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Bonn/München. Die in Bonn ansässige europäische Beschaffungsbehörde OCCAR hat am 6. September einen mit rund 70 Millionen Euro dotierten Rüstungsvertrag für die Entwicklung einer neuen Boxer-Variante mit einem Missionsmodul für sogenannte „Joint Fire Support Teams“ (JFST) vergeben. Wie OCCAR in einer Pressemitteilung erläuterte, beinhaltet der Auftrag für die Bundeswehr-Fahrzeuge die Entwicklung und Lieferung von zwei Prototypen plus einem Boxer-Referenzsystem für Test- und Versuchsreihen. Auftragnehmer ist die ARTEC GmbH mit Sitz in München, ein 1999 gegründetes Joint Venture der Rüstungskonzerne Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall. ARTEC koordiniert die Serienfertigung und dient als Anlaufstelle für alle Exportfragen im Hinblick auf den Boxer.

Wie die OCCAR (Organisation Conjointe de Coopération en matière d’Armement/Organisation for Joint Armament Co-operation/Gemeinsame Organisation für Rüstungskooperation) in ihrer Presseverlautbarung weiter schreibt, werden für die beiden Boxer-Prototypen „Joint Fire Support Team, schwer“ (kurz JFSTsw) die Antriebsmodule entsprechend der Fahrzeug-Version A2, die bei der Bundeswehr eingesetzt ist, ausgewählt.

Der Boxer JFSTsw wird neben dem A2-Antriebsmodul ein neues Missionsmodul haben. Dieses Missionsmodul wird insgesamt drei neue Subsysteme beinhalten. Erstens ein Beobachtungs- und Überwachungssystem der Firma Thales (Bezeichnung „Stabilised Panoramic Above Armour Gimbal“ – kurz PAAG) in der Version „PAAG JFS“. Zweitens die ferngesteuerte Waffenstation (Remote Weapon Station, RWS) „Protector M153“ von Kongsberg, Norwegen. Drittens das NGVA-Netzwerk, um eine tiefere Integration der neuen Subsysteme zu ermöglichen (NGVA = NATO Generic Vehicle Architecture).

Identifizieren, verfolgen und bekämpfen von Zielen

Das „PAAG JFS“ von Thales ist ein elektronisches Überwachungssystem, das vom Inneren des Boxer-Fahrzeugs aus ferngesteuert wird. Es bietet den Nutzern ein stabilisiertes „Detection, Recognition, Identification“ (DRI) mit großer Reichweite und der Möglichkeit, während der Fahrt bei Tageslicht und in der Nacht mit Waffen zu zielen. Es kann auch über das Fahrzeugdach gehoben werden, um die Überwachung von Zielen hinter einer Dachlinie zu ermöglichen, ohne dass der Benutzer in eine direkte Sichtlinie gerät, was das Einsatzrisiko erheblich verringert. (Anm.: „Detection, Recognition, and Identification“ sind bestimmte Richtlinien, die durch das Leistungsmodell für Nachtsicht-Wärmebildsysteme – auch Johnson-Kriterien genannt – festgelegt wurden. Dabei handelt es sich um eine allgemein anerkannte Reihe von Standards, die ursprünglich von der US-Armee entwickelt wurden, um die Entfernung zu messen, aus der ein Wärmesensor ein Bild eines bestimmten Ziels erzeugen kann.)

Die Remote Weapon Station „Protector M153“ ist ein elektronisches Waffensystem, das im Boxer-Mannschaftsraum bedient wird. Dieser ferngesteuerte Vorgang erfolgt an einem NGVA-kompatiblen Bildschirm mit Hilfe eines Steuerknüppels (Control-Stick). Das RWS umfasst eine Reihe von elektronischen Sensoren zur Identifizierung, Verfolgung und Bekämpfung von Zielen in unterschiedlichen Umgebungen.

