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Bonn/Berlin. Die neue Bundesinnenministerin Nancy Faeser warnt vor Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus. Von diesen radikalen Strömungen gehe in der Bundesrepublik die höchste Gefahr aus. „Ich habe der Bekämpfung des Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus eine besondere Priorität gegeben, weil das im Moment die höchste Bedrohungslage ist“, so die Sozialdemokratin im phoenix-Interview am Rande des Berliner SPD-Parteitags.

Auch die Aktivitäten der Szene der Querdenker und Corona-Leugner hätte das Bundesinnenministerium genau im Auge. „Es ist zurzeit enorm wichtig, dass wir ein ganz klares Zeichen gegen diejenigen setzen, die als sogenannte Querdenker und Corona-Leugner jetzt Menschen bedrohen, indem sie mit Fackelläufen zu deren Häusern gehen. Das ist eine derart schlimme Grenzüberschreitung, ein Einschüchterungsversuch, den wir so nicht durchgehen lassen können – deshalb steht das sehr im Fokus.“

Faeser bezog sich damit vor allem auf die Fackel-Demonstration in einem kleinen Ort nahe Grimma südöstlich von Leipzig. Hier waren am 3. Dezember Gegner der Corona-Politik vor das Privathaus der der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping gezogen. Den Angaben der Polizei zufolge hatten etwa 30 Menschen laut rufend mit Fackeln und Plakaten vor dem Haus der SPD-Politikerin eine Drohkulisse aufgebaut. Als die Sicherheitskräfte eintrafen, seien die Menschen in mehreren Fahrzeugen geflüchtet. 15 Autos seien angehalten und die Identitäten von 25 Menschen festgestellt worden, so ein Polizeisprecher. Köpping verurteilte den Auflauf scharf. Sachliche Kritik an den Corona-Maßnahmen sei völlig legitim, sagte sie am Samstag (4. Dezember) der Deutschen Presse-Agentur. „Ich bin immer gesprächsbereit – Fackel-Proteste vor meinem Haus aber sind widerwärtig und unanständig.“

Demokratiefördergesetz auf den Weg bringen und NGOs unterstützen

Um gegen rechtsextremistisch motivierte Bewegungen und Taten vorzugehen, sieht Bundesinnenministerin Faeser verschiedene Mittel als geeignet an. Sie sagte gegenüber phoenix: „Man kann ein Demokratiefördergesetz auf den Weg bringen und wirklich sehr viel Unterstützung – einmal gesetzgeberisch, aber natürlich auch im konkreten Handeln – geben.“ Sie glaube, dass die Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die in diesen Bereichen tätig seien, eine verstetigte Unterstützung benötigten. „Da kann ein Bundesinnenministerium sehr viel tun“, meinte Faeser vielsagend.

Redaktioneller NACHBRENNER I

Bundesinnenministerin Faeser rief jetzt zudem die Teilnehmer von Protesten gegen die Corona-Maßnahmen zu einer stärkeren Abgrenzung von Rechtsextremisten und sogenannten Reichsbürgern auf. Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (heutige Sonntagsausgaben) sagte sie: „Rechtsextremisten und Reichsbürger versuchen, die Bewegung zu durchsetzen, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen.“ Sie fügte hinzu: „Leider grenzen sich die bürgerlichen Demonstrationsteilnehmer noch immer zu wenig von diesen Leuten ab.“ Es sei wichtig, die Anstrengungen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt deutlich zu verstärken, „damit wir die Spaltungsversuche der antidemokratischen Kräfte überwinden“.

Zugleich warnte die Innenministerin vor einer weiteren Radikalisierung der Querdenker-Bewegung. „Die Gewaltbereitschaft nimmt zu. Viele Querdenker werden radikaler“, sagte sie.

Redaktioneller NACHBRENNER II

Angesichts der zunehmenden Radikalisierung gewaltbereiter Demonstranten in Sachsen hat der Extremismusforscher Hans Joachim Funke von der Freie Universität Berlin Politik und Behörden Versäumnisse vorgeworfen. „Das ist eine Situation, die nicht mehr unter Kontrolle ist, auch weil die Polizei zu lange gewartet hat, die Politik zu vorsichtig war“, sagte Funke im Interview mit dem Ereignis- und Dokumentationskanal phoenix. „Es ist eine Situation, die ich so seit 1949 nicht erlebt habe, jedenfalls in bestimmten Teilen des Landes, und deswegen außerordentlich gefährlich.“

Funke rief die Politik und Sicherheitsbehörden dazu auf, neben der Pandemie-Bekämpfung das Ausmaß an Gewalt zu bremsen. „Ansonsten verschärft sich das Dilemma – sowohl mit der Pandemie wie mit dem Aufruhr“, warnte der Politik- und Sozialwissenschaftler. Lediglich 60 Prozent der Bevölkerung in Sachsen seien geimpft, 40 Prozent seien mehr oder weniger entschieden gegen eine Impfung. „Wenn man also dort die Pandemie wirklich nicht eingrenzen kann wegen der hohen Impfverweigerung, dann nehmen natürlich die Maßnahmen der Regierung zurecht zu, und umgekehrt der sogenannte Widerstand auch.“ Die Kritiker der Corona-Maßnahmen würden sich durch einen vermeintlichen Faschismus beziehungsweise durch eine Diktatur bedroht sehen und legitimierten damit ihre Gewalt, fürchtet Funke.


Zu unserer Symbolaufnahme „Aufmarsch der Rechten“: Neonazi-Demonstration am 2. April 2005 in München.
(Foto: Rufus46/Wikipedia/Wikimedia Commons/unter Lizenz CC BY-SA 3.0 –
vollständiger Lizenztext: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)


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