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Berlin/Paris. Immer mehr Nationen wollen Mitglied im exklusiven Club der schwimmenden Flugplätze werden. Nun auch Deutschland? Am 10. März veröffentlichte die Welt am Sonntag einen Aufruf der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer als Antwort auf eine Europa-Initiative des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron. In ihrem Text „Europa richtig machen“ erinnerte sie an das Projekt eines deutsch-französischen Kampfflugzeugs der Zukunft und brachte dann den Bau eines gemeinsamen Flugzeugträgers ins Spiel. Der spektakuläre Vorschlag erzeugte ein großes Echo. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezog klar Stellung – sie findet die Idee gut und kann sich einen europäischen Flugzeugträger durchaus vorstellen. Mit Spott reagierte die Mehrheit in den sozialen Medien. Dort wurde die Anregung von Kramp-Karrenbauer mit Hinweis auf den ewig unvollendeten Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg oder das Millionengrab „Gorch Fock“ regelrecht zerpflückt. So meint ein Twitter-Nutzer: „EU-Flugzeugträger funktioniert nur, wenn Frankreich baut, Besatzung stellt und entscheidet. Und Deutschland zahlt“ …

Frankreichs Präsident Macron hatte am 4. März mit seinem Appell „Für einen Neubeginn in Europa“, der kurz darauf in zahlreichen großen europäischen Zeitungen veröffentlich wurde, erneut eine Grundsatzdebatte über die Zukunft unseres Kontinents anstoßen wollen. Kramp-Karrenbauer äußerte sich in ihrem Konzept, eine Antwort auf Macrons Initiative, unter dem Punkt „Sicherheitspolitik“ wie folgt: „Die Europäische Union muss ihre außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit dringend verbessern. Wir müssen transatlantisch bleiben und gleichzeitig europäischer werden. Die EU sollte künftig mit einem gemeinsamen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vertreten sein. Gleichzeitig sollten wir in einem Europäischen Sicherheitsrat unter Einbeziehung Großbritanniens über gemeinsame außenpolitische Positionen entscheiden und das gemeinsame Handeln in der Sicherheitspolitik organisieren. Übrigens wäre auch bei uns in Deutschland ein Nationaler Sicherheitsrat zur Entwicklung strategischer Leitlinien und zur Koordinierung der Außen-, Sicherheits-, Verteidigungs-, Entwicklungs- und Außenwirtschaftspolitik eine sehr bedenkenswerte Idee.“

Versteckt in der Folgepassage heißt es dann: „Bereits jetzt arbeiten Deutschland und Frankreich gemeinsam am Projekt eines europäischen Kampfflugzeugs der Zukunft, andere Nationen sind zur Teilnahme eingeladen. Im nächsten Schritt könnten wir mit dem symbolischen Projekt des Baus eines gemeinsamen europäischen Flugzeugträgers beginnen, um der globalen Rolle der Europäischen Union als Sicherheits- und Friedensmacht Ausdruck zu verleihen.“

Bundeskanzlerin Merkel bereit, an dem Rüstungsprojekt mitzuarbeiten

Bundeskanzlerin Merkel war offenbar in die Gedankenwelt der CDU-Vorsitzenden eingeweiht. Als sie am 11. März bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz mit Lettlands Ministerpräsident Krišjanis Karinš in Berlin von einem Journalisten auf das Europa-Konzept von Kramp-Karrenbauer angesprochen wurde, zögerte sie bei der Antwort keinen Augenblick. Zum Thema „Flugzeugträger“ sagte Merkel: „Flugzeugträger finde ich gut. Aber wir haben ja erst einmal noch andere Dinge prioritär zu machen. Dass wir auch von europäischer Seite über eine solche Ausrüstung verfügen, das finde ich richtig und gut. Ich bin gern bereit, daran mitzuarbeiten.“

Dass die großen Presseagenturen und nationalen Leitmedien daraus fast schon ein Flugzeugträger-Bauprogramm machten, verwundert nicht. So schrieben beispielsweise die Blätter der Funke-Mediengruppe: „Die Kanzlerin setzt auf eine stärkere europäische Verteidigung. Sie will einen Flugzeugträger – in Zusammenarbeit mit Frankreich.“ Der Nachrichtensender n-tv etwa strickte aus der Pressekonferenz-Passage die Schlagzeilen „Staatenbund als ,Friedensmacht‘: Merkel für Bau von Europa-Flugzeugträger“. Eine Nummer unaufgeregter titelten die Kollegen des ZDF: „Kanzlerin Angela Merkel hat sich für den Bau eines europäischen Flugzeugträgers zusammen mit Frankreich ausgesprochen.“

