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Liebe Leserin, lieber Leser,
Freunde des bundeswehr-journal!

2020 – dieses Jahr wird uns noch lange in unangenehmer Erinnerung bleiben. Nicht nur wegen der Coronavirus-Pandemie. 2020 war auch das Jahr, in denen die „Falschmeldungen“, die „Fake News“, unsere Welt zu vergiften drohten. Die Auswirkungen solch seelischer Kontamination beschreibt beispielsweise der „Katechismus der Katholischen Kirche“, den Papst Johannes Paul II. am 11. Oktober 1992 den Gläubigen der ganzen Welt übergeben hat. Im begleitenden „Kompendium“ heißt es über die Unwahrheit: „Die Lüge ist ihrer Natur nach verwerflich. Sie ist eine Profanierung des Wortes, das dazu bestimmt ist, die Wahrheit, die man kennt, anderen mitzuteilen. Die bewusste Absicht, durch wahrheitswidrige Aussagen den Nächsten zu täuschen, verstößt gegen die Gerechtigkeit und die Liebe. Die Schuld ist noch größer, wenn Gefahr besteht, dass die Täuschungsabsicht für die Getäuschten schlimme Folgen hat.“

Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages haben sich in einer 2017 erschienenen Untersuchung mit dem Thema „Fake News“ befasst. Der Bericht warnt eindringlich: „Fake News in sozialen Netzwerken werden als große Gefahr für eine ausgewogene und sachliche öffentliche Meinungsbildung empfunden. Falsche Nachrichten verbreiten sich im Internet mit rasender Geschwindigkeit und erreichen binnen kürzester Zeit viele tausende Leser. Dabei kann es sehr schwierig – wenn nicht unmöglich – sein, die jeweiligen Verantwortlichen zu identifizieren und somit zur Rechenschaft zu ziehen. Der angerichtete Schaden in Form von Desinformation und Rufschädigung ist – auch im Falle einer baldigen Löschung oder Berichtigung der Nachricht – häufig irreversibel.“

Der 11. Januar 2017 markierte einen traurigen ersten Höhepunkt der giftigen Falschmeldungswelle, die bereits seit 2016 immer wieder ihre verstörenden Auswirkungen zeigte. An diesem Mittwoch beleidigte der damals frisch vereidigte US-Präsidenten Donald Trump auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus den CNN-Mitarbeiter Jim Acosta mit den Worten „You are fake news!“. Acosta, ein anerkannter politischer Journalist in den USA und Hauptstadtkorrespondent des TV-Senders CNN, hatte Trump äußerst sachlich einige Fragen gestellt, die den Präsidenten in Rage brachten. Mit seinem „You are fake news!“ hatte Trump damals das Diskussionsfeld „Wahrheit und Lüge“ auf den Bereich der etablierten Medien ausgeweitet.

Digitale Verbreitung der Unwahrheit über Internet und soziale Netzwerke

Hat das Problem mit der heutigen Praxis der Informationsgewinnung aus dem Internet zu tun? Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages bejahen dies. Sie erklären: „Immer mehr Menschen informieren sich weitgehend oder sogar ausschließlich über soziale Netzwerke und Internetportale. In den USA gaben bei einer Umfrage 44 Prozent der Erwachsenen an, ihre Informationen und Nachrichten ausschließlich über Facebook zu erlangen. Auch wenn eine Falschmeldung wenige Stunden später am Ort ihres ersten Auftauchens gelöscht oder korrigiert wird, erreicht diese Korrektur die Leser häufig nicht mehr.“

Diesen Effekt würden Einzelpersonen oder Gruppen ausnutzen, um die (politische) Meinungsbildung mit Falschmeldungen zu beeinflussen oder gezielt einzelne Personen zu diskreditieren, so die Experten. Eine besondere Rolle spiele in diesem Zusammenhang das soziale Netzwerk Facebook, mit weltweit mehr als einer Milliarde Nutzern das größte Netzwerk dieser Art. Das Unternehmen sei in den letzten Monaten immer wieder dafür kritisiert worden, nicht in ausreichendem Maße gegen verleumderische, rassistische und falsche Nachrichten vorzugehen. Unter anderem auf Facebook eingestellte Falschmeldungen – Fake News – hätten offenbar auch im Präsidentschaftswahlkampf 2016 in den USA eine wichtige Rolle gespielt. So hätten 20 erfundene Nachrichten bei Facebook insgesamt 8,7 Millionen Reaktionen (Shares, Links, Kommentare) generiert. Ein geringer Wahrheitsgehalt habe nach Analysen dabei eher einen positiven Effekt auf die Verbreitung als einen negativen.

