menu +

Nachrichten


Bonn/Berlin. Die Bundeswehr berechnet seit Jahren das Gehalt für neu eingestellte Soldaten falsch – häufig zu deren Lasten. Zu diesem Urteil kommt der Bundesrechnungshof in seinen aktuellen „Bemerkungen 2019 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes“, die am Dienstag dieser Woche (10. Dezember) der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Das Verteidigungsministerium habe zudem gegen seine Zusage gegenüber dem Parlament verstoßen, fehlerhafte Gehaltszahlungen zu vermeiden, so der Bundesrechnungshof weiter. Das Ministerium müsse jetzt endlich die vom Bundestag geforderten wirksamen Kontrollmechanismen einführen und den betroffenen Bundeswehrangehörigen das richtige Gehalt überweisen.

Bereits 2013 hatte der Bundesrechnungshof mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass die Bundeswehr Gehaltsstufen in vielen Fällen falsch festgesetzt hatte. Das Parlament hatte daraufhin das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) aufgefordert, fehlerfreie Zahlungen sicherzustellen und dies auch wirksam zu kontrollieren.

2017 mussten die Finanzkontrolleure erneut feststellen, dass die Bundeswehr weiterhin in zahlreichen Fällen Gehaltsstufen fehlerhaft und verspätet bestimmte. Teilweise dauert die Bearbeitung der Stufenfestsetzung inzwischen immer noch mehr als zwei Jahre. Auch wirksame Kontrollmechanismen fehlen weiterhin.

In seinen Jahresband „Bemerkungen 2019“ legt der Bundesrechnungshof ausführlich dar (Kapitel 1412, Titel 423 01), was es mit den falsch berechneten Gehältern auf sich hat. Wir haben uns das mal angesehen …

In vielen Fällen ein zu geringes Grundgehalt angesetzt

Das Grundgehalt der Soldaten wird nach Stufen bemessen. Der Aufstieg in die nächsthöhere Stufe richtet sich nach bestimmten Dienstzeiten, in denen anforderungsgerechte Leistungen erbracht wurden (Erfahrungszeiten). Mit der ersten Ernennung wird ein Grundgehalt der Stufe 1 festgesetzt, soweit nicht Erfahrungszeiten vor dem Eintritt in den Soldatenstatus anerkannt werden.

Bis Ende 2015 begann der für den Aufstieg in die Stufe 2 maßgebliche Zeitraum erst ab dem vollendeten 21. Lebensjahr. Ab dem Jahr 2016 wurden die Regelungen vereinfacht. Der Gesetzgeber änderte die Stufenlaufzeiten und ermöglichte es, berufliche Vorerfahrungszeiten bei der Stufenfestsetzung anerkennen zu können. Das Lebensalter spielt nun keine Rolle mehr.

Der Bundesrechnungshof hatte bereits im Jahr 2013 darauf hingewiesen, dass die Bundeswehr die Stufen in vielen Fällen falsch ermittelt hatte (Bundestagsdrucksache 18/111, Seite 259). So erhielten zahlreiche Betroffene ihre Gehälter in falscher Höhe. Meistens wurde ein zu geringes Grundgehalt gezahlt. Das Personalwirtschaftssystem der Bundeswehr ermöglichte es nicht, an zentraler Stelle und mit vertretbarem Aufwand die fehlerhaften Stufenfestsetzungen zu ermitteln.

Personalwirtschaftssystem mit „hinterlegten Plausibilitätsprüfungen“

Der Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses des Bundestages forderte daraufhin das Verteidigungsministerium auf, für fehlerfreie Gehaltszahlungen an die Soldaten zu sorgen und dies auch zu überwachen.