Sozialdemokraten sprechen von „teuren Aufrüstungsfantasien“

Der Koalitionspartner SPD lehnt den Bau eines deutsch-französischen Flugzeugträgers oder Flugzeugträgers unter Europaflagge kategorisch ab. Der Stellvertretende SPD-Vorsitzender Ralf Stegner hält den Vorschlag von CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer wenige Wochen vor der Europawahl für „völlig verfehlt“. „Teure Aufrüstungsfantasien helfen uns nicht weiter“, meinte er. Der SPD-Verteidigungsexperte Rolf Mützenich sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) der Madsack-Mediengruppe: „Die Forderung nach einem europäischen Flugzeugträger bedeutet einen Paradigmenwechsel im Selbstverständnis der europäischen Sicherheitspolitik“. Seiner Ansicht nach sei mit Bundeskanzlerin Merkel „die Fantasie durchgegangen“.

Der SPD-Politiker Thomas Oppermann, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und Vizepräsident des Bundestages, äußerte seine Meinung auf Twitter: „Angela Merkel folgt jetzt AKK und will auch einen Flugzeugträger. Das ist – auch für diejenigen, die zu Recht der Auffassung sind, dass wir in Zukunft mehr für die eigene Sicherheit tun müssen – eine Schnapsidee.“

Der frühere Diplomat Wolfgang Ischinger, der seit 2008 die Münchner Sicherheitskonferenz leitet, verwies auf Twitter darauf, dass ein Flugzeugträger „ein Instrument geopolitischer/militärischer Machtprojektion“ sei. Eine Einsatz-Voraussetzung wäre eine gemeinsame Strategie sowie ein zielgerichteter Entscheidungsmechanismus, erklärt er. Das Urteil Ischingers: „Für Deutschland Lichtjahre entfernt!“

Klartext auch von Matthias Wachter, Abteilungsleiter beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Er twitterte: „Deutschland macht sich lächerlich und handelt verantwortungslos. Vorgestern NATO 1,5% Verteidigungsausgaben vom BIP bis 2024 verbindlich eingemeldet, gestern europäischen Flugzeugträger gefordert und heute Bundeswehretat faktisch (real) gekürzt.“

Bis 2030 eine ganze chinesische Flugzeugträger-Flotte?

Derzeit können elf Länder zum Club der Flugzeugträger-Nationen gezählt werden (siehe unsere beiden Infografiken). Die USA liegen im Ranking weit an der Spitze und betreiben mit elf „Supercarriern“ die größte Trägerflotte. Zwei neue schwimmende Riesenplattformen – die USS John F. Kennedy und die USS Enterprise – befinden sich in der Bauphase. Hinzu kommen neun amphibische Hubschrauberträger, von denen auch senkrecht startende und landende Flugzeuge operieren können. Auch hier sind weitere Einheiten im Bau.

Das Land, das beim Flugzeugträger-Bau ebenfalls in die Vollen geht, ist China. Bis 2020 plant das Riesenreich, mindestens zwei Träger voll betriebsfähig zu haben. Ein dritter, noch größerer und noch besser ausgestatteter Flugzeugträger soll folgen. Experten halten eine Flotte von fünf bis sechs chinesischen Trägern bis 2030 für durchaus realistisch.

Die britische Marine wird mit dem Neubau ihrer beiden großen Träger „Queen Elizabeth“ und „Prince of Wales“ – bestückt mit US-Kampfjets des Typs F-35 B für den Kurzstart und die Senkrecht-Landung – wieder über eine schlagkräftige seegestützte Marineflieger-Komponente verfügen. Die „Queen Elizabeth“ wurde am 7. Dezember 2017 in Dienst gestellt, die Indienststellung des zweiten Flugzeugträgers soll im Jahr 2020 erfolgen.

Der französische Träger „Charles de Gaulle“, der seit 2001 im Einsatz ist, hat gerade erst eine 18-monatige Wartungsphase durchlaufen. Gewechselt wurden dabei auch die Brennstäbe des Atomantriebs. Der Werftaufenthalt soll Medienberichten zufolge etwa eine Milliarde Euro gekostet haben. Paris plant derzeit einen zweiten Flugzeugträger, der (ohne Flugzeuge) rund 4,5 Milliarden Euro verschlingen wird und wohl 2030 in Dienst gestellt werden könnte. Die Aussagen von Kramp-Karrenbauer und Merkel zum Thema „europäischer Carrier“ zum jetzigen Zeitpunkt sollten auch vor diesem Hintergrund bewertet werden.