Ein Ergebnis im Bericht der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages lautet: „Fake News in Medien aller Art hat es bereits immer gegeben, aber erst durch diverse Möglichkeiten der digitalen Verbreitung über das Internet und soziale Netzwerke können sie offenbar virale und destruktive Wirkungen entfalten.“

Ein Präsident befeuert skrupellos die landesweite „Infodemie“

Corona und Fake News: Forscher der Cornell University (Ithaca, Washington D.C.) haben im vergangenen Jahr etwa 38 Millionen englischsprachige Artikel über die Corona-Pandemie aus dem Zeitraum vom 1. Januar bis zum 26. Mai 2020 analysiert. Sie fanden dabei rund 1,1 Millionen Beiträge – rund drei Prozent – die Fehlinformationen enthielten. Elf größere Themen konnten in der „Infodemie“, so der Begriff der Forscher, festgestellt werden. Darunter waren etliche Verschwörungstheorien. Allgemein irreführende Behauptungen und Verschwörungstheorien machten 46 Prozent der Fehlinformationen aus. In fast 38 Prozent der Falschmeldungen wurde Donald Trump erwähnt.

In mehr als der Hälfte der „Fake News“-Fälle ging es um angebliche „Wundermittel“ im Kampf gegen das Coronavirus. Den Wissenschaftlern der Cornell University zufolge gab es besonders viele Artikel, nachdem Trump im April angeregt hatte, das Virus durch „das Spritzen von Desinfektionsmitteln“ zu bekämpfen. Ähnliche Anstiege von Medienberichten verzeichneten die Forscher, wenn der US-Präsident Medikamente wie das Malaria-Mittel Hydroxychloroquin anpries, dessen Wirksamkeit gegen das Coronavirus nicht erwiesen ist (später ruderte der Präsident zurück – seine Aussagen seien „Sarkasmus“ gewesen, er habe die Bürger niemals dazu aufgerufen, zu Desinfektionsmitteln zu greifen).

Trumps krude Äußerungen haben dennoch dazu beigetragen, dass die Anzahl der Artikel mit Fehlinformationen zur Corona-Thematik von weniger als 10.000 auf mehr als 30.000 anstieg. Trump hatte diese Zunahme von Fake News förmlich vor sich hergetrieben.

Das Forscherteam um Studienleiterin Sarah Evanega unterschied zwischen insgesamt elf Kategorien von Falschinformationen. Neben „Wundermitteln“ ging es unter anderem um die Behauptung, die Pandemie sei ausgelöst worden, um eine „neue Weltordnung“ zu schaffen. Oder um die Verschwörungstheorie, das Virus sei in einem Labor in der chinesischen Stadt Wuhan als Biowaffe entworfen worden. Massenhaft stieß das Cornell-Team auch auf Beiträge, wonach Microsoft-Gründer Bill Gates hinter der Pandemie stecken würde oder 5G-Sendemasten in direktem Zusammenhang mit der Virus-Ausbreitung stünden. Außerdem fanden sich viele antisemitische Artikel oder Angriffe auf den anerkannten US-Virologen Anthony Fauci (Fauci hatte mit seinen ungeschminkten Äußerungen zur Pandemie wiederholt den Zorn Trumps auf sich gezogen).

Die Lüge zerreißt das Netz der gesellschaftlichen Beziehungen

Die Verantwortlichen für die Cornell-Studie kommen zu dem Schluss, dass der US-Präsident im vergangenen Jahr in den ersten Monaten der Pandemie „wahrscheinlich der größte Verbreiter von COVID-Falschmeldungen“ gewesen war. Ein auf Hochtouren laufender Motor der „Infodemie“.