Streitkräftegemeinsame taktische Feuerunterstützung

Ein Joint Fire Support Team ist ein Zusammenschluss der Artilleriebeobachter, vorgeschobenen Beobachter der Mörser sowie der Fliegerleittrupps zu einem Team, das die Kampftruppe begleitet und die Fähigkeit zur streitkräftegemeinsamen taktischen Feuerunterstützung hat. Das JFST fordert Steilfeuer an (Rohr- und Raketenartillerie, Mörser, taktische Feuerunterstützung von See an Land sowie Luftnahunterstützung) und koordiniert und lenkt dieses indirekte Feuer danach auch.

Die einzelnen Teams bestehen aus jeweils einem Boden-Boden-Trupp, der das Feuer der Artillerie oder Mörser lenkt, und einem Luft-Boden-Trupp, der luftgestützte Waffen (Kampfhubschrauber des Heeres sowie Wirkmittel der Luftwaffe) zur Wirkung bringt. Nach der Abwägung, Priorisierung und Entscheidung wird dem JFST ein bestimmtes Waffensystem zugeteilt und in enger Absprache mit der Kampftruppe das Ziel bekämpft.

Die Aufgaben dieser Spezialisten (deutsche Bezeichnung „gemeinsamer Feuerunterstützungstrupp“) sind vielfältig. Unter anderem gehören dazu die Überwachung des Gefechtsfeldes, die Zielaufklärung und Zielbestimmung, die Feuerlenkung eigener Waffen, das Feststellen der Ergebnisse des Waffeneinsatzes, die Auswertung und Meldung der eigenen Aufklärungsergebnisse und die anderer Truppen, das Annehmen und Weiterleiten von Feueranforderungen der Kampftruppe sowie das Halten der Verbindung zum örtlichen unterstellten Führer der Kampftruppe.

Wesentliches Element der vernetzten Operationsführung der Streitkräfte

Als der Haushaltsausschuss des Bundestages in seiner Sitzung am 23. Juni die Mittel für insgesamt 27 „25-Millionen-Euro-Vorlagen“ freigegeben hatte, gehörte auch der Bereich „Joint Fire Support Team, schwer“ dazu (Anm.: Rüstungsinvestitionen unterliegen in Deutschland der politischen Kontrolle. Alle Beschaffungs- und Entwicklungsprojekte der Bundeswehr mit einem Investitionsvolumen von 25 Millionen Euro oder mehr bedürfen vor Vertragsschluss der gesonderten Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages. Daher haben die 25-Millionen-Euro-Vorlagen auch ihren Namen.)

Das Bundesministerium der Verteidigung schrieb wenige Tage später über die Ausschussentscheidung zum Beschaffungsvorhaben „JFSTsw“: „Beim Missionsmodul ,Joint Fire Support Team, schwer‘ – kurz JFSTsw – handelt es sich um eine Maßnahme des Fähigkeitsaufwuchses zur streitkräftegemeinsamen taktischen Feuerunterstützung. Ziel ist, die Truppe mit dem am besten geeigneten land-, luft- oder seegestützten deutschen oder alliierten Feuer aus Artillerie- oder luftgestützten Systemen zu unterstützen.“

Das Ministerium weiter: „Das Modul JFSTsw basiert auf der eingeführten Trägerplattform Boxer und ist ein Komplementärsystem zum bereits in die Streitkräfte eingeführten System auf dem Radpanzer Fennek. Das Missionsmodul koordiniert das Feuer dieser bodengebundenen Wirksysteme und den Einsatz der Kampfhubschrauber des Heeres, aber auch der Wirkmittel der Luftwaffe und der Marine. All diese Systeme sind ein wesentliches Element der vernetzten Operationsführung der Streitkräfte.“


Zu unserem Bildmaterial: Ein von einem Boxer GTK des Deutschen Heeres abgesessener Schützentrupp wird vom Fahrzeug aus mit der Waffenstation FLW 200 gesichert.
(Foto: KMW)

Kleines Beitragsbild: Der Boxer wird – wie die Grafik zeigt – vom Hersteller in zahlreichen Varianten und für verschiedene Aufgabenstellungen angeboten.
(Bild: nr; Bildüberarbeitung und Bildmontage: mediakompakt)


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