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Hamburg/Wilhelmshaven/Kiel. Die deutsche Marine hat momentan keine Flottentanker mehr. Wie die Führung der Teilstreitkraft jetzt mitteilte, hat die für die maritime Sicherheit zuständige Klassifizierungsgesellschaft DNV GL (Det Norske Veritas/Germanischer Lloyd; Hauptsitz Hamburg) bereits im April der „Rhön“ und nun im Juni der „Spessart“ die Klasse – vergleichbar mit einer TÜV-Bescheinigung – entzogen. Als Grund gibt die Marine „Altersschäden am Antriebsdiesel“ an. Die beiden ursprünglich zivilen Betriebsstofftransporter der Klasse 704 waren 1974 bei der damaligen Kröger Werft vom Stapel gelaufen und 1977 bei der Bundesmarine in Dienst gestellt worden. Die „Rhön“ (A1443) und die „Spessart“ (A1442) gehören zum Trossgeschwader der deutschen Marine. Die „Rhön“ ist in Wilhelmshaven stationiert, die „Spessart“ in Kiel. Vizeadmiral Andreas Krause, Inspekteur der Teilstreitkraft, bezeichnete den vorläufigen Ausfall der beiden Tanker als „ein weiteres Beispiel dafür, wie dringend die Modernisierung der Marine ist – und ihre Finanzierung“.

Die beiden Schiffe besitzen nur eine Antriebswelle mit einem Hauptantrieb, dem Zwölf-Zylinder-Dieselmotor mit 5880 kW beziehungsweise 8000 PS Leistung. Schon in den vergangenen Monaten hatte es große Probleme mit den Maschinen gegeben. Die mehr als 40 Jahre alten Flottentanker der deutschen Marine mussten dabei teilweise mit Schleppschiffen wieder nach Deutschland zurückgeholt werden.

So hatte die „Rhön“ im Februar 2017 auf die geplante Teilnahme am Manöver „Good Hope“ mit der südafrikanischen Marine in der Nordsee verzichten müssen, weil es zuvor auf einer Erprobungsfahrt in der Deutschen Bucht zu einem Schaden am Antriebsdiesel gekommen war. Schlepper der Reederei Bugsier hatten den Tanker daraufhin in das Marinearsenal nach Wilhelmshaven zur Untersuchung gebracht.

Knapp einen Monat später – Ende März 2017 – hatte die „Spessart“ aufgrund von Maschinenproblemen ihre Beteiligung am Seemanöver „Joint Warrior“ vor Schottland abbrechen und vorzeitig nach Kiel zurückkehren müssen. Nach einer mehrmonatigen Werftüberholung wurde das Schiff dann Anfang Februar dieses Jahres zusammen mit der Fregatte „Brandenburg“ zu einem NATO-Manöver vor der schottischen Küste entsandt. Dort zwang der Ausfall von zwei Dieselgeneratoren die Schiffsführung erneut zum Abbruch eines Einsatzes. Im norwegischen Marinestützpunkt Haakonsvern bei Bergen wurden eine erste Befundung durchgeführt.

Reparatur der Antriebsmaschinen nicht vor Ende 2018 beendet

Vizeadmiral Krause sagte über die schwierige Situation für die Marine: „Den Ausfall der Tanker können wir nicht kompensieren, dazu ist die Marine inzwischen zu klein geworden.“ Als Ersatz für die anstehende NATO-Verpflichtung der „Spessart“ im zweiten Halbjahr 2018 käme allenfalls einer der drei Einsatzgruppenversorger – die „Berlin“ (A1411), die „Frankfurt am Main“ (A1412) oder die „Bonn“ (A1413) – infrage. Die Versorger seien allerdings alle gebunden: bei der europäischen Mittelmeeroperation „Sophia“, bei der NATO-Aktivität in der Ägäis oder im Rahmen der vorbereitenden Einsatzausbildung. „Die Marine ist demnach gezwungen, die Zusage an die NATO zurückzuziehen“, so Krause mit Blick auf anstehende Bündnisverpflichtungen.

Auf die deutsche Unterstützung verzichten muss etwa der ständige maritime Einsatzverband der NATO SNMG 1 (Standing NATO Maritime Group 1). Denn eine Reparatur und damit die Einsatzbereitschaft der beiden Betriebsstofftransporter ist nach Auskunft der Marine nicht vor dem vierten Quartal 2018 zu erwarten. Trotz umfangreicher Untersuchung der Antriebssysteme sind die genauen Schadensursachen nach wie vor unklar. Als ersten Schritt lässt die Marine jetzt den Antriebsdiesel der „Spessart“ instand setzen; danach soll bei beiden Schiffen weitere Checks folgen.

