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Berlin/Bihanga (Uganda)/Mogadischu (Somalia). Die Bundeswehr hat ihre Teilnahme an der Trainingsmission Somalia der Europäischen Union (European Union Training Mission Somalia, EUTM Somalia) nach acht Jahren beendet. Mit der Rückverlegung der letzten vier Militärausbilder und des Materials endete ein Stück Bundeswehrgeschichte in dem ostafrikanischen Land, das immer wieder von terroristischen Anschlägen erschüttert wird. Nach der Friedensmission UNOSOM II in den Jahren 1993/1994 waren mit EUTM Somalia zum zweiten Mal deutsche Soldaten über einen längeren Zeitraum hinweg in dieser Region im Einsatz (UNOSOM: United Nations Operation in Somalia/Operation der Vereinten Nationen in Somalia).

Deutschland hatte sich seit März 2010 an der europäischen Ausbildungsmission beteiligt. Am 1. Februar nun gab das Bundesministerium der Verteidigung das Ende der deutschen Militärunterstützung für die Mission bekannt. Die Begründung: „Der Aufbau der somalischen Nationalarmee schreitet trotz der Bemühungen von EUTM Somalia nur langsam voran, unter anderem wegen der Defizite in den politischen und institutionellen Strukturen sowie mangelnder Ausrüstung der ausgebildeten somalischen Soldaten.“

Die im Dezember vom Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) durchgeführte strategische Überprüfung der Einsätze im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der Europäischen Union am Horn von Afrika habe deshalb auch eine Neuausrichtung der Mission unter Stärkung der Beratungsaufgaben empfohlen, erklärte das Verteidigungsministerium. Diese Initiative werde derzeit in Brüssel diskutiert.

Einen interessanten Blick auf die Effizienz der Mission erlaubt die Aussage des Politologen Stefan Brüne. Brüne, der unter anderem im In- und Ausland verschiedene Gastprofessuren innehatte, war auch als politischer Berater der europäischen Trainingsmission in Mogadischu tätig gewesen. In einem Interview mit der Deutschen Welle berichtete er kürzlich: „Alle Bundeswehrsoldaten, die ich während meines Aufenthaltes gesprochen habe, machten mir den Eindruck, dass sie keine allzu großen Erwartungen hinsichtlich der Ausbildung [durch EUTM Somalia] hatten.“

Ziviles Engagement im Sicherheitssektor soll in Somalia verstärkt werden

Deutschland beendet zwar sein militärisches Engagement an EUTM Somalia, wird die Mission jedoch weiterhin politisch unterstützen. Dazu das Verteidigungsministerium: „Angesichts der sicherheitspolitischen Bedeutung von Stabilität am Horn von Afrika prüft die Bundesregierung die Möglichkeit, ihr ziviles Engagement im Sicherheitssektor zu verstärken.“

Der von der EU am 14. November 2011 beschlossene strategische Rahmen für diese Region Afrikas umfasst politische und diplomatische Maßnahmen. Dazu zählen Entwicklungszusammenarbeit und internationale Koordination ebenso wie militärische Maßnahmen. Dies entspreche auch den Grundsätzen des deutschen Afrikakonzepts, so der Hinweis des Ministeriums.

Die Ausbildungsmission EUTM Somalia, die maritime Operation Atalanta sowie EUCAP Somalia – vormals EUCAP Nestor – sind Teil der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäische Union (EUCAP: EU Capacity Building Mission/Mission der Europäischen Union zum Ausbau von Kapazitäten). Die Operation Atalanta schützt seit dem Jahr 2008 Schiffe des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen und bekämpft Piraterie in den Gewässern vor Somalia. Die zivile Mission EUCAP Somalia unterstützt seit 2012 Somalia beim Aufbau eines rechtlichen Rahmens und staatlicher Institutionen der maritimen Sicherheit, damit das Land eines Tages selbst die Kontrolle des Seeverkehrs in den nationalen Gewässern ausüben und Seeräuberei bekämpfen kann.

Insgesamt mehr als 5700 somalische Sicherheitskräfte ausgebildet

Die Fahne der Bundesrepublik Deutschland wurde am 28. März im „International Campus“ in der somalischen Hauptstadt Mogadischu eingeholt. Auch die Niederlande beendeten an diesem Mittwoch ihre Teilnahme an EUTM Somalia. An der Schlusszeremonie nahmen die deutschen und niederländischen Militärattachés, Vertreter der EU sowie hochrangige Offiziere der somalischen Armee teil.

Der italienische Brigadegeneral Pietro Addis, Kommandeur EUTM Somalia, verabschiedete die Missionsangehörigen aus Deutschland und den Niederlanden. Die Anzahl der Truppen stellenden Nationen für EUTM Somalia umfasst jetzt nur noch zehn Nationen. In den zurückliegenden Jahren hat die Mission mehr als 5700 somalische Soldaten ausgebildet.

