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Berlin. Es war ein ungeschminkter, alarmierender Lagebericht, den Generalleutnant Ingo Gerhartz da am gestrigen Mittwoch (27. Juni) in Berlin vortrug. Die deutsche Luftwaffe befinde sich in einer ernsten Notlage und benötige dringend Mittel zur Modernisierung ihrer Waffen und Systeme, sagte der Inspekteur der Teilstreitkraft am Abend in der Bundeshauptstadt vor rund 200 Zuhörern. Gerhartz, der am 29. Mai das Amt von Generalleutnant Karl Müllner übernommen hatte, warnte bei der Jahresversammlung der Interessengemeinschaft Deutsche Luftwaffe (IDLw): „Die Luftwaffe befindet sich an einem Tiefpunkt!“

Zu diesem Urteil sei er im Laufe seiner „Antrittsreise durch die Teilstreitkraft“, die am 13. Juni mit einem Besuch beim Taktischen Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“ in Laage begonnen hatte, gekommen. Besonders die zahlreichen Gespräche in den Verbänden hätten deutlich gemacht, wie groß die Defizite im Bereich der materiellen Einsatzbereitschaft inzwischen seien und wie sehr die Truppe darunter leide, erklärte der Inspekteur.

An der Veranstaltung der IDLw in der Landesvertretung Sachsen-Anhalt in Berlin nahmen auch der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels, sowie der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich, teil.

Eine gehörige Portion Resignation bereits bei jungen Piloten

Gerhartz zeichnete bei seinem Vortrag ein überwiegend düsteres Bild: „Flugzeuge stehen wegen fehlender Ersatzteile am Boden oder befinden sich gar nicht erst vor Ort, da sie zur Inspektion bei der Industrie sind.“ Eigentlich sei für einen Eurofighter-Kampfjet nach 400 Flugstunden eine Inspektion von sieben Monaten Dauer vorgesehen. „Diese umfasst aber momentan rund 14 Monate – also doppelt so lange“, rügte der Luftwaffenchef. „Das ist nicht akzeptabel!“

Bei seinen Truppenbesuchen könne er zwar „den Glanz und die Leidenschaft in den Augen der jungen Piloten“ sehen. Gleichzeitig sei da aber auch schon „eine ganz große Portion Resignation“ zu erkennen, wenn es beim Thema „Einsatzbereitschaft“ um die zentrale Frage gehe, wann sich denn nun die Situation verbessere.

Luftwaffe braucht Modernisierung vor allem bei den Großwaffensystemen

Nach seiner deutlichen Kritik an die Adresse der Rüstungsindustrie appellierte Gerhartz an die Politik, mehr zu investieren: „Es kann doch nicht sein, dass Soldaten im Einsatz eine völlig andere Bundeswehr erleben als in der Heimat. Auch bei uns zu Hause müssen wir unsere Hubschrauber verlässlich in die Luft bekommen, unsere Soldaten bestmöglich ausbilden und mit der persönlichen Ausrüstung versorgen, die sie durch die Einsätze kennen und gewohnt sind.“

Der Luftwaffeninspekteur forderte die Parlamentsabgeordneten auf, sich jetzt – nach Jahrzehnten des Sparkurses – für einen Finanzplan einzusetzen, der auch den Bedarf der Luftwaffe decke und eine verlässliche, nachhaltige Planung für die nächsten Jahre ermögliche. Es bedürfe „einer Modernisierung der Luftwaffe bei Großwaffensystemen sowie einer Weiterentwicklung bereits eingeführter Systeme, inklusive der dazugehörigen Bewaffnung“, verlangte Gerhartz. Dass die Luftwaffe überhaupt noch so gut funktioniere, verdanke sie allein der Leidenschaft und dem Engagement ihrer Soldaten.

Materielle Einsatzbereitschaft meist unter 50 Prozent

Wie schlecht es um die Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr bestellt ist, hatte bereits ein Bericht des Verteidigungsministeriums vom 26. Februar dieses Jahres an den Verteidigungsausschuss des Bundestages deutlich gemacht. Blicken wir auf die Luftwaffe:

So wuchs der Gesamtbestand an Eurofighter-Maschinen im Betrachtungszeitraum 2017 zwar auf insgesamt 128 an, der Teilstreitkraft standen aber durchschnittlich nur 81 Kampfjets zur Verfügung. Im Schnitt waren davon 39 Eurofighter einsatzbereit (dies entspricht im Mittel einer materiellen Einsatzbereitschaft von 48 Prozent).

Der Gesamtbestand an Mehrzweckkampfflugzeugen Tornado lag im Betrachtungszeitraum 2017 laut Verteidigungsministerium konstant bei 93 Maschinen. Abzüglich der Luftfahrzeuge, die für die technische Ausbildung, für Erprobungszwecke sowie zu Instandhaltungs- und Hochrüstmaßnahmen an die Industrie abgegeben worden waren, standen der Luftwaffe durchschnittlich 63 Tornado-Kampfjets zur Verfügung. Im Schnitt waren davon 26 einsatzbereit (dies entspricht im Mittel einer materiellen Einsatzbereitschaft von 41 Prozent).

Kommen wir zum mittleren Transporthubschrauber CH-53. Hier belief sich im Betrachtungszeitraum 2017 der Gesamtbestand auf 72 Hubschrauber. Der Luftwaffe standen im betrachteten Zeitraum durchschnittlich 40 Maschinen zur Verfügung, im Schnitt konnten davon 16 CH-53 tatsächlich für Ausbildung und Einsatz genutzt werden (dies entspricht im Mittel einer materiellen Einsatzbereitschaft von 40 Prozent).


Zu unserem Bildlauf:
1. Im Tiefflug durch den Rainbow Canyon in Kalifornien: Tornado der deutschen Luftwaffe am 10. Mai 2018 bei der multinationalen Übung „Green Flag West“ in den USA.
(Foto: Johannes Heyn/Bundeswehr)

2. Der neue Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, am 13. Juni 2018 beim Taktischen Luftwaffengeschwader 73 „Steinhoff“ in Laage. Das Geschwader bildet alle Piloten, die bei der Bundeswehr den Eurofighter fliegen, auf diesem Waffensystem aus. Der Besuch in Laage war der erste von insgesamt 13 Truppenbesuchen, die Gerhartz nach Antritt seines militärischen Amtes bundesweit unternahm.
(Foto: Johannes Heyn/Bundeswehr)

3. „Für alle, die auf Technik fliegen“: Werbeslogan der Luftwaffe auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung 2018. Generalleutnant Ingo Gerhartz hatte bei seinem IDLw-Vortrag auch von den Menschen im „Team Luftwaffe“ gesprochen. Der Inspekteur: „Die Luftwaffe ist geprägt von einem starken Team, von großartigen, engagierten Menschen – nur durch sie kann unsere Teilstreitkraft überhaupt noch so gut funktionieren.“
(Foto: Falk Bärwald/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: 31. März 2010 – ein Tornado-Kampfflugzeug der deutschen Luftwaffe eskortiert einen Airbus A319 CJ der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung.
(Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr)


Kommentare

  1. Dr.-Ing. U. Hensgen | 30. Juni 2018 um 09:36 Uhr

    Ein Dreisternegeneral, der die Dinge öffentlich beim Namen nennt! Respekt!!!

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