Russlands Carrier-Ambitionen auch in Zukunft überschaubar

Russland hat mit der „Admiral Kusnezow“ momentan nur einen Flugzeugträger, der zudem außer Gefecht ist. Die „Kusnezow“ muss repariert und modernisiert werden. Die Kosten dafür werden auf rund 757 Millionen Euro veranschlagt. Die Dienstzeit des Trägers soll dann um weitere 20 Jahre verlängert werden. Bereits im Juni 2017 hatten russische Medien gemeldet, dass die Seekriegsflotte des Landes voraussichtlich einen neuen Träger aus eigener Produktion bekommen wird. Dies hatte Marine-Vizechef Viktor Bursuk bekanntgegeben.

Italien mit der „Cavour“ (und vorübergehend „Giuseppe Garibaldi“) sowie Spanien mit der „Juan Carlos I“ besitzen schwimmende Marineplattformen in etwas kleinerer Dimension. Der italienische Träger „Cavour“ ist derzeit im Marinearsenal Tarent, wo bis 2020 Modernisierungs- und Umbauarbeiten durchgeführt werden. Das Schiff soll anschließend die neuen Kampfflugzeuge F-35B von Lockheed Martin erhalten. Der kleine Träger „Giuseppe Garibaldi“, der ab 2012 vorwiegend als Hubschrauberträger für amphibische Operationen gedient hatte, steht während der Werftliegezeit der „Cavour“ wieder für den Betrieb der bisherigen Senkrechtstarter AV-8B Harrier bereit. Das spanische Mehrzweckkriegsschiff „Juan Carlos I“ kann sowohl in der Rolle eines Flugzeugträgers als auch als amphibisches Angriffsschiff eingesetzt werden.

In diesem Jahr noch vom Stapel laufen soll der erste Flugzeugträger der Türkei, der in der Tuzla-Sedef-Werft in Istanbul entsteht. Die „Anadolu“ wird nach dem Vorbild des spanischen Trägers „Juan Carlos I“ und mit Beratung des spanischen Rüstungsunternehmens Navantia gebaut. Sie soll ab 2021 das neue Flaggschiff der türkischen Marine sein und einmal im Mittelmeer, im Atlantik und im Indischen Ozean operieren.

Oft mehr Prestige als wirklicher militärischer Nutzen

Abschließend noch einmal einen Blick auf den asiatischen Raum – nach Indien, Thailand und Japan. Indien verfügt mit dem am 16. November 2013 in Dienst gestellten Flugzeugträger „Vikramaditya“ über ein Schiff mit langer Vergangenheit – die „Vikramaditya“ ist der ehemalige russische Träger „Admiral Gorschkow“, der 2004 in Russland gekauft und dort bis 2012 entsprechend den Anforderungen der indischen Marine umgebaut worden war. Die „Vikramaditya“ ist ausgestattet mit Kampfflugzeugen des Typs MiG-29K (auch die „Admiral Kusnezow“ hat diese Maschinen, hinzu kommen dort noch Jagdbomber vom Typ Su-27K/Su-33). Die am 12. August 2013 vom Stapel gelaufene „Vikrant“ ist das erste Kriegsschiff dieser Größenordnung, das von Indien weitgehend in Eigenregie gebaut wird. Die Indienststellung sollte bereits Ende 2018 erfolgen, wurde aber verschoben. Medienberichten zufolge sind die Erprobungsfahrten der „Vikrant“ jetzt für 2020 geplant. Zum Flottenbauprogramm der Inder gehört – neben zahlreichen neue Überwasserkriegsschiffen und atomar betriebenen Ubooten – mindestens auch noch ein Atom-Flugzeugträger nach Vorbild der amerikanischen Supercarrier. Dieser dritte indische Träger (Projektname „Vishal“) könnte nach Ansicht von Fachkreisen etwa 2025 fertiggestellt sein.

Die thailändische leichte „Chakri Naruebet“ ist weltweit der kleinste unter den modernen Flugzeugträgern. Das Schiff lief 1996 vom Stapel; seit 2009 befindet es sich ausschließlich im Stützpunkt des Tiefseehafens Chuk Samet und dient als Basis für Hubschrauber S-70B Seahawk. Der Träger kann auch Senkrechtstarter des Typs AV-8S Harrier aufnehmen.