Vom sicheren ugandischen Bihanga in die gefährliche somalische Metropole

EUTM Somalia leistet seit Februar 2010 einen Beitrag zur Bewältigung der Folgen des langjährigen Bürgerkriegs im Land. Die Mission unterstützte zunächst die somalischen Streitkräfte, stärkte die damalige Übergangsregierung und trug so zur Stabilisierung des ostafrikanischen Landes bei.

Die Ausbildung somalischer Kräfte fand wegen der angespannten Sicherheitslage in Somalia zunächst im ugandischen Bihanga statt (wir berichteten). Seit der durch die EU mandatierten Ausweitung der Beratung auf den somalischen Generalstab und das Verteidigungsministerium Somalias im Jahr 2014 wird die Mission in Mogadischu fortgeführt.

Die Bundeswehr beteiligt sich seit März 2010 an EUTM Somalia. Mit dem Ende der Ausbildung in Uganda endete im Dezember 2013 zunächst das deutsche Engagement. Am 19. März 2014 beschloss die Bundesregierung die Wiederaufnahme der Beteiligung an EUTM Somalia, jetzt in Mogadischu. Der Bundestag mandatierte zuletzt am 22. Februar 2017 den Einsatz deutscher Soldaten in Somalia bis zum 31. März dieses Jahres.

Die Kosten für die Teilnahme der Bundeswehr an EUTM Somalia betrugen für den Zeitraum 1. April 2014 bis 31. März 2018 rund 13,4 Millionen Euro. Hinzu kommt die deutsche Beteiligung an den Missionskosten in den Haushaltsjahren 2010 bis einschließlich 2013 (Einsatzzeitraum März 2010 bis Dezember 2013) in Höhe von etwa 6,6 Millionen Euro. Die einsatzbedingten Zusatzausgaben für die deutsche Beteiligung an EUTM Somalia lassen sich demnach auf insgesamt rund 20 Millionen Euro beziffern.

Fest im Würgegriff der dschihadistischen Shabab-Bewegung

In einem Dokument des Bundestages vom 21. März 2016 zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr findet sich zu EUTM Somalia folgende Einschätzung der Wissenschaftlichen Dienste: „Somalia hat in den letzten Jahren eine grundsätzlich positive Entwicklung durchlaufen, in der politische wie auch strukturelle Fortschritte zu verzeichnen sind. Diese Entwicklung verläuft jedoch nicht gradlinig und auch nicht ohne Rückschläge. Somalia wird absehbar ein Staat mit fragiler Staatlichkeit sein und auf Unterstützung und Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen bleiben.“ Dies war eine gewagte positive Lageeinschätzung, denn inzwischen ist der „Staat mit fragiler Staatlichkeit“ ein vom Terror befallenes Staatengebilde mit nur geringer Aussicht auf Heilung.

So starben erst am Ostersonntag bei einem Angriff der Harakat al-Shabab al-Mujahedin – kurz al-Shabab – auf einen Militärstützpunkt der Truppen der Afrikanischen Union (AU) mehrere ugandische Soldaten. Nach Regierungsangaben sprengten sich dabei zwei Selbstmordattentäter der mit al-Qaida verbundenen Miliz in die Luft. Die rund 22.000 Mann starke AU-Truppe, ein Zusammenschluss afrikanischer Staaten, unterstützt die Streitkräfte Somalias im Kampf gegen al-Shabab. Spätestens 2020 aber sollen die Kräfte komplett wieder aus Somalia abgezogen sein.

Bereits am 22. März waren in Mogadischu durch eine Autobombe vor dem „Wehliye Hotel“ 17 Menschen umgekommen. Zu dem Anschlag bekannte sich später ebenfalls die Terrormiliz.

Am 14. Oktober vergangenen Jahres hatte der Fahrer eines Lastkraftwagens mit Sprengsätzen in Mogadischu mehr als 580 Menschen in den Tod gerissen – so viele, wie bei keinem Anschlag zuvor. Zu dem Anschlag bekannte sich niemand. Die somalische Regierung und internationale Experten machen allerdings al-Shabab für das Massaker verantwortlich.


Zum Bildmaterial:
1. Das letzte deutsche Kontingent bei EUTM Somalia bricht in Mogadischu „die Zelte“ ab.
(Foto: Bundeswehr)

2. Verladung des Materials zum Rückflug nach Deutschland – Missionsende in Somalia.
(Foto: Bundeswehr)

Kleines Beitragsbild: Auszeichnung der Europäischen Union für die Ausbilder der EUTM Somalia. Unser Symbolbild entstand am 30. August 2013 vor der Medal Parade im Ausbildungscamp in Bihanga, Uganda.
(Foto: EUTM Somalia/EEAS)


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