Joshua Sharfstein, Prodekan an der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health (Baltimore, US-Bundesstaat Maryland), sagte der New York Times nach Erscheinen der Studie: „Falschinformationen über diese Pandemie sind hauptsächlich mitverantwortlich dafür, dass die USA in der Bekämpfung des Virus nicht annähernd so erfolgreich sind, wie manch andere Länder.“ Projektleiterin Evanega ergänzte: „Wenn Menschen durch unwissenschaftliche und unbegründete Behauptungen über diese Krankheit in die Irre geführt werden, ist womöglich die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie sich an offizielle Richtlinien halten werden.“

Oder um mit dem „Kompendium“ zum „Katechismus der Katholischen Kirche“ zu sprechen: „Als ein Verstoß gegen die Tugend der Wahrhaftigkeit ist die Lüge eine Art der Gewalt gegenüber dem Nächsten. Sie trifft ihn in seiner Erkenntnisfähigkeit, die Voraussetzung für jedes Urteil und jede Entscheidung ist. Sie enthält im Keim die Spaltung der Geister und alle Übel, die daraus hervorgehen. Die Lüge ist für jede Gesellschaft unheilvoll; sie untergräbt das Vertrauen zwischen den Menschen und zerreißt das Netz der gesellschaftlichen Beziehungen.“

Falschinformationen, Gerüchte und Halbwahrheiten aufdecken

Es gibt Lichtblicke. Sie zu erkennen oder zu kennen, liegt an uns. So hat jetzt die Faktencheck-Redaktion von CORRECTIV, dem Recherchezentrum (Sitz in Essen und Büro in Berlin) und erstem stiftungsfinanzierten Journalismus-Projekt in Deutschland, ein Merkblatt zum Thema „Falschmeldungen“ veröffentlicht.

Das Recherchezentrum begründet seine Arbeit unter anderem auf der Homepage so: „Gezielte Desinformation wird genutzt, um unsere Gesellschaft zu spalten, Hass zu verbreiten oder Geschäfte zu betreiben. Einseitige oder falsche Informationen kreieren verzerrte Weltbilder.“ CORRECTIV will dem mit seinem „Faktencheck“ entgegenwirken und – so der Anspruch – Falschinformationen, Gerüchte und Halbwahrheiten aufdecken.

Das CORRECTIV-Merkblatt möchte „in drei einfachen Schritte“ aufzeigen, wie jeder selbst Falschmeldungen entdecken kann.
Erstens: Schauen, wer die Meldung verbreitet.
Zweitens: Schauen, ob die Meldung manipuliert.
Drittens: Schauen, ob die Geschichte überprüfbar ist.

Fehlt das Impressum, dann ist große Vorsicht geboten

Unter Schauen, wer die Meldung verbreitet rät CORRECTIV dazu, im Zweifelsfall in Ruhe die vier nachfolgenden Fragen zu beantworten:
1. Wer steckt hinter einem Tweet oder Post? Oft lassen sich mit einem Klick auf das Profil des Autors mehr Informationen über die Person herausfinden. Die Timelines verraten oft auch mehr über die Interessen und Überzeugungen der Urheber.

2. Ist die Webseite seriös? Jede Webseite sollte ein Impressum haben. Fehlt das Impressum, ist äußerste Vorsicht geboten.

3. Wer und was steht im Impressum? Manchmal stehen unbekannte Firmen oder Adressen im Ausland im Impressum. Eine kurze Google-Suche hilft, mehr über den Webseitenbetreiber herauszufinden.

4. Und wenn es keine Webseite gibt? Bei Nachrichten ohne Link, die über Messenger wie WhatsApp geteilt werden und sich nicht zurückverfolgen lassen, lohnt sich auch oft eine kurze Google Suche nach dem Wortlaut des Textes. So stößt man unter Umständen auch auf Faktenchecks dazu.