Das BMVg informierte im Jahr 2016 den Rechnungsprüfungsausschuss, dass man nun Informations- und Kontrollmechanismen eingeführt habe, um die Qualität der Gehaltszahlungen verbessern zu können. Bei der Einstellung der Soldaten würden jetzt die zahlungsrelevanten Daten im Personalwirtschaftssystem umfangreich geprüft, versicherte das Ministerium. Unvollständige Datensätze würden durch „im System hinterlegte „Plausibilitätsprüfungen“ ermittelt und durch die personalbearbeitende Stelle vervollständigt.

Unverzüglich nach dem Einstellungstermin unterziehe außerdem das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr ausgewählte zahlungsrelevante Daten im Personalwirtschaftssystem einer zusätzlichen Qualitätssicherung. Daneben bestehe die Möglichkeit eines simulierten Abrechnungslaufs. All diese Mechanismen hätten sich bewährt und würden kontinuierlich fortentwickelt. An der dezentralen Aktenführung solle festgehalten werden. Soweit das Bundesministerium der Verteidigung …

Verteidigungsministerium widerspricht plötzlich früheren Angaben

Der Rechnungsprüfungsausschuss nahm damals den Bericht zur Kenntnis und forderte das BMVg auf, entsprechend der Empfehlung des Bundesrechnungshofes im Personalwirtschaftssystem zentrale Kontrollfunktionen zu schaffen. Das Ministerium versprach daraufhin der Bonner Behörde, den Fehlern mit den mittlerweile eingeführten Informations- und Kontrollmechanismen wirksam zu begegnen. Es versicherte auch, dass das Bundesamt den Datenbestand regelmäßig dahingehend prüfe, ob auch alle für die Abrechnung notwendigen Daten erfasst seien.

Darüber hinaus folgte eine steile Kehrtwende: Das BMVg teilte dem Bundesrechnungshof mit, dass eine zentrale Korrektur des Datenbestandes durch das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr nicht vorgesehen und auch nicht möglich sei. Tatsächlich verfüge man auch „lediglich über eingeschränkte Möglichkeiten, eine Plausibilitätsprüfung durchzuführen“. Dies widersprach klar der früheren Darstellung.

Verzögerung des Stufenaufstiegs manchmal sogar mehrere Jahre

2017 prüfte der Bundesrechnungshof die Gehaltszahlungen an neu eingestellte Soldaten unter dem Blickwinkel der Stufenfestsetzung nach der neuen Rechtslage. Dabei stellte er fest, dass das Bundesamt die Stufen wiederum in zahlreichen Fällen fehlerhaft festgesetzt hatte.

Soldaten, die vor Vollendung ihres 21. Lebensjahres ernannt worden waren, wurden erst die entsprechenden Zeiten mit Beginn des 22. Lebensjahres als Erfahrungszeiten angerechnet.

Ursache hierfür war nach Erkenntnissen der Bonner Finanzkontrolleure, dass den im Personalwirtschaftssystem erzeugten Vorschlagswerten für die Erstfestsetzung der Stufen noch die bis Ende 2015 geltende Rechtslage zugrunde lag. Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr korrigierte die fehlerhaften Werte häufig nicht oder erst nach Hinweisen des Bundesverwaltungsamts, das die Besoldung auszahlt. Der Stufenaufstieg von Stufe 1 in die Stufe 2 wurde dadurch bei einzelnen Angehörigen der Streitkräfte „um bis zu fast vier Jahre“ verzögert. Auch weitere Stufenaufstiege – beispielsweise von Stufe 2 in die Stufe 3 – verzögerten sich als Folgewirkung dieses Fehlers.

Auch neu eingestellte, ältere Soldaten mit einem höheren Dienstgrad waren davon betroffen. Hier setzte die Bundeswehr für den Beginn des Stufenaufstiegs ebenfalls pauschal den 21. Geburtstag statt den tatsächlichen Zeitpunkt der Ernennung an. Dies konnte zu einer Überzahlung des Grundgehalts führen.

