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Berlin/Meckenheim. Der IT-Dienstleister des Bundes und der Bundeswehr, die BWI GmbH, hat einen Rahmenvertrag über 390 Millionen Euro für Beraterverträge eingerichtet. Dies berichtete am heutigen Freitag (9. November) das ARD-Hauptstadtstudio, das aus entsprechenden Dokumenten zitiert. Der Aufsichtsrat der BWI sei über den Rahmenvertrag zunächst nicht unterrichtet worden. Damit werde deutlich, so die ARD, dass die Affäre um Beraterverträge im Umfeld des Bundesministeriums der Verteidigung doch größer sei, als bislang angenommen. Die Opposition fordert Aufklärung.

Die BWI GmbH ist am 1. August 2017 aus der Verschmelzung der BWI Informationstechnik GmbH und der BWI Systeme GmbH hervorgegangen und wurde zugleich von BWI Informationstechnik GmbH in BWI GmbH umbenannt. Die beiden Vorgängergesellschaften waren 2006 von der Bundeswehr gemeinsam mit den Unternehmen IBM und Siemens gegründet worden.

Nach den dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegenden Informationen hatte die Geschäftsführung der BWI den 390 Millionen Euro schweren Rahmenvertrag zunächst für vier Jahre eingerichtet. Der Vergabeprozess sei im August 2017 eingeleitet, der BWI-Aufsichtsrat darüber allerdings zunächst nicht unterrichtet worden. Die Aufseher seien erst in einer Sitzung im Dezember 2017 über den Rahmenvertrag, der eine Vergabe von Beratungsleistungen an andere Unternehmen vereinfachen soll, unterrichtet worden. Das gehe aus internen Dokumenten hervor, so das ARD-Team.

Grüne beklagen ein „massives Transparenzproblem“ in der Bundeswehr

In der Sitzung des Haushaltsausschusses des Bundestages hatte das Thema in der vergangenen Nacht ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt. Zwar sollte laut Tagesordnung dort ursprünglich nur der Verteidigungshaushalt besprochen werden, die Abgeordneten hatten dann aber auch zur Berateraffäre gefragt, nachdem ihnen neue Berichte zur Verfügung gestellt worden waren.

Der Bundestagsabgeordnete Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen) sagte später gegenüber der ARD: „Mein Eindruck nach der Diskussion heute im Haushaltausschuss ist, dass der Umfang von Beratung innerhalb der Bundeswehr noch weitaus größer ist, als wir ihn bisher erahnt haben. Das zeigt ja auch, dass es ein massives Transparenzproblem gibt. Ich habe den Eindruck, dass Verteidigungsministerin von der Leyen selbst gar nicht weiß, wie viele Berater in der Truppe beraten oder unterstützen. Und wenn man das nicht weiß, muss man natürlich fragen: hat sie noch die Kontrolle darüber?“

Wie nun das ARD-Hauptstadtstudio weiter berichtet, habe der Aufsichtsrat der BWI GmbH nach Bekanntwerden des Vorganges eine Unternehmensberatung zur rechtlichen Prüfung der Vorgänge beauftragt. Besonders „pikant“ sei, so meint die ARD, dass in dem Gutachten der Prüfer festgehalten sei, dass auch das Koblenzer Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in die Vergabe eingebunden war. Das BAAINBw habe demnach darauf hingewiesen, dass der BWI-Aufsichtsrat vor der Ausschreibung unbedingt hätte informiert werden müssen. Die ARD erinnert in diesem Zusammenhang daran: „Im Juni [dieses Jahres] teilte das Ministerium mit, man habe sich ,aufgrund von strategischen Differenzen‘ vom Geschäftsführer der BWI [Ulrich Meister] getrennt.“

FDP spricht von unüberschaubarem „Netzwerk von Beratern“

Christian Dürr, Haushaltspolitiker der FDP, kritisiert Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ebenfalls heftig: „Sie sagt, sie versucht aufzuklären. Das, was wir sehen ist aber, dass immer wieder mehr ans Tageslicht kommt und man zurzeit den Eindruck hat, dass das Netzwerk von Beratern kein Ende zu nehmen scheint.“ Auch würden die Verfehlungen – Stichwort „Vergaberecht“ – immer mehr werden. Leider habe die vergangene Nacht nicht dazu beigetragen, dass man sagen könne, die Sache sei abgeschlossen, klagte Dürr im Gespräch mit den Journalisten der ARD. „Das ist sie bei weitem nicht!“

Grüne und FDP drohen inzwischen massiv mit einem Untersuchungsausschuss und fordern vom Wehrressort bessere Aufklärung. Die AfD hatte bereits im Verteidigungsausschuss einen Untersuchungsausschuss gefordert. Die anderen Fraktionen lehnten den Antrag jedoch ab.