Rechtschreibfehler oder chaotisches Layout sollten stutzig machen

Für den zweiten Schritt Schauen, ob die Meldung manipuliert empfiehlt CORRECTIV, sich nun mit folgenden drei Fragen zu befassen:
1. Wie seriös wirken Text und Bild? Desinformationen sind oft stark emotionalisiert. Texte sind reißerisch geschrieben, Bildcollagen dienen dazu, die Meldung groß und wichtig wirken zu lassen. Desinformationen sollen starke Gefühle hervorrufen, damit sie mehr geklickt und geteilt werden – denn mit Klicks wird oft auch Geld verdient.

2. Was steht im Text und wie ist er aufbereitet? Ein Blick auf den Text gibt oft Hinweise, ob es sich um Desinformation handeln kann. Formale Aspekte wie Rechtschreibfehler oder chaotisches Layout können erste Anzeichen sein.

3. Stimmen Bild und Kontext? Bilder lassen sich leicht manipulieren und sind oft Teil von Desinformation. Mit einer Bilder-Rückwärtssuche (beispielsweise bei Google) lassen sich oft das originale Bild und der ursprüngliche Kontext herausfinden. Das Bild dafür herunterladen und einfach in die Suchleiste ziehen.

Die zentrale Frage nach der seriösen Nachrichtenquelle

Schließlich zum dritten Schritt Schauen, ob die Geschichte überprüfbar ist – hier rät die Redaktion von CORRECTIV:
1. Was ist mit Quellen? Oft mangelt es bei Desinformation an Quellenangaben. Außerdem sollte überprüft werden, ob die genannten Informationen wirklich von seriösen Interessengruppen oder von unabhängigen Forschungseinrichtungen stammen, oder ob nicht doch nur auf die Meinung Einzelner gesetzt wird.

2. Deckt sich die Nachricht mit anderen Berichten zum Vorfall? Im Idealfall gibt es verschiedene seriöse Nachrichtenseiten oder Zeitungen, die ihre Berichte auf voneinander unabhängigen Quellen stützen, aber dennoch zum selben Ergebnis kommen. Fehlen diese Medienberichte oder fehlen im Zweifel überhaupt irgendwelche sonstigen Hinweise auf die Nachricht, ist ebenfalls Vorsicht geboten.

3. Gibt es Faktenchecks? Faktenchecker – beispielsweise von CORRECTIV – decken Falschinformationen auf und werden kostenlos veröffentlicht. Neben CORRECTIV publizieren regelmäßig auch noch die Kollegen der ARD, des BR, der Deutschen Presse-Agentur oder von Mimikama (Österreich) Faktenchecks zu dem, was im deutschsprachigen Netz aktuell kursiert.

Liebe Freunde des bundeswehr-journal,

in diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein gutes neues Jahr. Bleiben Sie gesund. Bleiben Sie optimistisch, wir haben Grund dazu. Ich freue mich, wenn Sie uns treu bleiben. Bei uns wird es auch 2021 keine Fake News geben, auch keine „alternativen Fakten“ –
Ihr
Christian Dewitz
(Herausgeber)


Zu unserem Bildangebot:
1. Das Schild „Puppet Master of Fake News“ fotografierte Paul Sableman am 4. Februar 2017 in St. Louis (US-Bundesstaat Missouri) bei einer Anti-Trump-Demonstration.
(Foto: Paul Sableman/Wikipedia/Wikimedia Commons/unter Lizenz CC BY 2.0 –
vollständiger Lizenztext: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/;
und https://www.flickr.com/photos/pasa/31914664354/in/album-72157679889089386)

2. Titelbild der Studie „Coronavirus Misinformation“ der Cornell University. Leiterin der Studie war Sarah Evanega; Mitherausgeber waren Jordan Adams, Mark Lynas und Karinne Smolenyak. Neben dem Cover ist das Wappen der Universität zu sehen.
(Grafik und Bildmontage: mediakompakt)

Kleines Beitragsbild: Das erleuchtete Burghotel „Auf Schönburg“ in Oberwesel am Rhein. In dem mittelrheinischen Städtchen ist auch unsere Redaktion zuhause.
(Foto: nr)


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