Zudem setzte die Bundeswehr den Beginn des Stufenaufstiegs erst nach langen Bearbeitungszeiten von mehr als sechs Monaten bis zu mehr als zwei Jahren fest. Viele Soldaten haben – so konnte es der Bundesrechnungshof in Erfahrung bringen – mithin keinen Festsetzungsbescheid.

Zwei Jahre nach der Neuregelung teilweise immer noch keine Anpassung

Das Verteidigungsministerium hat darauf Ende Dezember 2017 mit Hinweisen zur bisherigen und neuen Verfahrensweise an das Bundesamt reagiert. Um Überzahlungen zu vermeiden, sollte bei Neueinstellungen ab Anfang 2016 aufgrund der geänderten Rechtslage die Stufe 1 bis zur endgültigen Stufenfestsetzung vorbelegt werden.

Das BMVg sagte zu, die im Personalwirtschaftssystem erzeugten Vorschlagswerte für die Stufenfestsetzung bis März 2018 anzupassen. Eine Begründung, warum es die Werte erst mehr als zwei Jahre nach der Neuregelung umstellte, lieferte das BMVg nicht.

Zentrale Kontrollfunktion unverzüglich einführen

In seiner abschließenden Bewertung erkennt der Bundesrechnungshof zwar an, dass die Bundeswehr „grundsätzlich bemüht“ sei, Fehlzahlungen zu minimieren. Die bisher eingeleiteten Schritte reichten aber nicht aus, fehlerfreie Gehaltszahlungen sicherzustellen, rügt die Behörde.

Auch habe das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr das Personalwirtschaftssystem umgestellt und die vom Bundesrechnungshof beanstandeten Fälle korrigiert. Das Amt hätte jedoch zusätzlich bei allen seit Januar 2016 neu eingestellten Soldaten prüfen müssen, ob weitere Fehlzahlungen durch fehlende oder unzutreffende Stufenfestsetzungen oder fehlerhafte Dateneintragungen entstanden seien.

Nach Ansicht des Bundesrechnungshofes geht zudem die vom BMVg erwähnte Kontrolle durch das Bundesverwaltungsamt „ins Leere“. Das Bundesverwaltungsamt sei lediglich auszahlende Stelle und nicht zuständig für die Kontrolle der Stufenfestsetzung. Das Bundesverwaltungsamt beanstande zwar fehlende Bescheide, diese würden dann aber von der Bundeswehr nicht unverzüglich erstellt – in diesen Fällen verblieben Betroffene in der Stufe 1. Der Bundesrechnungshof schlussfolgerte: „Auch dieser Kontrollmechanismus kann zutreffende Gehaltszahlungen also nicht gewährleisten.“

Insgesamt zeigt sich der Bundesrechnungshof wenig optimistisch in Sachen „korrekte Gehaltszahlungen“. Seine Einschätzung: „Noch immer setzt die Bundeswehr die Stufen nicht durchweg fehlerfrei und zügig fest und noch immer fehlt die zentrale Kontrolle, die der Rechnungsprüfungsausschuss gefordert hatte. Solange dies nicht sichergestellt ist, wird sich […] die Forderung nach ordnungsgemäßen Gehaltszahlungen nicht erfüllen lassen.“

Das Verteidigungsministerium sollte – so die abschließende Forderung der Bonner Behörde – umgehend dafür sorgen, dass die ausstehenden Festsetzungsbescheide erstellt werden und für die Vergangenheit die den Gehaltszahlungen zugrunde liegenden Stufenberechnungen überprüft werden. Es sollte zudem die seit dem Jahr 2013 angemahnte zentrale Kontrollfunktion unverzüglich einführen.


Unser Symbolfoto zeigt den Eingangsbereich einer Bank.
(Bild: nr)

Kleines Beitragsbild: Symbolfoto „Bankgeschäfte“.
(Bild: Deutsche Bank)


Kommentieren

Bitte beantworten Sie die Frage. Dies ist ein Schutz der Seite vor ungewollten Spam-Beiträgen. Vielen Dank *

OBEN