Der Bundesrechnungshof hatte bereits in einem Bericht das momentan praktizierte Vergabewesen an Unternehmensberater scharf kritisiert. Der Bedarf werde oft nur unzureichend begründet, die Bundeswehr stelle bei der Vergabe externer Leistungen nicht den größtmöglichen Wettbewerb sicher, warnt die Behörde. Von der Leyen räumte inzwischen Fehler ein und kündigte entsprechende Maßnahmen an, um in Zukunft Vergaben besser kontrollieren zu können.

Umfassende Reform einer Großorganisation braucht externen Sachverstand

Droht nun Ministerin von der Leyen tatsächlich ein Untersuchungsausschuss, weil in ihrem Haus möglicherweise Aufträge an externe Berater rechtswidrig vergeben worden sind? Während die Opposition dies mindestens für denkbar hält und von „Steuerverschwendung“ und „Vetternwirtschaft“ spricht, will die SPD eine schnelle Aufklärung im Ausschuss. Die Union hingegen wirft der Opposition vor, nicht das Wohl der Bundeswehr im Auge zu haben.

All diese Positionen wurden deutlich in einer Aktuellen Stunde am heutigen Freitagnachmittag im Bundestag. Die Aktuelle Stunde zum Thema „Haltung der Bundesregierung zum Umgang mit externen Beratern im Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministeriums und der Bundeswehr“ war auf Verlangen der FDP angesetzt worden.

In der Debatte hatte von der Leyen den Einsatz externer Berater gerechtfertigt. Bei einer so umfassenden Reform einer Großorganisation wie der Bundeswehr sei es nötig, sich externen Sachverstand hinzuzuholen. Allein im Vergleich mit dem zivilen Personal liege das Volumen der „Externen“ bei nur 0,3 Prozent, das Budget für deren Leistungen betrage nur 0,5 Prozent des Haushalts des Ministeriums, hatte von der Leyen vorgerechnet. Sie hatte jedoch bei der Aktuellen Stunde eingeräumt, dass es „Vergaberechtsverstöße“ gegeben habe. Zudem seien „Bedarf, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit“ der Leistungen nicht ausreichend dokumentiert worden. Dies „hätte nicht passieren dürfen“. Sie hatte jedoch auch mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass der Bundesrechnungshof bescheinigt habe, dass die ergriffenen Maßnahmen „geeignet“ seien, den ordnungsgemäßen Einsatz externer Dritter sicherzustellen.


Die Aufnahme zeigt den Firmensitz des Unternehmens BWI GmbH in Meckenheim bei Bonn.
(Foto: BWI GmbH)

Kleines Beitragsbild: Symboldarstellung „Beratung“ aus dem Bildangebot von Pixabay.
(Bild: CC0 Creative Commons; freie kommerzielle Nutzung; kein Bildnachweis erforderlich)


Kommentare

  1. Dr.-Ing. U. Hensgen | 12. November 2018 um 13:29 Uhr

    Jeder Geschäftsführer, der externe Unternehmensberater für seine ureigenste Arbeit anstellen muss, gibt mit dieser Anstellung eine Bankrotterklärung seiner eigenen Fähigkeiten ab. Diese Aussage gilt gleichermaßen für Vorstandsmitglieder und Minister. Die Bundeswehr hat intern genügend Sachverstand, um notwendige Änderungen zu erkennen und sinnvoll umzusetzen.

    Externe Expertisen sind nur notwendig, wenn den eigenen Mitarbeitern nicht vertraut wird.

    Die politische Führung der Bundeswehr sollte akzeptieren, dass die Bundeswehr eine Säule der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland ist und zu sein hat. Sie hat nicht der Profilierungssucht einiger Politiker zu dienen.

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