfahren des Generalbundesanwalts seit 2021“. Am 21. Oktober befragten die Linken die Bundesregierung nach ihren „Erkenntnissen […] über die mutmaßlich rechtsextreme Vereinigung ,Nordbund‘ sowie deren Verbindungen“.

In ihrer Antwort zur Arbeit des Generalbundesanwalts nannte die Bundesregierung Zahlen für die Jahre 2021 und 2022 (hier bis zum Stichtag 30. September), basierend auf der Grundlage der in elektronisch geführten Verfahrensregistern erfassten Daten der Karlsruher Behörde.

Aufgeführt wird in der Regierungsantwort jeweils pro Phänomenbereich – internationaler nicht-islamistischer Terrorismus, islamistischer Terrorismus, Rechtsterrorismus in Deutschland, internationaler Rechtsterrorismus, Linksterrorismus in Deutschland, internationaler Linksterrorismus – die Zahl der 2021 beziehungsweise 2022 eingeleiteten Ermittlungsverfahren sowie die zum 30. September 2022 geführten Ermittlungsverfahren samt Tatvorwürfen und Zahl der Tatverdächtigen.

Im Jahr 2021 insgesamt 430 Terrorismus-Verfahren eingeleitet

Für das Jahr 2021 vermeldete das Büro des Generalbundesanwalts 156 Ermittlungsverfahren mit Bezug zum internationalen nicht-islamistischen Terrorismus, 258 Ermittlungsverfahren mit Bezug zum islamistischen Terrorismus, sechs Ermittlungsverfahren mit Bezug zum Rechtsterrorismus in Deutschland sowie vier Ermittlungsverfahren mit Bezug zum Linksterrorismus in Deutschland.

Im Jahr 2021 hatte der Generalbundesanwalt kein Ermittlungsverfahren mit Bezug zum internationalen Rechtsterrorismus eingeleitet, jedoch sechs Ermittlungsverfahren mit Bezug zum internationalen Linksterrorismus.

306 eingeleitete Ermittlungsverfahren vom 1. Januar bis zum 30. September 2022

Für das Jahr 2022 liegen folgende Daten vor: Der Generalbundesanwalt hat bis zum 30. September 2022 insgesamt 106 Ermittlungsverfahren mit Bezug zum internationalen nicht-islamistischen Terrorismus eingeleitet; zum Stichtag 30. September 2022 führte die Behörde 55 Ermittlungsverfahren mit Bezug zum internationalen nicht-islamistischen Terrorismus gegen 62 namentlich bekannte und 13 namentlich unbekannte Beschuldigte.

Im Jahr 2022 leitete der Generalbundesanwalt bis zum 30. September 183 Ermittlungsverfahren mit Bezug zum islamistischen Terrorismus ein; zum Stichtag 30. September 2022 wurden 277 Ermittlungsverfahren mit Bezug zum islamistischen Terrorismus gegen 409 namentlich bekannte und 52 namentlich unbekannte Beschuldigte geführt.

Der Generalbundesanwalt hat im Jahr 2022 bis zum 30. September 16 Ermittlungsverfahren mit Bezug zum Rechtsterrorismus in Deutschland eingeleitet; zum Stichtag 30. September 2022 führte er 32 Ermittlungsverfahren mit Bezug zum Rechtsterrorismus in Deutschland gegen 122 namentlich bekannte und elf namentlich unbekannte Beschuldigte.

Der Generalbundesanwalt hat im Jahr 2022 bis zum 30. September kein Ermittlungsverfahren mit Bezug zum internationalen Rechtsterrorismus eingeleitet und zu diesem Stichtag auch kein Ermittlungsverfahren mit Bezug zum internationalen Rechtsterrorismus geführt.

Beim Phänomenbereich „Linksterrorismus in Deutschland“ hat der Generalbundesanwalt im Jahr 2022 bis zum Stichtag 30. September kein Ermittlungsverfahren eingeleitet; zum Stichtag führte die Behörde jedoch 31 Ermittlungsverfahren gegen 36 namentlich bekannte und 26 namentlich unbekannte Beschuldigte.

Im Bereich des internationalen Linksterrorismus war im Jahr 2022 bis zum 30. September lediglich ein durch den Generalbundesanwalt eingeleitetes Ermittlungsverfahren zu verzeichnen. Allerdings führte der Generalbundesanwalt bis zum September-Stichtag bereits 13 Ermittlungsverfahren mit Bezug zum internationalen Linksterrorismus gegen elf namentlich bekannte und sieben namentlich unbekannte Beschuldigte.

Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung

Die Parlamentarier der Linksfraktion wollten am Schluss auch wissen, „wie viele aktuelle und ehemalige Beschäftigte von Sicherheitsbehörden sowie Angehörige der Bundeswehr von den Ermittlungen des Generalbundesanwalts (beziehungsweise – im Fall der Weiterleitung an die Länder – von den Ermittlungen der Länderstaatsanwaltschaften) betroffen“ sind.

Dazu die Antwort der Bundesregierung: „Von den Ermittlungen des Generalbundesanwalts sind drei Personen aus dem Phänomenbereich ,PMK-Rechts‘ betroffen [Anm.: PMK = Politisch motivierte Kriminalität]. Hinsichtlich eines aktuellen und eines ehemaligen Angehörigen der Bundeswehr wird wegen des Verdachts einer Straftat nach § 129a StGB ermittelt, bezüglich eines weiteren Beschuldigten, der ehemaliger Angehöriger der Bundeswehr ist, wird wegen des Verdachts einer Straftat nach [den beiden] §§ 129a, 83 StGB ermittelt. Eine Weiterleitung an die Länder ist nicht erfolgt.“ (Anm.: Strafgesetzbuch/StGB § 129a = Bildung terroristischer Vereinigungen und StGB § 83 = Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens.)

Anstieg rechtsextremer Vorfälle in den deutschen Streitkräften

In ihrer zweiten Kleinen Anfrage an die Bundesregierung vom 21. Oktober zur Thematik der „mutmaßlich rechtsextremen Vereinigung ,Nordbund‘ sowie deren Verbindungen“ schreiben Akbulut, Gohlke und Renner in ihrer Vorbemerkung unter anderem: „Der nach Ansicht der Fragesteller seit einigen Jahren zu beobachtende Anstieg rechtsextremer Vorfälle in der Bundeswehr setzt sich leider fort. Dies belegen die Berichte der Wehrbeauftragten seit dem Jahr 2017. Nach der Enttarnung und Verhaftung des inzwischen verurteilten Rechtsterroristen Franco A. oder den Durchsuchungen und Funden von Waffen, Munition und rechtsextremer Propaganda bei Soldaten oder nach den Skandalen um entwendete oder verschwundene Munition beim Kommando Spezialkräfte ist nun offenbar ein scheinbar neues Kapitel hinzugekommen, denn laut Medienberichten werden seit einigen Monaten Ermittlungen unter anderem gegen Angehörige der Feldjägertruppe geführt, die sich zu einer rechtsextremistischen Gruppe zusammen- beziehungsweise sich einer angeschlossen haben sollen.“

Die entscheidende Frage hierbei sei, so die Linken weiter, „warum sich erneut und über einen mutmaßlich längeren Zeitraum Angehörige der Sicherheitsorgane – hier der Militärpolizeitruppe der Bundeswehr – ungestört dem Milieu brauner Bruderschaften anschließen und mit verurteilten Rechtsextremisten intensive private und vielleicht sogar berufliche Kontakte knüpfen“ konnten.

Die Gruppe „Nordbund“ um den früheren Hildesheimer Panzergrenadier Johannes K., der unter anderem bei dem im Jahr 2000 verbotenen Netzwerk „Blood and Honour“ aktiv gewesen sein soll, gibt es Medienberichten zufolge seit 2017. Mehrere Soldaten – unter ihnen mindestens ein Personenschützer – sollen der Gruppe angehören. Im März dieses Jahres ging der MAD wegen der „Nordbund“-Problematik gegen vermutlich zehn Bundeswehrangehörige in mehreren Kasernen vor.

Disziplinarverfahren im Zusammenhang mit „Nordbund“-Ermittlungen

In ihrer sieben Seiten umfassenden Antwort auf die Kleine Anfrage hält sich die Bundesregierung zum Großteil bedeckt. Bei etlichen Fragen der Bundestagsabgeordneten – beispielsweise nach den im Zusammenhang mit aktuellen Ermittlungen betroffenen Einheiten der Bundeswehr oder nach verschwundenen Waffen und Sprengmitteln – verweist die Regierung auf „Gründe des Staatswohls“ und auf die „künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste des Bundes und der Länder“ – und schweigt!

