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Berlin. Der Verdacht auf rechte Netzwerke in der Bundeswehr, er bleibt. Das für die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes zuständige Parlamentarische Kontrollgremium hat nun einen entsprechenden Lagebericht „zu Erkenntnissen über mögliche rechte Netzwerke“ aktiver und ehemaliger Soldaten beauftragt. Das teilte der Bundestag am gestrigen Freitag (12. April) mit. Der Bericht soll bis etwa zur Jahresmitte fertig sein. Die Federführung hat der Ständige Beauftragte des Gremiums, der Verwaltungsjurist Arne Schlatmann.

Der Verdacht auf rechtsextremistische Bundeswehr-Netzwerke beschäftigte zuletzt mehrfach den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und andere Sicherheitsbehörden, ohne dass sich entsprechende Hinweise bestätigen ließen. Das Parlamentarische Kontrollgremium behandelt das Thema seit Ende 2018.

Besonders die taz hatte die Öffentlichkeit davor immer wieder mit alarmierenden Rechercheergebnissen konfrontiert (im Beitrag der Zeitung vom 26. November 2018 heißt es beispielsweise: „Die taz legte ein rechtes Netzwerk in der Bundeswehr und in Behörden offen – die politisch Verantwortlichen reagieren darauf bisher nur mit Schweigen“). Für Negativschlagzeilen sorgte in den letzten Monaten auch immer wieder das Kommando Spezialkräfte, in dessen Reihen rechtes Gedankengut durchaus auf fruchtbaren Boden fällt. Angehörige des Kommandos spielten auch bei den Nachforschungen des taz-Teams nach Netzwerken in und um die Bundeswehr immer wieder eine Rolle

Rechtsextreme Verdachtsfälle in der Bundeswehr

Die letzten offiziellen Zahlen des MAD über rechtsextreme Verdachtsfälle in der Truppe stammen vom 6. März. An diesem Mittwoch veröffentlichte die Bundesregierung ihre Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Themenkomplex „Mögliche rechtsextremistische Verbindungen in der Bundeswehr und in den Sicherheitsbehörden“.

Demnach hat der MAD im Jahr 2018 im Phänomenbereich „Rechtsextremismus“ 270 Verdachtsfallbearbeitungen neu aufgenommen. Insgesamt befinden sich laut Bundesregierung in diesem Bereich aktuell 450 Verdachtsfälle in Bearbeitung.

Im Jahr 2017 konnten 221 rechtsextremistische Verdachtsfälle abgeschlossen werden. In sechs dieser Fälle wurde die Verdachtsperson als „Extremist in der Bundeswehr“ bewertet. Im Jahr 2018 wurden 210 rechtsextremistische Verdachtsfälle abgeschlossen, wobei in vier Fällen die jeweilige Verdachtsperson als „Extremist in der Bundeswehr“ bewertet wurde.

Insgesamt wurden von 2007 bis 2018 vom MAD 5229 rechtsextremistische Verdachtsfälle abgeschlossen, wovon 244 zum Bearbeitungsergebnis „Extremist in der Bundeswehr“ führten. Von diesen 244 Fällen stammten 213 aus der Zeit vor Aussetzung der Allgemeinen Wehrpflicht.

Von den momentan rund 450 in Bearbeitung befindlichen rechtsextremistischen Verdachtsfällen weisen 34 mutmaßliche Bezüge zur Identitären Bewegung auf. Darüber hinaus gibt es der Bundesregierung zufolge 34 Verdachtsfälle mit mutmaßlichem Bezug zur Reichsbürger-/Selbstverwalterszene.

Ständiger Bevollmächtigten des Kontrollgremiums

Das Parlamentarische Kontrollgremium ist für die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes zuständig und überwacht das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst. Die Bundesregierung ist nach dem sogenannten Kontrollgremiumgesetz dazu verpflichtet, dem Kontrollorgan umfassend über die allgemeinen Tätigkeiten der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Das Gremium kann von der Regierung außerdem Berichte über weitere Vorgänge verlangen.

