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Brüssel. Der Europäische Rat (European Council) hat vor gut einer Woche, am 16. November, weitere 14 Projekte im Rahmen von PESCO abgesegnet (PESCO = Permanent Structured Cooperation/Ständige Strukturierte Zusammenarbeit). Damit ist die Liste der aktiven PESCO-Vorhaben von 46 auf 60 erweitert worden. Deutschland beteiligt sich an fünf der 14 neuen Projekten. Zwei Projekte werden von Deutschland geleitet, so unter anderem das Vorhaben „Strategic Air Transport for Outsized Cargo“ („Strategischer Lufttransport für übergroße Fracht“). Insgesamt beteiligen sich an der Realisierung der 14 neuen Initiativen 21 EU-Mitgliedstaaten.

Die 14 Projekte dieser vierten PESCO-Runde decken fünf militärische Bereiche ab: Land (2 Projekte), See (2), Luft (6), Cyber/C4ISR (2) und Weltraum (2). Die Projekte reichen von der Entwicklung neuer militärischer Fähigkeiten und der Ermittlung des künftigen Bedarfs in Bereichen wie „Luftstreitkräfte“ oder „maritimer Geleitschutz“ über die Verbesserung des Austauschs geheimer staatlicher Bilddaten bis hin zur gemeinsamen Ausbildung für Kampfpanzerbesatzungen.

Auch die 14 jetzt angenommenen Projekte sollen laut Rat der EU „dazu beitragen, die Kohärenz der europäischen Fähigkeiten-Landschaft zu verbessern und operative Vorteile vor Ort zu erzielen“. Jiří Šedivý, Generalsekretär der EDA (EDA = European Defence Agency/Europäische Verteidigungsagentur), kommentierte die Ratsentscheidung folgendermaßen: „Der Start der vierten Runde von PESCO-Projekten ist ein wichtiger Meilenstein für die europäische Zusammenarbeit bei der Verteidigung. Diese 14 neuen Projekte werden den PESCO-Prozess nachhaltig beleben. Durch die neuen Vorhaben und aus dem koordinierten Jahresbericht der Verteidigung CARD sowie dem Europäischen Verteidigungsfonds EDF können nun weitere Synergien für unsere Mitgliedstaaten erwachsen, um gemeinsam wirkungsvolle und kostengünstige Verteidigungsfähigkeiten zu entwickeln.“ (Anm.: CARD = Coordinated Annual Review of Defence; EDF = European Defence Fund.)

Kleine ferngesteuerte Flugsysteme der nächsten Generation

Zu der am 16. November vom Rat angenommenen PESCO-Ergänzung gehört beispielsweise das Projekt „Next Generation Small RPAS“ (NGSR/„Kleine RPAS der nächsten Generation“). Entwickelt werden sollen von den vier teilnehmenden Nationen Spanien, Deutschland, Portugal und Slowenien etwa 150 Kilogramm schwere Drohnen, auch RPAS genannt (RPAS = Remotely Piloted Aircraft System), die in einer taktischen Umgebung ohne Landebahn starten und landen können. Der beabsichtigte Mehrzweck-/Mehrrollen-Aspekt des kleinen Systems soll den Befehlshabern eine Vielzahl von Möglichkeiten bieten. Die NGSR-Systeme sollen auch in der Strafverfolgung und beim Katastrophenschutz eingesetzt werden.

Bis 2023 sollen entsprechende Ideen und Konzepte entwickelt werden, dann in den Jahren 2024 und 2025 Systemintegrations- und Interoperabilitätstests folgen. Ein erster Prototyp des NGSR wird für 2026 erwartet.

Halbautonomes Überwasserfahrzeug mit mehreren Missionsmodulen

Im Rahmen des Drei-Nationen-Projekts „Medium size Semi-Autonomous Surface Vehicle“ (M-SASV/„Mittelgroßes halbautonomes Oberflächenfahrzeug“) soll ein Überwasserfahrzeug mittlerer Größe – etwa 250 bis 500 Tonnen – mit mehreren Missionsmodulen entwickeln werden. Mit diesen Modulen soll das System einmal in den Verteidigungsbereichen „Intelligence, Surveillance, Reconnaissance“ (ISR), „Anti-Submarine Warfare, Anti-Surface Warfare“ (ASuW) sowie „Naval Mine Warfare“ (NMW) eingesetzt werden können.

Die Plattform M-SASV soll nach einem Konzept „bemannt“ (wenn nötig) und einem Konzept „unbemannt“ (wenn möglich) entwickelt werden. Eine Vorgabe für den künftigen Entwurf ist, dass das M-SASV einmal schwerpunktmäßig bei küstennahen Operationen eingesetzt wird. Die Plattform soll jedoch auch als ein Teil von Marineeinsatzgruppen genutzt werden.

Die drei an diesem Projekt teilnehmenden Nationen sind Estland, Frankreich und Lettland. Deutschland hat hier keine Aktien in dem maritimen Vorhaben. Die ersten Fähigkeitsanforderungen wurden bereits formuliert. Bekannte Industriepartner arbeiten derzeit an der Bildung eines Konsortiums.