Einige Auskünfte gibt die Bundesregierung dennoch. So teilt sie auf die Frage der Parlamentarier, „welche Behörden des Bundes seitens der ermittelnden Landesbehörden im Zusammenhang mit der Gruppierung ,Nordbund‘ um Unterstützung, Auskunft oder Amtshilfe gebeten [wurden] oder proaktiv an die ermittelnden Landesbehörden herangetreten [sind]“ mit: „Nach derzeitiger Kenntnis […] ist das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst am 3. März 2022 proaktiv an das ermittelnde Landeskriminalamt Niedersachsen mit Informationen um die Gruppierung ,Nordbund‘ herangetreten. Ob weitere der etwa 960 Behörden des Bundes proaktiv an die ermittelnden Landesbehörden herantreten oder ob Behörden des Bundes um Unterstützung, Auskunft oder Amtshilfe gebeten worden sind, kann in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht beantwortet werden. Darüber hinaus wäre dies auch mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden.“

An anderer Stelle erfahren wir von der Bundesregierung dann, dass ein laufendes Disziplinarverfahren „gegen eine Soldatin beziehungsweise einen Soldaten“ im Zusammenhang mit Ermittlungen zur Gruppierung „Nordbund“ stehe und insgesamt drei Disziplinarverfahren „gegen Soldatinnen beziehungsweise Soldaten“ aufgrund der Ermittlungen im Zusammenhang mit der Gruppierung „Nordbund“ eingeleitet worden seien.


Hintergrund                           

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof ist in Deutschland die Staatsanwaltschaft des Bundes. Er nimmt Aufgaben neben den Staatsanwaltschaften der Länder wahr. Die vom Generalbundesanwalt geleitete Behörde trägt den gleichen Namen; in der Fachliteratur und in der Umgangssprache wird sie auch als „Bundesanwaltschaft“ bezeichnet.

Seit dem 5. Oktober 2015 ist Peter Frank der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof. Frank war seit 1995 im Justizdienst des Freistaats Bayern tätig, zuletzt seit März 2015 als Generalstaatsanwalt in München.

Ihm sind ein Stellvertretender Generalbundesanwalt sowie mehrere Bundesanwälte beim Bundesgerichtshof, Oberstaatsanwälte beim Bundesgerichtshof und Staatsanwälte beim Bundesgerichtshof zugeordnet. Er verfügt über rund 300 Mitarbeiter, von denen etwa 110 dauerhaft als Bundesanwälte, Oberstaatsanwälte beziehungsweise Staatsanwälte beim Bundesgerichtshof tätig sind. Darüber hinaus unterstützen ihn 50 vorübergehend abgeordnete Staatsanwälte oder Richter aus den Ländern.

Der Generalbundesanwalt ist ein politischer Beamter. Er soll die kriminal- und sicherheitspolitischen Ansichten und Ziele der jeweils amtierenden Bundesregierung teilen und kann jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Er gehört der Exekutive an und untersteht der Dienstaufsicht des Bundesministers der Justiz.

Der Generalbundesanwalt vertritt grundsätzlich die Anklage in allen Strafverfahren, die vor den Bundesgerichtshof kommen. Er hat außerdem eine Sonderzuständigkeit für eine Reihe von Staatsschutzdelikten, die gegen den Bund gerichtet sind oder in denen die mutmaßlichen Täter grenzüberschreitend handeln. Zudem hat er die alleinige Zuständigkeit für die Verfolgung von Verbrechen des Völkerstrafrechts.

Die Bundesanwaltschaft hat ihren Hauptsitz beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe, auf dessen Gelände sie bis 1998 auch untergebracht war. Seitdem verfügt sie in der Stadt über ein eigenes Gebäude. Eine weitere Dienststelle befindet sich in Leipzig beim Sitz des 5. und 6. Strafsenats des Bundesgerichtshofs.

Über die vier großen Aufgabenbereiche der Bundesanwaltschaft heißt es in einer Online-Präsentation der Behörde:

Terrorismus > Die Bundesanwaltschaft schützt die demokratische Grundordnung, indem sie terroristische Straftaten verfolgt und zur Anklage bringt. Die Schwerpunkte der Terrorismusabteilung liegen in den Bereichen islamistisch motivierter Terrorismus sowie Rechtsterrorismus und Linksterrorismus.

Spionage > Die Bundesrepublik Deutschland ist ein permanentes Ziel ausländischer Nachrichtendienste. Die Bundesanwaltschaft schützt die Interessen des Staates, seiner Institutionen und Bürger sowie die Einhaltung internationaler Verpflichtungen.

Völkerstrafrecht > Schwerste Verbrechen wie Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen dürfen nicht unbestraft bleiben. Die Bundesanwaltschaft erfüllt mit der Verfolgung von Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch diese internationale Verpflichtung.

Revision > Die Bundesanwaltschaft übernimmt vor den Strafsenaten des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe und in Leipzig die staatsanwaltschaftlichen Aufgaben in Revisionsverfahren. Damit trägt sie zur Fortbildung des Strafrechts und des Strafprozessrechts der Bundesrepublik Deutschland bei.


Unser Luftbild zeigt den Gebäudekomplex der Bundesanwaltschaft in der Karlsruher Südweststadt.
(Foto: nr)

Kleines Beitragsbild: Hinweisschild auf den Dienstsitz des Generalbundesanwalts.
(Foto: nr)


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