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Berlin/Munster/Pfullendorf. Es sind beunruhigende Zahlen für die Personalplaner: Statistisch betrachtet quittiert jeder fünfte Offiziersanwärter bei der Bundeswehr in den ersten sechs Monaten seinen Dienst, 24 Prozent der Offiziersanwärter brechen ihr Hochschulstudium ab. Dies berichten jetzt die Zeitungen der Funke-Mediengruppe unter Berufung auf das Bundesministerium der Verteidigung. So schreibt beispielsweise die Berliner Morgenpost, dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen auf diese unerfreuliche Entwicklung wohl mit einer Ausbildungsreform reagieren werde.

So soll die militärische Ausbildung in Zukunft „dezentraler werden und näher an den späteren Einsatzorten der Soldaten stattfinden“. Weiter heißt es in der Berliner Morgenpost: „Zudem sollen die Soldaten in der Grundausbildung stärker als bisher nach Leistungsstufen eingruppiert, im Einzelfall an höhere körperliche Anforderungen behutsam herangeführt und besser betreut werden.“

Das Thema „Reform der Ausbildung“ findet sich übrigens auch im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode wieder. CDU/CSU und SPD vereinbarten hier: „Wir werden die Ausbildungsstrukturen der Bundeswehr sowie ihre Führungs- und Ausbildungskultur in einer ,Trendwende Ausbildung‘ evaluieren, überprüfen und weiterentwickeln. Dort, wo es sinnvoll ist, wollen wir die Strukturen der bisher in weiten Teilen zentralen Ausbildung wieder in die Truppe zurückführen.“

Abschreckende Vorfälle in Munster und Pfullendorf

Die Bundeswehr, die mit dem zivilen Markt um Nachwuchskräfte heftig konkurrieren muss, erleidet mit ihrer Personalwerbung immer auch dann herbe Rückschläge, wenn skandalöse Vorfälle publik werden. Die letzten Negativschlagzeilen sind noch in bester Erinnerung …

Am 19. Juli 2017 brachen bei einem Eingewöhnungsmarsch am Standort Munster vier Offiziersanwärter zusammen und mussten in Krankenhäusern behandelt werden. Einer der Rekruten vom Offiziersanwärterbataillon 1 verstarb zehn Tage später.

Am 9. Januar dieses Jahres kollabierten bei einem auf 15 Kilometer angelegten Trainingslauf in Pfullendorf mehrere Offiziersanwärter, die erst einige Tage vorher in der Staufer-Kaserne mit ihrer Ausbildung begonnen hatten. Einer der Soldaten musste in eine Klinik eingeliefert werden. Das Verteidigungsministerium räumte in einem internen Bericht ein, der Lauf sei von den Ausbildern der Spezialausbildungskompanie 209 „überfordernd“ und „nicht angemessen durchgeführt“ worden. Spiegel online zitierte aus dem Bericht. Es bestehe „der Verdacht, dass der Geländelauf als ,Selektionslauf‘ angelegt und zumindest die Überforderung einiger Rekruten beabsichtigt war“, so das Magazin weiter.

Reformentwurf möglicherweise noch vor der Sommerpause

Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels, befürwortet die Pläne der Ministerin, allerdings werde man für die Realisierung des Vorhabens mehr Personal brauchen. Vor dem Hintergrund der jüngsten schlimmen Ereignisse in Munster und Pfullendorf sagte Bartels den Funke-Zeitungen: „Allen Offiziersanwärtern muss bewusst sein, dass sie einen Marsch jederzeit ohne negative Folgen abbrechen können.“

Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages, Wolfgang Hellmich, rechnet mit einem Reformentwurf des Wehrressorts noch vor der Sommerpause.


Unser Bild vom 14. Juni 2010 zeigt Soldaten der 5. Kompanie des Gebirgspionierbataillons 8 aus Ingolstadt bei einer Durchschlageübung. Die Aufnahme entstand bei der Lagebesprechung vor der nächtlichen Gefechtsübung.
(Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Mittagsverpflegung für die Kompanie – das Symbolbild entstand ebenfalls am 14. Juni 2010 bei der Durchschlageübung der Ingolstädter Gebirgspioniere.
(Foto: Andrea Bienert/Bundeswehr)


Kommentare

  1. Dr.-Ing. U. Hensgen | 3. April 2018 um 11:28 Uhr

    Zwanzig Prozent der Offiziersanwärter quittieren innerhalb der ersten sechs Monate ihren Dienst. Dies bedeutet doch nur, dass diese Personen andere Vorstellungen von der Bunderwehr hatten oder dachten, es sei einfacher.
    Soldat zu werden ist sicher kein Zuckerschlecken und wenn jeder Fünfte abspringt, so überrascht mich das nicht. Vorstellung von der Aufgabe und Vorstellung von der eigenen Leistungsfähigkeit stimmen manchmal nicht mit der Wirklichkeit überein.
    Würden bei olympischen Kampfsportvereinen zwanzig Prozent der Teilnehmer in den Anfängergruppen weitermachen, so wären die gut ausgebildeten und sehr engagierten Trainer glücklich.
    24 Prozent der Offiziersanwärter brechen ihr Hochschulstudium ab. Im Vergleich mit zivilen Hochschulen, zumindest im Bereich der MINT-Fächer, erscheint mir das keine große Zahl zu sein. Aber auch beim Studium ist die Wirklichkeit oft härter als es sich einige Kandidaten vorstellen. (Anmerkung der Redaktion: MINT-Fächer ist eine zusammenfassende Bezeichnung von Unterrichts- und Studienfächern beziehungsweise Berufen aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.)
    Natürlich muss die Ausbildung ständig angepasst und verbessert werden. Mit einer Reform, die wieder groß angekündigt wird und wie ein Strohfeuer bald beendet ist, wird es nicht getan sein. Ausbildungsverbesserung ist ein ständiger Prozess, der von allen Ausbildern in der Bundeswehr täglich gelebt wird und gelebt werden muss.
    Aber gleichgültig wie gut eine Ausbildung sein wird, es wird immer Leute geben, die es nicht schaffen! Es sei denn, die Anforderungen werden stark reduziert, was aber sicherlich nicht zielführend sein kann. Schule und Ausbildung waren, sind und werden auch immer eine Selektion beinhalten.

  2. Judith Mohn | 3. April 2018 um 16:31 Uhr

    Wozu gibt es denn Auswahlkriterien? Wenn man den Beruf eines Offiziers ausüben möchte, muss man entsprechend fit sein. Das sollte jeder wissen, der diesen Beruf ergreifen will. Und selbstverständlich ist solch ein Marsch oder Lauf eine Selektion. Es muss herausgefunden werden, wer diese Voraussetzungen erfüllen kann und wer nicht. Hat man sich nicht oder nicht ausreichend vorbereitet, dann hat man die vorausgesetzten Kriterien nicht erfüllt und ist draußen. Bisher war dieses Verfahren erfolgreich. Es haben bereits viele Soldaten jedweden Ranges die von ihnen geforderten Kriterien erfüllt – und es sind gute Soldaten! Warum sollten die Ansprüche jetzt verringert werden?
    Will das BMVg es riskieren, dass Soldaten aufgrund mangelndem Durchhaltevermögens verletzt oder gar getötet werden? Danach würde dann geschrieben, dass unsere Ausbildung zu mangelbehaftet wäre und man die Ausbildung verbessern muss.
    Man kann immer etwas verbessern, aber nicht durch Absenken von Ansprüchen. Es kann eben nicht jeder Arzt, Richter oder Spitzensportler werden und eben auch nicht jeder Soldat.

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