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Arlington (Virginia, USA)/Kabul (Afghanistan). Kraftstoffdiebstahl und Handel mit illegalem Kraftstoff sind in Afghanistan zu einem lukrativen Geschäft geworden. Der Anreiz, sich an den kriminellen Machenschaften zu beteiligen, ist groß. Denn die Kraftstoffmengen, die für militärische Operationen im Land benötigt werden, sind gewaltig. Nach Ermittlungen des US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction, SIGAR) wurde mittlerweile Sprit im Wert von rund 154,4 Millionen US-Dollar entwendet. Leidtragende sind die US-Streitkräfte in Afghanistan und die afghanischen Sicherheitskräfte.

In einem jetzt erschienenen Spezialbericht zum Thema „Kraftstoffmanagement in Afghanistan“ warnt SIGAR-Chef John Sopko vor den Folgen der Diebstähle, die in großem Ausmaß organisiert scheinen. „Die Erlöse aus den Verkäufen der gestohlenen Kraftstoffmengen fließen direkt in die Kassen der Aufständischen und terroristischer Organisationen, die damit ebenfalls ihren Kampf gegen die Regierung finanzieren.“

Laut SIGAR lieferte das amerikanische Verteidigungsministerium im Zeitraum 2008 bis 2016 mehr als 2,8 Milliarden Gallonen Sprit im Wert von rund 13 Milliarden Dollar nach Afghanistan, um hier militärische Operationen der eigenen Truppen zu unterstützen. Im Zeitraum 2010 bis 2018 stellte beziehungsweise stellt das US-Verteidigungsministerium den afghanischen Sicherheitskräfte Kraftstoff im Wert von rund 3,2 Milliarden Dollar zur Verfügung.

Combined Security Transition Command-Afghanistan überwacht nicht digital

Eine besondere Rolle bei der Überwachung der nach Afghanistan angelieferten Benzin- und Dieselbestände spielt das Combined Security Transition Command (CSTC) des amerikanischen Verteidigungsministeriums. Gemeinsam mit afghanischen Ministerien wacht das CSTC auch über die ordnungsgemäße Verwendung weiterer Güter, die die USA für den Afghanistaneinsatz zur Verfügung stellen.

In seinem Bericht weist SIGAR darauf hin, dass das CSTC zwar neue technische Möglichkeiten untersucht, um die Versorgung mit Kraftstoff besser kontrollieren zu können. Leider sei das Kommando aber immer noch nicht in der Lage, Kraftstofflieferungen, Tankfüllstände oder Kraftstoffübergabeverfahren aus der Ferne zu überwachen.

Dass eine wirkungsvolle Überwachung möglich ist, beweist beispielsweise die Unterstützungs- und Beschaffungsagentur der NATO (NATO Support and Procurement Agency, NSPA). Die logistische Dienstleistungsorganisation für die NATO-Staaten vergab in der Vergangenheit nur Aufträge zur Lieferung von Kraftstoff nach und in Afghanistan, die an verschiedene Fernüberwachungsmethoden geknüpft waren. Im SIGAR-Bericht heißt es dazu: „NSPA arbeitet nach der Vertragsvergabe mit einer integrierten Technologie, mit der sich die jeweilige Lieferung während des Transports in ihre Systeme überwachen lässt.“

Die NATO-Agentur habe auch ein Kraftstoffmanagementsystem entwickelt, das in der Lage sei, Transaktionen digital aufzuzeichnen, Kraftstoffbestände per Fernmessung zu kontrollieren und aus der Ferne zu erkennen, wenn Kraftstoff manipuliert wurde, so SIGAR.

US-Agentur verlässt sich nach wie vor auf Angaben der afghanischen Regierung

Nach intensiven Recherchen konnte das Büro von John Sopko etliche entscheidende Schwachstellen im System der Kraftstoffbelieferung in Afghanistan ausmachen. So wurde bislang die Menge und die Qualität des an die afghanischen Truppen gelieferten Kraftstoffs nicht vom Combined Security Transition Command überprüft. CSTC musste gegenüber SIGAR auch eingestehen, keinerlei detaillierte Kenntnisse über die Standorte der Brennstofflager der Afghanen zu haben. Auch wisse man nichts über die Lagerkapazitäten an den einzelnen Standorten, die dortige Infrastruktur oder die Personalstärke des logistischen Personals der afghanischen Partner.

Weitere Kritikpunkte im SIGAR-Report sind, dass das CSTC seine Brennstoffbestellungen für die afghanischen Sicherheitskräfte nicht auf Daten des Verbrauchs stützt. Auch verlasse sich das CSTC sowohl auf Lieferdaten der Verkäufer als auch auf („betrügerische und ungenaue“) Unterlagen der afghanischen Regierung.

SIGAR bemängelt auch, dass aktuelle Verträge zur Belieferung der afghanischen Sicherheitskräfte mit Kraftstoff immer noch auf die Bestückung von Treibstofflieferwagen oder Ziellagertanks mit Sensoren verzichten. Dadurch sei keine Fernüberwachung möglich.

Bisher Haftstrafen in einer Gesamthöhe von 115 Jahren verhängt

Zum Schluss seines Spezialberichts empfiehlt das Aufsichtsgremium des US-Senats für die Afghanistan-Hilfe: „Da das Combined Security Transition Command zur Versorgung der Afghan National Security Forces mit Treibstoff nun einen Langzeitplan entwickelt, der fast zwei Milliarden Dollar kosten könnte, ist es von entscheidender Bedeutung, dass in Zukunft effektive Kontrollen durchgeführt werden, um Kraftstoffdiebstahl zu verhindern und Korruption zu bekämpfen.“

Wie SIGAR außerdem mitteilt, sind inzwischen rund 70 Untersuchungen im Zusammenhang mit Kraftstoffdiebstahl in Afghanistan durchgeführt worden. Dabei habe man fast 32 Millionen Dollar durch Geldbußen, Pfändungen und Rückerstattungen verbuchen können. Weitere 28,5 Millionen Dollar hätten eingespart werden können. Insgesamt hätten die Ermittlungen zu 40 Verurteilungen geführt. Dabei seien Strafen in einer Gesamthöhe von 115 Jahren Gefängnis und 53 Jahren Bewährung verhängt worden. 176 Personen sei der Zutritt zu militärischen Einrichtungen verboten worden.


Zu unserer Bildfolge:
1. Inspektion des Khuja Rawash-Kraftstoffdepots in Kabul. Das Depot befindet sich am internationalen Flughafen der Hauptstadt und war am 28. Februar 2009 an die afghanische Armee übergeben worden.
(Foto: Carie A. Parker/U.S. Air Force)

2. Das Hintergrundfoto unserer Bildmontage zeigt zwei Angehörige des 173rd Brigade Combat Teams im Tanklager der Forward Operating Base Fenty; der Stützpunkt befindet sich in der Nähe des Flughafens von Dschalalabad, der Hauptstadt der Provinz Nangarhar. Einmontiert in das Foto ist der Titel eines Berichts des US-Verteidigungsministeriums vom Januar 2017, der sich mit der Arbeit des CSTC in Afghanistan befasst.
(Foto: Nathan Bowen/U.S. Army)

Kleines Beitragsbild: Das Symbolfoto entstand am 8. November 2008 in der irakischen Provinz Ninive und zeigt einen US-Konvoi, der Flugbenzin zur Sahl Sinjar Air Base bringt.
(Foto: Kelly R. Chase/U.S. Marine Corps)


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