Den operativen Einfluss der Europäischen Union im Weltraum erhöhen

Wieder mit deutscher Beteiligung ist das Projekt „Defence of Space Assets“ (DoSA/„Verteidigung von Weltraumressourcen“). Es hat zum Ziel, den operativen Einfluss der Europäischen Union im Bereich des Weltraums zu erhöhen und darauf hinzuarbeiten, aktuelle und zukünftige Weltraumressourcen optimal zu nutzen. DoSA umfasst einen dreistufigen Ansatz, der die Ausbildung für militärische Operationen im Weltraum, die Widerstandsfähigkeit im Weltraum sowie den Zugang zum Weltraum und die Manövrierfähigkeit im Weltraum kombiniert.

Die sechs teilnehmenden Projektnationen sind Frankreich, Deutschland, Italien, Polen, Portugal und Österreich. Ein erster Zeitplan für das Projekt sieht die Festlegung einer Reihe von technologischen Prioritäten und/oder Fähigkeiten und eine erste gemeinsame Übung im Jahr 2022 vor. Weitere Spezifikationen – einschließlich eines gemeinsamen Einsatzkonzepts (CONOPS) und Machbarkeitsstudien – sollen bis 2024 entwickelt werden. Ein endgültiger Vorschlag für künftige Systeme wird für 2026 erwartet.

Strategischer Lufttransport für übergroße Militärfracht

Kommen wir zum Schluss unseres Beitrags auf das bereits eingangs erwähnte Vorhaben „Strategic Air Transport for Outsized Cargo“ (SATOC/„Strategischer Lufttransport für übergroße Fracht“), bei dem Deutschland die Federführung hat. Das Fünf-Nationen-Projekt – neben Deutschland engagieren sich hier noch die Tschechische Republik, Frankreich, die Niederlande sowie Slowenien – will die kritische Lücke im strategischen Transport schließen, die bisher bei übergroßen und schweren Militärgütern zu beklagen war.

Ein erster Projekt-Zeitraum für die Bestimmung und Definition späterer SATOC-Anforderungen soll bis 2023 reichen. Eine mögliche Einigung auf eine europäische Lösung und auf ein Folgeprojekt sind für das Jahr 2026 vorgesehen.


Hintergrund                           

Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (Permanent Structured Cooperation, kurz PESCO) ist ein im Europäischen Verfassungsvertrag von 2004 beziehungsweise im Vertrag von Lissabon 2009 neu eingeführtes Instrument zur flexiblen Integration im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU. Der Europäische Rat hat den Beschluss über die Begründung von PESCO am 11. Dezember 2017 angenommen.

PESCO flexibilisiert die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, im Verteidigungsbereich zu kooperieren. So soll dem Missverhältnis zwischen der Praxis EU-gemeinsamer Operationen und weitestgehend nationalen Lösungen bei der Fähigkeiten-Entwicklung begegnet werden. Dieses Missverhältnis hat operationelle wie strategische Defizite bei den Mitteln der Sicherheitspolitik der Europäischen Union zur Folge. EU-Mitglieder, die militärisch „anspruchsvollere Kriterien“ erfüllen und die im Hinblick auf Missionen mit „höchsten Anforderungen untereinander festere Verpflichtungen eingegangen sind“, können eine Zusammenarbeit nach PESCO im EU-Rahmen begründen.

Die Voraussetzungen, sich an einer solchen Zusammenarbeit beteiligen zu können, wurden in einem Protokoll niedergelegt, das dem Vertrag von Lissabon beigefügt ist. Die EU-Mitgliedstaaten, die mitmachen möchten und alle Kriterien erfüllen, müssen dem Ministerrat und dem Hohen Vertreter der EU für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ihre Absicht mitteilen. Innerhalb von drei Monaten wird dann durch einen Beschluss des Rates mit qualifizierter Mehrheit die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit begründet und die Liste der daran teilnehmenden Mitgliedstaaten festgelegt. Es besteht die Möglichkeit, sich zu einem späteren Zeitpunkt an der Zusammenarbeit zu beteiligen und sogar von dieser Entscheidung wieder Abstand zu nehmen beziehungsweise ausgeschlossen zu werden.

Der Hauptunterschied zwischen PESCO und anderen Formen der Zusammenarbeit besteht in der Rechtsverbindlichkeit der Verpflichtungen, die die teilnehmenden Mitgliedstaaten eingegangen sind. Dazu gehören die Erhöhung der Verteidigungsausgaben, die Planung und Entwicklung von Verteidigungsfähigkeiten zusammen mit anderen Mitgliedern (wann immer dies möglich ist) sowie die Verbesserung der Interoperabilität und der gemeinsamen Nutzung bestehender Fähigkeiten.

In den ersten drei PESCO-Wellen wurden insgesamt 47 Projekte und Initiativen genehmigt, die alle militärischen Bereiche abdecken. Da alle Arbeiten seit ihrem Beginn noch nicht abgeschlossen sind, geht die EU davon aus, dass etwa 24 bis 26 dieser Projekte um 2025 herum eine erste Einsatzfähigkeit erreichen werden.

Die 25 Mitgliedstaaten, die sich an PESCO beteiligen sind: Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn und Zypern.


Unsere Symbolbild zur Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit – PESCO – von 25 EU-Mitgliedstaaten entstand im April 2019 vor dem Gebäude des Europäischen Parlaments im französischen Strasbourg.
(Foto: Tim Reckmann/Wikipedia/Wikimedia Commons/unter Lizenz CC BY-NC 2.0 –
vollständiger Lizenztext: https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/)


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