menu +

Nachrichten


Berlin/Hamburg/Sydney (Australien). Angeblich sollen mehrere englischsprachige Geheimdienste in einem gemeinsamen Dossier schwere Vorwürfe gegen China bezüglich des Coronavirus-Ausbruches erhoben haben. Diese Meldung ging kürzlich um die Welt. Doch nach Recherchen des Norddeutschen Rundfunks (NDR) liegen dem Bundesnachrichtendienst (BND) Informationen vor, dass es dieses vermeintliche Papier so nicht gibt.

Die Nachricht machte am vergangenen Sonntag und Montag (3. und 4. Mai) weltweit Schlagzeilen: Westliche Geheimdienste sollen ein Dossier zusammengestellt haben, in dem es heißt, China habe das wahre Ausmaß des Corona-Ausbruchs heruntergespielt. In dem 15-seitigen Papier werde den chinesischen Behörden Vertuschung vorgeworfen werden, es handle sich um einen „Anschlag auf die internationale Transparenz“. So berichteten es die Medien.

Den Medienbeiträgen zufolge stammt das Papier von den sogenannten „Five Eyes“, einer Kooperation der Geheimdienste von Australien, Neuseeland, Kanada, Großbritannien und den USA.

Nun gibt es jedoch erhebliche Zweifel daran, dass ein solches Geheimdienstpapier überhaupt existiert. Nach Informationen des NDR soll der BND am gestrigen Mittwoch (6. Mai) den Obleuten des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag über eigene Erkenntnisse zu China im Rahmen der Coronavirus-Pandemie berichtet haben.

Vielleicht auch eine gezielt lancierte Desinformation

Laut Teilnehmern der vertraulichen Sitzung referierte BND-Vizepräsident Michael Baumann auch über das sogenannte „Five Eyes“-Papier. Der Nachrichtendienst habe bei den fünf Partnern nachgefragt. Diese hätten daraufhin mitgeteilt, dass man keine Kenntnis von einem gemeinsamen Papier habe, so der Brigadegeneral. Die Vertreter des BND erklärten den Abgeordneten, so der NDR weiter, dass das Dossier „vielleicht von einem der Partnerdienste erstellt“ worden sein könnte und es „zu einer Verwechselung gekommen“ sei. Es könne sich aber auch „um eine gezielte Falschnachricht“ handeln.

Der Bundesnachrichtendienst wollte sich auf eine Anfrage des NDR dazu nicht äußern. Ein Sprecher erklärte, dass man „eigene Erkenntnisse oder operative Aspekte ausschließlich der Bundesregierung und den zuständigen, geheim tagenden Gremien im Bundestag“ berichte.

Wem sind australische Redakteure auf den Leim gegangen?

Über das vermeintliche Geheimdienst-Papier hatte als erstes Medium die New York Post berichtet. Den Beitrag „China lied about origin of coronavirus, leaked intelligence report says“ („China hat über den Ursprung des Coronavirus gelogen, so ein durchgestochener Geheimdienstbericht“) von Dana Kennedy übernahm danach der australische Daily Telegraph. Dort wurde der Artikel aus den USA am 4. Mai um 9:17 Uhr Ortszeit (Sydney) veröffentlicht. Am selben Tag, um 12:21 Uhr, erschien in der Tageszeitung in Sydney ein langer Beitrag von Sharri Markson, der sich im Kern auf die Aussagen des Beitrags der New York Post stützte, aber mit wesentlich mehr Hintergrundinformationen und Zusatzdetails aufwartete. Marksons Arbeit trägt die Überschrift „Coronavirus: Dossier lays out case against China bat virus program“ („Coronavirus: Dossier befasst sich mit dem Fall des chinesischen Fledermausvirus-Programms“).

Markson teilte auf Anfrage des NDR mit, sie habe nicht geschrieben, dass es sich um ein Dossier der „Five Eyes“ gehandelt habe. Tatsächlich ist aber im Artikel im Onlineauftritt des Daily Telegraph die Rede davon, dass „westliche Regierungen das Dossier vorbereitet“ hätten. Weiter unten im Text heißt es dann, dass die „Five Eyes“-Geheimdienste „die Angelegenheit untersuchen“ würden.

Der NDR verweist abschließend auf einen Berichts der britischen Tageszeitung The Guardian. Darin werden die Leser darüber informiert, dass mittlerweile auch Australien klargemacht habe, dass es sich nicht um ein Papier der fünf Dienste handele. Es scheine sich lediglich um eine Zusammenstellung von öffentlich zugänglichem Material zu handeln. Wer diese Arbeit geleistet habe, sei unklar, heißt es im britischen Guardian.


Unser Bild zeigt einen Ausriss des Online-Veröffentlichung „China lied about origin of coronavirus“ der australischen Tageszeitung The Daily Telegraph vom 4. Mai 2020. Bei der Veröffentlichung handelt es sich der Redaktion der Tageszeitung zufolge um einen Nachdruck des zuvor in der New York Post erschienenen Beitrages von Dana Kennedy.
(Gestaltung: mediakompakt)

Kleines Beitragsbild: Collage „Institut für Virologie Wuhan“. Die chinesische Forschungseinrichtung wird von offiziellen Stellen im Westen nach wie vor verdächtigt, für den Ausbruch der Coronavirus-Pandemie in irgendeiner Form verantwortlich zu sein.
(Foto: nr; Gestaltung: mediakompakt)


Kommentieren

Bitte beantworten Sie die Frage. Dies ist ein Schutz der Seite vor ungewollten Spam-Beiträgen. Vielen Dank *

OBEN