Das Amt des Ständigen Bevollmächtigten des Kontrollgremiums wurde mit dem Gesetz zur weiteren Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes geschaffen, das der Bundestag am 21. Oktober 2016 verabschiedet hat. Ständiger Bevollmächtigten des Gremiums ist seit dem 10. Januar 2017 Arne Schlatmann. Er leitete zuvor als Ministerialdirigent die Unterabteilung „Rechts- und Grundsatzangelegenheiten der öffentlichen Sicherheit“ im Bundesministerium des Innern.

Der Bevollmächtigte soll als „Hilfsorgan“ das Gremium bei der Kontrolle der deutschen Nachrichtendienste unterstützen und als dessen verlängerter Arm die Rechte des Kontrollgremiums gegenüber der Bundesregierung und den Nachrichtendiensten des Bundes wahrnehmen.


Zu unserem Bildmaterial:
1. Jährliche Öffentliche Anhörung beim Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages. Die Aufnahme vom 16. November 2018 zeigt im Bildvordergrund (mit dem Rücken zum Betrachter) die Präsidenten der deutschen Nachrichtendienste. Von links: Christof Gramm (Militärischer Abschirmdienst), Thomas Haldenwang (Bundesamt für Verfassungsschutz) und Bruno Kahl (Bundesnachrichtendienst).
(Foto: Achim Melde/Deutscher Bundestag)

2. Am 10. Januar 2017 überreichte der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert (rechts) dem neuen Ständigen Bevollmächtigten des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Arne Schlatmann, die Ernennungsurkunde.
(Foto: Achim Melde/Deutscher Bundestag)


Kommentare

  1. Dr.-Ing. U.Hensgen | 17. April 2019 um 20:31 Uhr

    Wie der Bericht darlegt, wurden im Jahr 2017 insgesamt 221 Fälle abgeschlossen und führten in 6 Fällen zur Einstufung „Extremist in der Bundeswehr“. Also in 2,72 Prozent der abgeschlossenen Fälle hat sich nach Einschätzung des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) der Verdacht bestätigt. Bei der unterstellten Personalzahl von 200.000 Personen für die gesamte Bundeswehr zeigt dieses Ergebnis, dass 0,003 Prozent der Bundeswehrangehörigen als rechtsextrem anzusehen sind.

    2018 wurden 210 Fälle abgeschlossen. In 4 Fällen führte es zur Einstufung „Extremist in der Bundeswehr“. Der Verdacht bestätigte sich also in 1,9 Prozent der abgeschlossenen Fälle. Bezogen auf die gesamte Bundeswehr sind dies dann 0,002 Prozent.

    Ich persönlich halte jede Form des Extremismus für falsch, menschenverachtend und letztendlich führt Extremismus nur wieder zu Konzentrationslagern wie wir sie unter Hitler, Stalin, den Roten Khmer oder ähnlichen Ideologen kennengelernt haben. Deshalb halte ich es für dringend geboten, dass jedem Verdacht ohne Ansehen der Person nachgegangen wird. Allerdings muss jedem Verdacht nachgegangen werden; auch dem Verdacht auf Linksextremismus. Wenn ich an den G20-Gipfel in Hamburg erinnern darf, sind dort sehr viele Verbrechen von Links orientierten Menschen begangen worden.

    Aber zurück zur Bundeswehr und dem Rechtsextremismus. Die Soldaten der Bundeswehr haben einen Eid geleistet und sind bereit ihr Leben und ihre Gesundheit für unseren Staat aufs Spiel zu setzen. Diese Bereitschaft haben sie in ihren Einsätzen unter Beweis gestellt. Warum verlassen dann 6 Personen (nachgewiesen im Jahr 2017) und 4 Personen (nachgewiesen im Jahr 2018) den Boden des Grundgesetzes? Liegt es an unserer Gesellschaft, an der Führung der Bundeswehr oder mangelnder Anerkennung und Unterstützung ihrer Arbeit, wie es von der Polizei her ja auch bekannt ist?

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