Japan will sich angesichts des militärischen Aufrüstens Chinas erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs einen eigenen Flugzeugträger zulegen. Deshalb soll ein Schiff, das bislang nur für den Transport von Hubschraubern ausgelegt ist, umgebaut werden. Das sehen neue Verteidigungsrichtlinien vor, die das Kabinett von Ministerpräsident Shinzo Abe im vergangenen Dezember beschlossen hat. Diese Entscheidung verstoße nicht gegen die pazifistische Verfassung Japans, hieß es in Regierungskreisen. Umgebaut werden soll der Zerstörer „Izumo“. Die Umrüstung des zweiten Helikopter-Zerstörers, der „Kaga“, ist ebenfalls ein Thema. Für die japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte sollen außerdem Kampfflugzeuge der Schutzmacht USA vom Typ F-35B beschafft werden. Die F-35B können wie bereits erwähnt auch senkrecht starten und sollen künftig auf dem geplanten Flugzeugträger (oder den beiden Trägern) zum Einsatz kommen.


Zu unserem Bildangebot:
1. Truppenbesuch von Angela Merkel am 19. Januar 2016 bei der Marine in Kiel. Die Aufnahme zeigt die Bundeskanzlerin im Gespräch mit einem Kampfschwimmer.
(Foto: Matthias Letzin/Bundeswehr)

2. Unsere beiden Infografiken („Renaissance der Flugzeugträger 1“ und „Renaissance der Flugzeugträger 2“) listen die Länder auf, die einen oder mehrere Flugzeugträger besitzen, gerade bauen oder planen. Der Hintergrund der ersten Grafik zeigt den französischen Flugzeugträger „Charles de Gaulle“, hinter ihm die „Dwight D. Eisenhower“ der US-Marine. Die Aufnahme entstand am 1. Juli 2012 im Mittelmeer.
(Foto: Julia A. Casper/U.S. Navy;
Infografik © Christian Dewitz/mediakompakt 03.19)

3. Auf dem Hintergrundbild unserer zweiten Grafik ist der britische Flugzeugträger „Queen Elizabeth“ zu sehen. Das Foto vom 12. November 2018 zeigt den Carrier im Nordatlantik. Zu dieser Zeit durchliefen Schiff und Besatzung eine der Testphasen zur Einführung der neuen Kampfjets F-35B. Die Maschinen des amerikanischen Rüstungskonzerns Lockheed Martin besitzen Kurzstartfähigkeiten und können auf einem Flugzeugträger senkrecht landen.
(Foto: Dane Wiedmann/U.S. Navy, Lockheed Martin;
Infografik © Christian Dewitz/mediakompakt 03.19)

Im Großbild der START-Seite ist der amerikanische Flugzeugträger John C. Stennis zu sehen, im Hintergrund der amerikanische Lenkwaffenzerstörer „Mobile Bay“. Die Aufnahme wurde am 3. März 2019 im Südchinesischen Meer gemacht.
(Foto: Bryan Niegel/U.S. Navy)

Kleines Beitragsbild: 27. April 2006 im Persischen Golf – der französische Flugzeugträger „Charles de Gaulle“, im Hintergrund der US-Träger „Ronald Reagan“.
(Foto: Mate Spike Call/U.S. Navy)


Kommentare

  1. Herbert Eisenbeiß | 12. Oktober 2023 um 14:01 Uhr

    Ich finde es erschreckend, wie sehr Politiker immer mit der Wahrheit hinter dem Berg halten!

    Jeder halbwegs gebildete Soldat weiß, dass ein Flugzeugträger alleine so viel Sinn macht wie keiner. Denn wenn man es wirklich ernst damit meint und seiner Einsatzfähigkeit, dann braucht man davon immer mindestens zwei – ein Flugzeugträger könnte ja mal beschädigt sein, oder im Zweifelsfall sein Update im Trockendock bekommen.

    Das bedeutet, wenn man es ernst mit sowas meint, dann braucht Europa mindestens zwei Flugzeugträger, besser drei.

    Und dann ist als nächstes die Frage: Wofür sollen sie eingesetzt werden? Welche Staaten stellen die Begleitschiffe? Und am wichtigsten: Wer bezahlt den ganzen Spaß, denn nicht umsonst heißt es „Flugzeugträger frisst Flotte“!

    Wie gut das funktioniert, nur einen Flugzeugträger in Dienst zu haben, kann man an Frankreich sehen, dessen Träger „Charles de Gaulle“ ist eine Lachnummer.

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