Nachfolgeplanungen für „Rhön“ und „Spessart“ bereits in vollem Gange

Die Entscheidung der Klassifikationsgesellschaft DNV GL, beiden Tankern der deutschen Marine die Klasse zu entziehen, rief übrigens zwangsläufig auch die Referatsgruppe „Öffentlich-rechtliche Aufsicht und behördliche Aufsicht der Bundeswehr“ (Gruppe innerhalb der Abteilung „Gesetzliche Schutzaufgaben im Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr“) auf den Plan. Da in die Zuständigkeit dieses Aufsichtsgremiums auch die Wasserfahrzeuge der Bundeswehr fallen, wurde angeordnet, „den beiden Einheiten aufgrund der nicht sicheren Teilnahme am Seeverkehr die sogenannte Sicherheitstechnische Bescheinigung zu entziehen“.

Wie geht es nun mit „Rhön“ und „Spessart“ weiter? Die Nachfolgeplanung sieht nach Informationen der Marine momentan vor, beide Tanker bis zum Jahr 2024 weiter zu betreiben. Der Zustand der beiden Schiffe mache allerdings „wahrscheinlich, dass das nur mit erhöhtem finanziellen und zeitlichen Aufwand möglich“ sei, schätzt dabei die Führung.

Am 3. Juni hatte der Hörfunksender NDR 1 Welle Nord berichtet, dass die Nachfolger für die beiden in die Jahre gekommenen Schiffe des Trossgeschwaders „auf der Basis bereits existierender Schiffstypen“ schon als Entwurf erarbeitet worden seien. Dies habe das Verteidigungsministerium bestätigt. Mit den vorliegenden Plänen sei eine zügige Umsetzung möglich, hatte der NDR einen Ministeriumssprecher zitiert. 2024 solle es bei den Marinetankern einen „bruchfreien Übergang von alt auf neu“ geben.

Nur für Einsatz in küstennahen Gewässern tauglich und zudem voller Asbest

Zum Schluss noch ein Blick in die Fachzeitung Täglicher Hafenbericht (THB). In seinem am 27. Juni veröffentlichten Beitrag „Totalausfall bei den Marinetanker-Oldies“ erinnerte Eckhard-Herbert Arndt, stellvertretender THB-Chefredakteur, an zwei mögliche Ersatzkandidaten für Versorgungsaufgaben. Er brachte die beiden Tanker „Ammersee“ (A1425) und „Tegernsee“ (A1426) ins Gespräch, die der Marine vielleicht zum jetzigen Zeitpunkt helfen könnten. Die beiden Schiffe der Klasse 703 – auf der Kieler Lindenau-Werft gefertigt und gemeinsam mit der „Walchensee“ (A1424; 2010 Abbruch) und „Westensee“ (A1427; 2009 Abbruch) in den Jahren 1966 und 1967 in Dienst gestellt – sind allerdings nur für den Einsatz in küstennahen Gewässern ausgelegt.

„Ammersee“ und „Tegernsee“ wurden im Dezember 2015 außer Dienst gestellt und befinden sich aufgelegt im Marinearsenal Kiel. Während der letzten Werftliegezeiten vor drei Jahren wurden Medienberichten zufolge bei beiden „kleinen Betriebsstofftransportern“ im Schiffsinneren Asbest entdeckt. Der Bund verzichtete auf eine aufwendige und kostenintensive Sanierung.


Unser Bildmaterial:
1. Der deutsche Flottentanker „Spessart“ versorgt am 4. Oktober 2006 im Golf von Oman im Rahmen des Verbandes „Task Force 150“ das amerikanische Landungsschiff „USS Saipan.
(Foto: Patrick W. Mullen III/U.S. Navy)

2. Tanker „Rhön“ – die Aufnahme stammt vom 31. Juli 2013.
(Foto: Clemens Vasters/Wikipedia/unter Lizenz CC BY 2.0 – vollständiger Lizenztext:
https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/legalcode.de)

Kleines Beitragsbild: Die „Rhön“ läuft am 13. April 2007 – nach dreimonatiger Teilnahme am ständigen maritimen NATO-Einsatzverband SNMG 2 (Standing NATO Maritime Group 2) – wieder im Heimatstützpunkt Wilhelmshaven ein.
(Foto: Ann-Katrin Winges/Bundeswehr)


Kommentare

  1. Dr.-Ing. U. Hensgen | 4. Juli 2018 um 23:54 Uhr

    Ist es nicht unfassbar, mit wie viel Ignoranz die Politik mit unserer Bundeswehr umgegangen ist und noch immer umgeht? Schämen sich die Regierungsparteien der letzten zehn Jahre und deren verantwortlichen Mitglieder eigentlich, wenn sie das Ergebnis ihrer Entscheidungen sehen?

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